Konstanz
[* 1] (früher Kostenze, Kostentz; die Form
Kostnitz ist tschechischen Ursprungs und seit
Huß'
Zeiten mißbräuchlicherweise üblich geworden), Hauptstadt des bad.
Kreises Konstanz
, der 1864, 40 qkm (33,86 QM.)
Areal und (1885)
132,464 Einw. hat, in anmutiger
Lage am Ausfluß
[* 2] des
Rheins aus dem
Bodensee und an den
Linien
Mannheim-Konstanz der
Badischen
Staats-
sowie
Romanshorn-Konstanz und
Konstanz-Winterthur der Schweizerischen Nordostbahn, 308 m ü. M., besteht
aus dem ehemaligen
Kloster, jetzt zu
Kasernen umgewandelten Petershausen, den Stadtteilen
Seehausen und
Paradies mit zahlreichen
Gärten und Gemüsefeldern auf dem rechten und der Kreuzlinger Vorstadt auf dem linken Rheinufer.
Unter den Gebäuden der Stadt ist der Dom, eine 1052-1068 erbaute Säulenbasilika, das hervorragendste. Chor und Nebenschiffe sind im 15. Jahrh. umgebaut und neuerdings das ganze Gebäude restauriert worden. Von der neuen gotischen Turmpyramide genießt man eine prächtige Aussicht auf die Alpen. [* 3] Zu den Sehenswürdigkeiten des Doms gehören das Schnitzwerk der Chorstühle und Portalthüren von Nik. Lerch (1470), die Krypte, die reiche Schatzkammer, mehrere interessante Grabmäler etc. Die meisten Sitzungen des Konzils (s. unten) wurden im Dom gehalten, und noch zeigt man die Stelle, wo Huß 1415 bei seiner Verurteilung gestanden haben soll.
Andre kirchliche Gebäude sind: die gotische Stephanskirche, die den Altkatholiken eingeräumte Augustinerkirche (15. Jahrh.), die im romanischen Stil erbaute evang. Kirche und die 1884 erbaute Synagoge. Das ehemalige Dominikanerkloster (1875 zum Inselhotel umgebaut), das sich mit dem Dom in die Konzilssitzungen teilte, enthält das Grab des berühmten Griechen Manuel Chrysolaras ^[richtig: Chrysoloras] und war 89 Tage lang Huß' Kerker. Ein Wahrzeichen der Stadt ist das 1388 erbaute Kaufhaus, das während des Konzils als Konklave diente.
Sein großer
Saal, in welchem 1417 der
Papst
Martin V. gewählt wurde, ist jetzt von
Fr.
Pecht und Schwörer
mit Fresken aus der
Konstanzer
Kulturgeschichte geschmückt. Das Kanzleigebäude, mit historischen Fresken von Ferd.
Wagner
an der Außenseite geziert, enthält ein reiches
Archiv. Das
Wessenberg-Haus mit der
Büste des 1860 hier verstorbenen
Generalvikars
und
Stifters birgt eine
Gemäldegalerie und die große städtische
Bibliothek.
Ferner sind bemerkenswert:
das Rosgartenmuseum, ein altes Zunfthaus mit einer vortrefflichen Sammlung von Gegenständen aus der
Natur und der Geschichte
von Konstanz
und der Umgegend;
das Gasthaus Barbarossa, in welchem Kaiser Friedrich 1183 den Frieden mit den lombardischen Städten schloß;
das Huß-Häuschen am Schnetzthor, in welchem Huß wohnte und gefangen genommen wurde;
die Vincentsche Sammlung von Glasgemälden, der schöne Hafen mit Leuchtturm etc. Die Bevölkerung [* 4] beträgt (1885) mit der Garnison (einem Infanteriereg. Nr. 114) 14,601 Seelen, darunter (1880) 2423 Evangelische und 362 Juden.
Die
Industrie erstreckt sich auf Baumwollweberei und
-Druckerei, Fabrikation wasserdichter
Stoffe, von
Säcken, Jutegeweben,
Leinen und
Segeltuch,
Chemikalien,
Herden,
Schlössern und Kassenschränken, Steppdecken,
Schirmen,
Öfen
[* 5] und
Thonwaren,
[* 6] Trikotagen,
Seife,
Lichtern,
Tapeten,
Weißwaren,
Briefkouverten und
Falzziegeln, auf Glockengießerei, Fabrikation landwirtschaftlicher
Maschinen etc. Der
Handel wird außer
durch die
Eisenbahnen und die
Dampfschiffahrt auf dem
Bodensee durch eine
Handelskammer, eine Reichsbanknebenstelle,
die
Rheinische
Kreditbank und andre Bankgeschäfte unterstützt. Konstanz
ist Sitz eines Landeskommissars für die
Kreise
[* 7] Konstanz
,
Villingen
und
Waldshut, eines Bezirksamtes, eines
Landgerichts, einer
Oberpostdirektion, einer Bezirksforstei und eines
Hauptsteueramtes.
Die städtische
Verwaltung zählt 14 Magistratsmitglieder u. 72
Stadtverordnete. Zum Landgerichtsbezirk Konstanz
gehören die
Amtsgerichte
zu
Donaueschingen,
Engen, Konstanz
,
Meßkirch,
Pfullendorf,
Radolfzell,
Stockach,
Überlingen und
Villingen. An höhern
Schulen und andern Anstalten befinden sich in ein
Gymnasium, eine
Realschule, ein Rettungshaus für verwahrloste Mädchen etc.
