Konstantinopel,
[* ] türk. Stambul (Istambul, Konstantinje oder Der-i-Seadet, «Pforte der Glückseligkeit»),
von Italienern und Levantinern Cospoli, von den Slawen Zarigrad (d. i. Kaiserstadt) genannt, Hauptstadt des türk. Reiches, liegt unter 41° nördl. Br. und 28° 59' östl. L. von Greenwich, auf einer Halbinsel, die im S. vom Marmarameer, im O. vom Bosporus (s. d.) und im N. vom Goldenen Horn umspült wird. Es bietet mit seinen Gärten, Moscheen und Türmen, amphitheatralisch aus dem Meere aufsteigend, eins der schönsten Panoramen der Erde. Das Klima (mittlere Jahrestemperatur 16,3° C., Januar 5,8° C., Juli 23,5° C.) ist großen Schwankungen ausgesetzt, aber gesund.
Krankheiten (Wechselfieber), besonders epidemische, treten vorzugsweise im Herbst und Frühjahr auf. (Hierzu eine Übersichtskarte.) Bevölkerung. Stambul im engern Sinne hat ungefähr 600000 E. Zum Stadtbezirk Konstantinopel gehören auch die am Goldenen Horn gelegenen Vororte, wie Ejub, dann Chasköi (Hasköi), Kassim-Pascha, Pera, Galata, Pankaldi, Feriköi und die Quartiere am Bosporus Top-Hane (s. d.), Fündüklü (s. d.) mit etwa 210000 E.; zum Polizeibezirk Konstantinopel gehören auch die nördlicher am europ. Bosporusufer gelegenen Orte Kabatasch, Dolma-Bagdsche, Beschik-Tasch, Jildis-Kiosk mit seinen stark bevölkerten Dependenzen (s. die Einzelartikel), dann Ortaköi mit der hart am Ufer stehenden schönen Moschee der Sultanin-Mutter, ferner Arnautköi (Albanesendorf; jetzt fast ausschließlich von Griechen bewohnt), Kurutschesme (Trockner Brunnen), Bebek (s. d.), Rumeli-Hissar (s. Balta-Limani), Emirgon, mit Landhaus und Park des Ex-Chediv Ismail Pascha;
dann Jeniköi, Therapia, Böjükdere, Jeni-Mahalle, Rumeli-Kawak und Rumeli-Fener mit Leuchtturm am Schwarzen Meer, zusammen mit 58000 E.;
ferner die Ortschaften am asiat. Bosporusufer mit etwa 155000 E., darunter Kadiköi (s. d.), Skutari (s. d.) und Beikoz;
rechnet man die am Marmarameer gelegenen Sommerfrischen Makriköi und San Stefano und die Hauptorte der Prinzeninseln dazu, so ergiebt sich für Konstantinopel mit den Vororten eine Einwohnerzahl von 1033000 E. Für das eigentliche Konstantinopel ergab eine Zählung (1885) 384910 türk. Mohammedaner, 152741 Griechen, 149590 gregorianische und 6442 kath. Armenier, 4377 Bulgaren, 44361 Israeliten, 819 Protestanten, 1082 kath. Türken und 129243 fremde Unterthanen, darunter 50000 Griechen.
Während Stambul und einige Ortschaften am Bosporus von Türken bewohnt werden, überwiegt die nichttürk. Bevölkerung in den Vororten; Griechen und Armenier besonders in Pankaldi bei Pera und im Quartier Kum Kapu in Stambul, Perser nur in Stambul, im Quartier Mahmud Pascha, Juden in Chasköi am Goldenen Horn und im Quartier Balat in Stambul, in Kuskundschuk auf der asiat. Bosporusseite, Levantiner und Franken (Deutsche, Österreicher, Schweizer, Franzosen) in Pera.
Konstantinopel ist Sitz der höchsten türk. Regierungsbehörden, des Scheich ul-Islam, des höchsten mohammed. Geistlichen, der Generalkonsulate aller Großstaaten, eines röm.-kath. Erzbischofs (Skutari), des griech. und armenischen Patriarchen und eines Großrabbiners.
