Kopernikus
,
Nikolaus (richtiger Coppernicus, wie er sich selbst geschrieben), geb. zu
Thorn,
[* 2] woselbst sein
Vater Niklas Koppernigk als Großhändler lebte. Die Sorge für die
Erziehung des früh vaterlosen Kopernikus
übernahmen
die mütterlichen Oheime Tilman von
Allen (1473 regierender
Bürgermeister von
Thorn) und
Lukas Watzelrode (seit 1489
Bischof
von
Ermeland). Den ersten
Unterricht erhielt auf der
Schule seiner Vaterstadt; im
Herbst 1491 bezog er die
Universität
Krakau,
[* 3] wo er sich mit Vorliebe unter Leitung des
Albertus de Brudzewo der
Mathematik widmete.
Astronomische Instrume

* 4
Astronomie.Nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat ging er 1496 zum Studium der Rechte nach Bologna; sein Name findet sich dort in dem Album »Nationis Germanorum«, welcher auch Lukas Watzelrode einst angehört hatte. Er trat hier in nähere Beziehung zu Dominicus Maria Novara, welcher Mathematik und Astronomie [* 4] lehrte; durch Urceus Codrus ward er in die griechische Sprache und Litteratur eingeführt. Im J. 1497 erhielt er durch den Einfluß seines Oheims ein Kanonikat in Frauenburg, blieb aber noch zwei Jahre in Bologna. Im Jubeljahr 1500 begab er sich nach Rom, [* 5] wo er öffentliche Vorträge über Mathematik und Astronomie hielt. 1501 machte er einen Besuch in die Heimat und erhielt von dem Domkapitel eine Verlängerung [* 6] seines Urlaubs, da er noch Medizin zu studieren versprach.
Hierzu wählte er die Universität Padua. [* 7] Daneben setzte er seine kanonistischen Studien fort, schon um mit einem akademischen Grad an die Kathedrale zurückzukehren. In Ferrara [* 8] ließ er sich zum Doktor des geistlichen Rechts graduieren Dann nahm er seine medizinischen Studien in Padua wieder auf und verließ Italien [* 9] erst 1505, reich an Lebenserfahrung und eingeweiht in die gesamten Studien des Humanismus, durch seine mathematischen und astronomischen Kenntnisse in weitern Kreisen bereits wohlbekannt.
Lehrbataillon - Lehren

* 10
Lehren.In der Heimat ward er sofort an den Bischofsitz entboten und blieb sechs Jahre auf dem Schloß zu Heilsberg. In der Muße, die ihm hier gewährt war, ist das Werk seines Lebens, in welchem er die neuen kosmischen Lehren [* 10] niedergelegt hat, in seinen Grundzügen ausgeführt worden. In dieser Zeit gab er auch als Frucht seiner humanistischen Studien eine Übersetzung der Briefe des Theophylactus Simocatta heraus (Krakau 1509), die einzige Schrift, welche er bei Lebzeiten veröffentlicht hat.
Nach dem
Tode des Oheims (1512) begab sich Kopernikus
nach
Frauenburg, verließ seine
Kurie jedoch wiederum nach fünf
Jahren,
um die
Verwaltung des umfangreichen Landgebiets des
Domstifts auf dem
Schloß in
Allenstein
[* 11] zu leiten (1517-21). Auch späterhin
wurde seine praktische Thätigkeit mehrfach in Anspruch genommen. So vertrat er in den
Jahren 1522-29 das
Kapitel auf den preußischen
Landtagen und war namentlich für die Regulierung des zerrütteten
Münzwesens thätig.
Preußen

* 13
Preußen.
Auch als
Arzt wirkte er selbst über den nächsten Freundeskreis hinaus; so wurde er 1541 von
Herzog
Albrecht
nach
Königsberg
[* 12] berufen. Dagegen ist die
Tradition unbegründet, daß er
Wasserleitungen in
Preußen
[* 13] angelegt habe; selbst die
Röhrenleitung in
Frauenburg ist nachweislich erst nach seinem
Tod erbaut.
Sein Hauptinteresse wandte Kopernikus
stets dem
Ausbau seines astronomischen
Systems zu. Bis in die letzten Lebensjahre aber erachtete er seine Forschungen nicht für abgeschlossen,
lehnte deshalb auch die
Aufforderung ab, welche 1516 von dem lateranischen
Konzil an ihn erging, die damals neu angeregte Kalenderverbesserung
fördern zu helfen.
Witteboom - Wittenberg