Die nächste Umgebung von Konstanz
ist mit schönen
Anlagen geziert, südwestlich angrenzend liegt das schweizerische
Kreuzlingen,
weiter im
Untersee die
Insel
Reichenau und an demselben auf einer Anhöhe das
Schloß
Arenenberg (s. d.),
endlich im
Überlinger See die
Insel
Mainau (s. d.).
Geschichte. Konstanz
wurde nach der gewöhnlichen
Annahme von den
Römern 378 gegen die
Alemannen angelegt, aber schon im 5. Jahrh.
von den letztern zerstört. Die neuentdeckten ausgedehnten Pfahlbaustätten weisen aber noch auf weit
frühere menschliche Ansiedelungen, und auch die römische
Gründung ist wohl älter als das 4. Jahrh. Um 570 soll der Bischofsitz
von
Windisch unter
Bischof
Maximus hierher verlegt sein. Das
Bistum Konstanz
, mit den
Schweizer Besitzungen
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 8] von Konstanz.]
¶
mehr
1211 qkm (22 QM.), ohne jene 275 qkm (5 QM.), umfassend,
erstreckte sich vom mittlern Neckar bis zum St. Gotthardpaß über den größten Teil der deutschen Schweiz,
[* 10] das südliche
Baden
[* 11] und Württemberg,
[* 12] gehörte zur Erzdiözese Mainz
[* 13] und war der größte bischöfliche Sprengel Deutschlands.
[* 14] Das Domkapitel
befand sich in Konstanz;
der Bischof residierte in Meersburg und war Reichsstand. 780 erscheint als Stadt, war
anfangs den Herzögen von Alemannien untergeben und diente öfters zum Sitz von Reichstagen und geistlichen Versammlungen.
Hier hielt Kaiser Heinrich III. 1043 seine glühende Rede gegen die Simonie und ordnete den Landfrieden an; hier schloß Friedrich
Barbarossa 1183 den Frieden mit den lombardischen Städten (s. oben). Unter den hier gepflegten Gewerben stand
obenan die Leinweberei, die Tela di Costanza war in ganz Europa
[* 15] bekannt. Unter Heinrich VI. wurde Konstanz
1192 Reichsstadt und von
Wilhelm von Holland in ihren Freiheiten bestätigt. 1331 bildete es mit andern Reichsstädten den Schwäbischen
Städtebund.
Als Kaiser Karl IV. Konstanz
den Bischöfen unterwerfen wollte, verband es sich 1380 mit mehreren andern deutschen Städten und erhielt
von König Wenzel sogar den Blutbann. Im 15. Jahrh. bildete die dort 1414-18 abgehaltene Kirchenversammlung (s. Konstanzer Konzil)
den Glanzpunkt der Geschichte der Stadt. Vornehmlich durch die Einwirkung des Predigers Blaurer schloß
sich Konstanz
der Reformation an, worauf das Domkapitel die Stadt verließ. Diese trat 1528 in einen Bund mit Zürich
[* 16] und Bern,
[* 17] wurde aber 1529 von
den Urkantonen an Österreich
[* 18] überlassen.
Auf dem Reichstag zu Augsburg [* 19] reichte Konstanz, welches darauf dem Schmalkaldischen Bund beitrat, mit Lindau, [* 20] Memmingen [* 21] und Straßburg [* 22] die Confessio tetrapolitana ein. Als Konstanz die Annahme des Interim verweigerte, ward es 1548 vom Kaiser in die Acht erklärt und von dem spanischen Obersten Alfons Vivez, wiewohl vergeblich, angegriffen. Eine Reaktion in der Bürgerschaft führte jedoch die Unterwerfung unter das Haus Österreich herbei, welche in ihrem Gefolge die Herstellung des katholischen Bekenntnisses hatte. 1633 verteidigten sich die Bürger vom 7. Sept. bis 5. Okt. mit Erfolg gegen die Schweden. [* 23] 1677 ward während der französischen Okkupation des Breisgaues die Freiburger Universität zeitweilig hierher verlegt.
Der Wohlstand der Stadt sank, der Leinenhandel zog sich nach St. Gallen, die Messe nach Zurzach. Kaiser Joseph II. suchte vergebens die Stadt durch Herzuführung einer Genfer Kolonie zu heben. 1806 fiel an Baden, das Bistum wurde 1803 säkularisiert und 1821 gänzlich aufgehoben. Die Eisenbahnen brachten für Konstanz eine neue Blütezeit, während die Bevölkerung, durch den Bischof Freiherrn von Wessenberg (s. d.) aus den Fesseln einer verkommenen Geistlichkeit und aus den Banden des Mittelalters befreit, im Kampfe für freiheitliche Entwickelung des engern und weitern Vaterlandes mutig eintrat. Im vorigen Jahrzehnt war Konstanz Mittelpunkt der Bestrebungen der Altkatholiken im südwestlichen Deutschland [* 24] gegen die römische Hierarchie, und der dritte Altkatholikenkongreß ward vom 12. bis hier abgehalten.
Vgl. Eiselein, Geschichte und Beschreibung der Stadt Konstanz (Konstanz 1851);
Ladewig, Regesta episcoporum Constantinensium (Innsbr. 1886);
Marmor, Führer durch Konstanz (3. Aufl., Konst. 1874);
Derselbe, Geschichtliche Topographie der Stadt Konstanz (das. 1860);