Die Stadt ist überaus ausgedehnt, da die ältern Viertel meist aus einstöckigen Häusern bestehen und zahllose Gärten und Friedhöfe enthalten; in Pera entstehen jetzt auch 5–7 Stockwerke hohe Zinshäuser. Die Zahl der Gebäude beläuft sich auf über 200000, darunter sind 34200 Kaufläden und Magazine, 175 Bäder, etwa 320 Paläste und Kiosks, 280 Regierungsgebäude, 198 Kasernen und Kolluks (Wachthäuser), 673 Moscheen und 560 verschiedene türk. Schulgebäude. 146 Seminare (Medresse-Priesterschulen, meist Dependenzen der Moscheen), 65 Bibliotheken, 230 Derwischklöster, 16 Hospitäler, 169 christl. Kirchen und Synagogen. Die Anzahl der griech. Kirchen beläuft sich auf 60, die der armenischen auf 40. Die Katholiken haben 10 Kirchen und 6 Klöster.
Stadtteile. Das eigentliche ältere Konstantinopel, Stambul, bildet ein Dreieck von der Serailspitze (Serail Burun) am Goldenen Horn entlang bis nach Aiwan Serail und von hier die Theodosianische Mauer (s. S. 588b) entlang bis nach Jedikule am Marmarameer. Es hat meist enge und ganz regellos angelegte Straßen. Von den drei breitern, fast parallel von O. nach W. laufenden Hauptstraßen ist die bedeutendste diejenige, welche von der Brücke an der Jeni-Dschami, dann an der Sophienkirche vorbei nach dem schönsten Platze Stambuls, dem Seraskierats- (Kriegsministeriums-) Platze führt.
Von hier aus läuft eine Hauptstraße westlich weiter bis ans Goldene Thor (Porta aurea), eine zweite über das Quartier Akserai (Forum Bovis) bis nach Top-Kapussi (Porta Romana). Bei Akserai zweigt eine Linie nach S. ab, nach Jedikule. Abgesehen von den Höfen vor den Moscheen, wo sich fast immer ein reges Marktleben entwickelt, sind an Plätzen in Stambul nennenswert: der Seraskierats-Platz, der Atmeidan (ehemals Hippodrom, s. Rennbahn) und der äußere Hof des alten Serail (s. d.).
An Denkmälern aus vortürk. Zeit ist Konstantinopel arm; zu denselben zählen die Obelisken des Hippodrom (z. B. der Theodosius' d. Gr., ein granitener Monolith von 30 m Höhe) und das Bruchstück der bronzenen Schlangensäule (5,5 m), des platäischen Weihgeschenks an Apollon; ferner die Säule Konstantins, die sog. verbrannte (türk. Tschemberli-Tasch), die Gotensäule des Claudius (?) im äußern Hofe des alten Serail und die Marciansäule (türk. Kiß-Tasch). Überbleibsel aus alter Zeit sind ferner die Burg der sieben Türme (in Jedikule); die noch heute benutzte, von den Kaisern Valens und Justinian erbaute Wasserleitung, die Reste des Kaiserpalastes (Hebdomonpalast) der Blachernen (Tekfur Serail), die berühmte Kirche des Klosters St. Johannis Studios (jetzt Achor-Moschee), endlich die Ruine des Palastes Hormisdas am Meere, unweit der kleinen Agia Sofia.
Von den Moscheen waren ursprünglich christl. Kirchen die Agia Sofia (s. Sophienkirche), die kleine Sophienkirche (Kütschük Agia Sofia, ehemals Kirche des Sergius und Bacchus), die Moschee Kachrijeh-Dschami am Adrianopeler Thore, einst byzant. Klosterkirche, mit wertvollen bis 1860 von der Kalkdecke verdeckten Mosaik- und Freskobildern, ferner die Irenenkirche im äußern Serailhofe (jetzt Zeughaus), die Kilisse-Medschid (ehemalige Kirche des Theotokos, s.Tafel: Byzantinische Kunst, [* 1] Fig. 2 u. 6). Aus türk. Zeit stammen die Moscheen Soleimans
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586 (Suleimanieh, erbaut 1550–66), Achmeds I. (1609–14), mit herrlichem Vorhof (Haram) und vielen Nebengebäuden, Mohammeds II. (1463–69, ein Gewölbebau, s. Tafel: Arabische Kunst I, [* ] Fig. 2), Mahmudijeh, Selims I. (1520–23), Bajazets II. (1497–1505), die Taubenmoschee genannt, die Nur-i-Osmanie (1755), die Schah-Sade (1543–48), die Valide (1870) und die Jeni-Dschami der Sultan-Valide (1616–65), mit Mausoleum unweit der Neuen Brücke. Architektonisch wertvoll sind auch viele öffentliche Brunnen (Sebil), fromme Stiftungen, namentlich der Achmedbrunnen (erbaut 1728) und verschiedene Mausoleen (Turbe), namentlich das Sultan Mahmuds des Reformers, ein achteckiger Bau aus weißem Marmor. Zu den bemerkenswerten Gebäuden gehören auch der Große Bazar (Böjük Tscharschi), ein riesiges Gewölbe mit vielen Straßen und über 3000 Verkaufsläden, der Ägyptische Bazar (Missir-Tscharschi) mit Gewürzwaren, das Gebäude der «Hohen Pforte» in der Nähe der Agia Sophia und das alte Serail mit der kaiserl. Schatzkammer. Im äußern Serailhofe stehen der Tschinili-Kiosk mit dem Antikenmuseum und das 1892 vollendete neue Museum mit den berühmten Sarkophagen (den sog. Alexandersärgen) aus Sidon, einer Ausstellung türk. Kunstprodukte, architektonischer Modelle, naturhistor.