* 17
Wittenberg.
Nur seinen gelehrten
Freunden teilte er die neue kühne
Lehre
[* 14] mit, nach welcher die
Sonne
[* 15] der Zentralkörper
ist, um die sich die
Erde und die übrigen
Planeten
[* 16] drehen. Vor kurzem (1878) ist der nur handschriftlich verbreitete »Commentariolus«
wieder aufgefunden, in welchem Kopernikus
die Grundprinzipien seines heliozentrischen
Systems zusammengestellt hat. Hierdurch verbreitete
sich der
Ruf desselben in der Gelehrtenrepublik, so daß ihn von
Rom aus 1536 der
Kardinal
Schönberg um
eine
Abschrift des großen Werkes bat. Im J. 1539 kam der
Professor der
Mathematik zu
Wittenberg,
[* 17]
Georg
Joachim Rheticus, nach
Frauenburg, um sich in die neue
Lehre einweihen zu lassen.
In dem folgenden Jahr gab letzterer in der Form eines
Briefs an seinen frühern
Lehrer
Schoner ^[richtig:
Schöner] in
Nürnberg
[* 18] unter dem
Titel:
»Narratio prima« einen
Bericht über das Werk von Kopernikus
heraus
(Danzig
[* 19] 1540).
Endlich entschloß
sich Kopernikus
, gedrängt durch seine
Freunde, den
Bischof von
Kulm,
Tiedemann Giese und
Joachim Rheticus, zur Veröffentlichung seines
Werkes, welches, wie er in der Widmung an
Papst
Paul III. sagt, viermal neun Jahre bei ihm geruht hätte.
Kopf - Kopfholzbetrieb

* 20
Seite 10.65.
Rheticus brachte das
Manuskript nach
Nürnberg, wo es unter seiner und
Osianders
Aufsicht gedruckt wurde. Der letztere fügte
eigenmächtig noch ein
Vorwort hinzu, in welchem er, in vollem
Gegensatz zu der sichern, festen
Haltung von Kopernikus
, aus
Ängstlichkeit die von
Luther und
Melanchthon als anstößig bezeichnete
Lehre von der Erdbewegung als bloße
Hypothese hinstellte.
Kopernikus
konnte gegen den Vertrauensbruch nicht mehr
Protest einlegen; denn als ihm das erste
Exemplar des Werkes überbracht wurde,
lag er bereits im Sterben. Kopernikus
starb und wurde in der
Domkirche zu
Frauenburg begraben. In der
katholischen
Kirche schützte die kühne
Lehre eine Zeitlang die Widmung an den
Papst; aber nach dem Tridentiner
Konzil begann
die Gegenströmung, und 1616 wurde in
Anlaß der
Galilei-Wirren das Werk auf den
Index librorum prohibitorum gesetzt, aus welchem
es erst 1757 entfernt wurde. Die editio princeps erschien 1543 zu
Nürnberg unter dem
Titel:
»De revolutionibus
orbium coelestium«, ein unveränderter
Abdruck 1566 zu
¶
mehr
Basel.
[* 21] Die dritte Ausgabe (Amsterd. 1617) enthält erläuternde Anmerkungen; nach ihr ist der Text der Warschauer Ausgabe gedruckt,
welchem Baranowski eine verdienstliche polnische Übersetzung beigefügt hat. In der von dem Kopernikus
-Verein zu Thorn 1873 veranstalteten
Säkularausgabe ist der überlieferte Text nach dem wieder aufgefundenen Originalmanuskript kritisch berichtigt. Eine deutsche
Übersetzung (von Menzzer) veröffentlichte der Kopernikus
-Verein (Thorn 1879). - Der Grundgedanke des
Kopernikanischen Systems findet sich schon vereinzelt bei griechischen Philosophen und Mathematikern (bei spätern Pythagoreern
und bei Aristarch von Samos); allein von den scharfsinnigsten Geistern des Altertums ward die Lehre von der Erdbewegung unbedingt
verworfen.
Warschau (Stadt)

* 22
Warschau.
Die geocentrische Lehre, gestützt durch die Autorität von Aristoteles und systematisch ausgeführt von
Hipparch und Ptolemäos, fand allgemeine Anerkennung und erhielt sich während des ganzen Mittelalters. Es ist das hohe Verdienst
von Kopernikus
, das, was einzelne der Alten geahnt und hypothetisch hingestellt hatten, wissenschaftlich begründet
zu haben. Er stürzte die herrschende Weltanschauung, wenngleich er noch an der Ansicht festhielt, daß
die Himmelskörper sich in Kreisen bewegen oder wenigstens in Bahnen, die aus Kreisen zusammengesetzt sind. - Denkmäler für
Kopernikus
sind in Warschau
[* 22] (von Thorwaldsen), in Posen
[* 23] (von Brodzki) und in Thorn (von Tieck) errichtet; das letztere trägt die Inschrift:
»Nicolaus Copernicus Terrae Motor, Solis Caelique Stator«. - Die erste ausführlichere Biographie, von Gassendi
(Par. 1654), beruht nur auf gedruckten Quellen, trotzdem haben alle Spätern bis auf die neueste Zeit aus ihr geschöpft.
Erst in den letzten drei Dezennien hat die archivalische Forschung eine sichere Grundlage geschaffen; auf dieser ist die
ausführliche Biographie aufgebaut, welche L. Prowe (Berl. 1883, 2 Bde.;
nebst 1 Bd. Urkunden, das. 1884) veröffentlicht hat; eine kurze Lebensbeschreibung gibt desselben Verfassers »Festrede zur 4. Säkularfeier
des Geburtstags von Kopernikus«
(das. 1873). Die Frage über die Nationalität von Kopernikus
ist von einer Reihe polnischer Schriftsteller behandelt;
ihre Ansprüche hat Prowe in der Schrift »De patria Copernici« (Thorn 1860) und in einer Abhandlung in Sybels
»Historischer Zeitschrift« (1872) zurückgewiesen.