Sammlungen u.s.w., ferner die Gebäude der Kunstschule (Académie des beaux-arts). Direktor des Antikenmuseums und der Kunstschule ist Hamdi Bey (s. d.). Das Janitscharen-Museum beim Atmeidan enthält eine Ausstellung von Kostümen aus der Zeit der Janitscharen. Die Cisternen, meist großartige unterirdische Bauten zur Ansammlung von Wasservorrat für die Hauptstadt, stammen meist aus griech. Zeit, so die Cisterne des Philoxenos (heute türk. Bin-bir-direk, d.i. 1001-Säule), Jerebatan-Serail in der Nähe der Agia Sofia und die der 40 Märtyrer.
Ejub, die einzige auf dem südl. Ufer des Goldenen Horns unmittelbar an Stambul grenzende Vorstadt, erhielt ihren Namen nach dem Fahnenträger des Propheten, dem der türk. Eroberer K.s hier eine Moschee bauen ließ, welche in ganz Konstantinopel als die heiligste betrachtet wird und deren Besuch keinem Nichtmohammedaner gestattet ist. Ejub ist in Europa die bevorzugteste Begräbnisstätte der Mohammedaner. Hier ist die Stätte des alten Kosmidion, wo die Kreuzfahrer unter Gottfried von Bouillon ihr Lager aufschlugen. In der Ejub-Moschee findet hier beim Regierungsantritt des Sultans die Ceremonie der Umgürtung mit dem Schwerte des Osman statt.
Karte: Pera-Galata (Situationsplan)
Stambul mit Ejub wird von seinen nördl. Vororten durch das Goldene Horn getrennt, einen etwa 7 km langen und bis zu 60 m tiefen und geschützten Hafen, im Altertum Chrysokeras genannt. Am westl. Ende desselben öffnet sich das Thal der «Süßen Wasser (Kiathane-su) Europas» und des Ali-Bey-su (des Kydaros und Barbyses der Alten), ein durch frühere Sultane bevorzugter und durch Anlagen verschönerter Ort, heute beliebter Ausflugspunkt der Türken. Das Goldene Horn zerfällt in den nordwestlich von der Alten Brücke gelegenen Kriegshafen und den zwischen jener und der Neuen Brücke befindlichen Handelshafen. Behufs Einfahrt größerer Schiffe können beide Brücken in der Mitte geöffnet werden. Seit Anfang 1893 baut man an einem Hafenquai. Die beiden wichtigsten Stadtteile jenseit des Goldenen Horns sind Galata und Pera. (s. nachstehenden Situationsplan).
Galata ist in Stein erbaut, mit zum Teil in Treppenstufen zum Hafen abfallenden engen Gassen, aber auch neuen geradlinigen Straßen, zählt 35000 E. und nimmt heute den ganzen Raum zwischen Pera, der von Türken bewohnten Vorstadt Top-Hane und dem Arsenal ein. Galata ist Hauptsitz der großen Handelsfirmen; hier hat namentlich der Geldverkehr seinen Mittelpunkt. In der Nähe der Neuen Brücke liegt der Kaviar-Chan und die Börse. Am Meere liegen die Gebäude der Douane, der Schiffsagenturen, auch die österr.
Post; weiter hinauf die kaiserl. Ottomanische Bank, das deutsche, franz. und engl. Postamt und das engl. Konsulat. Galata, unter dem Namen Sykai (Feigenort) schon als dreizehnte Region genannt, von Justinian verschönert und mit Stadtrechten versehen, liegt an einem Hügel, den der von Anastasios Dikoros (um 514) gegründete und später (1348) von den Genuesen bedeutend erhöhte Christusturm krönt. 717 wird zum erstenmal das sich an den Turm anschließende «Kastellion des Galatas» erwähnt. Der Name «Pera» (d. h. jenseits, drüben), ursprünglich für das nördl. Ufer überhaupt gebraucht, beschränkte sich später auf Galata und ging erst nach 1453 auf die neue Ansiedelung nördlich vom Christusturm über. 1261 wurde den genuesischen Kolonisten, die seit 1149 in und zwar an der Stelle des Bahnhofs
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587 der Rumelischen Eisenbahn, angesessen waren, Galata zur Niederlassung angewiesen, die es zu einer stark befestigten Handelsfaktorei machten. Der Palast ihres Oberhauptes, des Podestà, ist noch zum Teil erhalten. Von den alten genuesischen Kirchen und Klöstern bestehen noch zwei. San Francisco hat der Moschee Jeni-Dschami den Platz räumen müssen; die Arab-Dschami war früher eine Kirche des Goten Areobindos, St. Benoit ist jetzt eine franz. Klosterschule mit Pensionat.
Lange Zeit blieb Galata auf das noch jetzt durch Fundament kenntliche Dreieck beschränkt, dessen bis zum Rande des Plateaus von Pera sich bergaufwärts erstreckende Spitze vom Galataturm (50 m) überragt wird, von dem aus man ganz Konstantinopel überblickt. Im 16. und 17. Jahrh. vergrößerte es sich um das Dreifache. Zwischen Top-Hane, Galata und Kassim-Pascha, über diesen Vorstädten auf der Höhe des Hügels liegt Pera, das eigentliche Franken- und Fremdenquartier. Hier hat die Modernisierung die größten Fortschritte aufzuweisen.
Seit dem großen Brande vom ist Pera eine wesentlich europ. Stadt mit zum Teil gut gepflasterten Straßen, darunter die große Perastraße. An ihr liegen die meisten Botschaftshotels, von denen das englische, russische und französische am ansehnlichsten sind. Unter den neuern Bauwerken (zum Teil aus Marmor) zeichnen sich die ursprünglich zur Kaserne bestimmte Schule, Lycée Imperial de Galata-Serail, die Cité de Pera und das deutsche Botschaftspalais (oberhalb Fündüklü) hinter der großen Artilleriekaserne aus. Prachtbauten sind auch namentlich die großen Hotels am «Piccolo Campo» und in der Rue Cabristan; von den Gärten sind der Taximgarten und der Municipalgarten zu nennen.
Verwaltung. Konstantinopel bildet unter dem Titel Schehir-Emaneti unter einem Stadtpräfekten (Schehir Emini) einen eigenen Verwaltungsbezirk; dieser wird in 10 Bezirke (Daïre) geteilt, an deren Spitze ein Unterpräfekt (Müdir) steht (1.–3. Stambul, 6. Pera und Galata, 4., 5. und 7. europ. Seite des Bosporus, 8. anatolische Seite, 9. Skutari, 10. Kadiköi). Zu polit. Zwecken giebt es eine Einteilung in 3 Mutessariflikts. Stambul steht unter dem Polizeiminister.
Infolge der vielfachen Umgestaltung auch der innern Stadtteile seit den großen Feuersbrünsten von 1865 und 1866 ist Konstantinopel auch gesünder geworden. Auch trotz der finanziellen Bedrängnisse seit 1875 ist die Regierung um Verbesserungen bemüht. Eine der wohlthätigsten Einrichtungen der neuesten Zeit ist die Versorgung durch laufendes Wasser aus dem See von Derkos (in der Nähe des Schwarzen Meers), obwohl das Wasser demjenigen der durch die alten Leitungen von Belgrad (am Bosporus) her und dem neuerdings von Gök-su aus dem Thale der «Süßen Wasser Asiens» zur Versorgung der am asiat. Bosporusufer gelegenen Ortschaften (einschließlich Kadiköi) hergeleiteten Quellwasser an Güte nachsteht. (Vgl. Karte: Bosporus beim Artikel Bosporus.) Jene Wasserleitungen, wie die meisten derartigen Anlagen, liegen in den Händen fremder Unternehmer.
Seit 1870 ist die Feuerwehr gänzlich reorganisiert (s. Feuerlöschwesen, Bd. 6, S. 737a). Die Beleuchtung geschieht durch Gas (die Gasometer bei Dolma-Bagdsche versorgen Pera, Galata u.s.w., die zu Jedikule Stambul), läßt aber, besonders in Stambul, noch viel zu wünschen übrig. Um die Sicherheit ist es im allgemeinen nicht minder gut bestellt als in andern Großstädten. Die Polizei (Sabtïe) besteht fast nur aus Türken, sehr zahlreich sind die Wachen. Der Fremde genießt ziemlich weitgehende Rechte und untersteht beinahe ausschließlich der Gerichtsbarkeit seiner eigenen Konsularbehörde.
Bildungs- und Vereinswesen. Für das Schulwesen ist unter der Regierung Abd ul-Hamids II. viel geschehen, doch liegt der Elementarunterricht noch sehr im argen. Es giebt Kinderschulen (Subjân Mektebleri) für Knaben 162, für Mädchen 169;
Elementarschulen (Mekiâtib-i-Ibtidâije) für Knaben 18, für Mädchen 3;
Privatschulen für Knaben 10, für Mädchen 5;
höhere Bürgerschulen für Knaben 19, für Mädchen 8;
je eine Gewerbeschule, ein türk. Waisenhaus (Dâr-ul-Schafakat), und von höhern Schulen: das Lycée Imperial de Galata-Serail (Mekteb-i-Sultani), je eine Civil-Medizinschule, höhere Schule für Civilbeamte (Mekteb-i-milkijê), Lehrerseminar (Dar-ul-Muallimin), Lehrerinnenseminar, Schule für Rechtswissenschaften, kaiserl. Kriegsschule (Mekteb-i-harbijê), Medizinschule, 10 militär. Vorbereitungsschulen, Marineschule auf der Insel Chalki (Mekteb-i-bahrijê).
– Unter den fremden Nationen haben die Griechen in und den Vorstädten 56 Schulen (eine Handelsschule auf der Prinzeninsel Chalki), die von etwa 12000 Schülern und Schülerinnen besucht werden;
darunter eine große Kommunalschule im Quartier Fener;
die Mädchenschule Zappion und die Knabenschule Zographion in Pera sind wohlthätige Stiftungen;
die Erhaltung der Schulen kostet über 5 Mill. Piaster jährlich.
Die Armenier haben 40 mit den Kirchen zusammenhängende Schulen, die kath. Armenier sechs. Außerdem sind in erster Linie die Österreicher, dann die Franzosen, Engländer, Italiener, Bulgaren, Amerikaner (Robert-College am Bosporus), Israeliten u.a. durch eigene Schulen vertreten. Die Deutsche und Schweizer-Schule, eine höhere Bürgerschule für Knaben und Mädchen in Pera, wird auch von Nichtdeutschen besucht. Einige franz. Theater sind untergeordneten Ranges. Sehr beliebt bei den Türken sind die Schattenspiele (s. Karagöz). Das Vereinsleben ist bei der einheimischen Bevölkerung einschließlich Griechen und Armenier nicht entwickelt; doch besitzen letztere einen wissenschaftlichen Verein «Syllogos». Den Mittelpunkt des geselligen Lebens der Deutschen und Schweizer bilden die «Teutonia» und der Handwerkerverein. Von Bedeutung ist auch der Deutsche Exkursionsklub.
Zahlreich sind wohlthätige Anstalten;
die türk. Armenküchen (Imarets), meist Dependenzen von Moscheen, speisen täglich etwa 30000 Arme;
außerdem haben alle fremden Nationen besondere Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhäuser;
unter den letztern ist das deutsche Krankenhaus in Fündüklü das angesehenste.
Zeitungen erscheinen in zehn Sprachen, die bedeutendsten sind: «Tarik» und «Saedet» (türkisch),
«Levant Herald» (französisch und englisch),
«La Turquie»»Journal de la Chambre de Commerce" und «Konstantinupolis» (griechisch);
doch herrschen strenge Censurverhältnisse.
Industrie und Handel. Großindustrie fehlt fast völlig; wichtig sind Dampfmühlenbetriebe, Fesfabrikation, Tabakindustrie, Gießerei, Druckerei und die kaiserl. Werkstätten und Werfte für Heer und Flotte. Dagegen ist das Kleingewerbe hoch entwickelt. Den einzelnen Handwerken sind meist
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588 bestimmte Straßen gewidmet; beständiger Markt findet vor den Moscheen statt und hier herrscht noch ein echt orient. Leben und Treiben. Im Großhandel spielen Griechen, Armenier und span. Juden eine wichtigere Rolle als die Türken. Konstantinopel ist infolge seiner Lage am Kreuzungspunkt der Wege von Rußland nach dem Mittelmeer und der Karawanenstraße von Vorderasien nach Osteuropa von jeher ein Welthandelsplatz gewesen. Doch scheint es, falls nicht die kleinasiat. Bahn neues Leben bringt, an Bedeutung zu verlieren, seitdem Syrien, Arabien, Südpersien direkte Schiffverbindung nach Südeuropa erhalten und seitdem Rußland sich in Centralasien festgesetzt hat.
Auch seine Rolle als Stapelplatz der Balkanhalbinsel ist durch die Konkurrenz von Saloniki, Dedeaghatsch und Burgas gefährdet. Wichtige Einfuhrwaren sind: Getreide und Mehl (vor allem aus Südrußland), ind. Reis, Zucker (1891/92: 22,47 Mill. kg, darunter 18 Mill. im Werte von 6,5 Mill. M. aus Österreich-Ungarn), Kaffee auch aus Brasilien, Petroleum, ferner Baumwollgarne und Zeuge fast nur aus England, Strumpf-Wirkwaren, Wollstoffe, Jute, Seide, Shawls, Kleider und Fes zumeist aus Österreich; ferner Eisen, Zinn, Werkzeuge, Küchengeräte, Glas (aus Belgien und Böhmen), Thonwaren, Papier zu Cigaretten aus Frankreich und Österreich, Holz und Steinkohlen.
Zur Ausfuhr kommen Teppiche, etwa 160000 Stück jährlich, aus Kleinasien, Persien, Turkestan, Mohair (Angora), namentlich nach England, Lammfelle und vor allem Schafwolle. Rosenöl, Stickereien und Filigranarbeiten sind meist einheimischen Ursprungs. Dem Verkehr in der Stadt dienen außer Wagen und Reitpferden vier Pferdebahnlinien, zwei in Stambul in den neuen Straßenzügen und zwei in Galata-Pera. Eine unterirdische zweigleisige Drahtseilbahn (700 m) führt von der Neuen Brücke unter dem Galataturm hindurch nach dem Derwischkloster Tekke in Pera hinauf.
Viel benutzt sind Lokaldampfer (drei Gesellschaften), Dampffähren und die zahlreichen Ruderboote (Kaiks) zum Verkehr im Hafen und nach den entferntern Stadtteilen im Bosporus, nach Kadiköi und den Prinzeninseln. Auch die Eisenbahnlinie Konstantinopel-Adrianopel (318,3 km), deren Hauptbahnhof bei der neuen Brücke liegt, dient dem Lokalverkehr nach den Stationen Kumkapu, Jenikapu und Psamatia bis Jedikule am Marmarameer. Im ganzen verkehrten (1892) 15273 Schiffe mit 8,4 Mill. t im Hafen von Konstantinopel, gegen 17850 mit 9,8 Mill. t im J. 1891; der Rückgang erklärt sich aus dem Verbot der Ausfuhr russ. Getreides.
Von den 4318 Seglern mit 674409 t waren 2867 türk., 1234 griech. Nationalität; unter den 5142 Dampfern mit 5,9 Mill. t trugen 3502 brit., 639 griech., 130 ital. und 125 deutsche Flagge. Dazu kommen 1601 Schiffe der regelmäßig verkehrenden Dampfschiffahrtsgesellschaften (wie Messageries maritimes, Compagnie Russe de navigation à vapeur, Florio Rubattino, Compagnie Mahsoussé und der Österr.-Ungar. Lloyd) sowie 2882 türk. Segler und 1330 Dampfer für den Küsten- und Lokalverkehr. Von Skutari (Haidar Pascha) geht die Linie nach Angora aus. – Neuerdings tritt der Plan, beide Ufer durch feste Überbrückung des Bosporus zu verbinden, wieder hervor.
Geschichte. Das alte Byzanz (s. d.), dessen Landmauer vom jetzigen Bahnhof bis zur heutigen Moschee Nuri Osmanieh hinauf und von da ostwärts zur Propontis hinablief, wurde durch Konstantin d. Gr. um mehr als das Siebenfache erweitert. Die Landmauer, zu welcher er 326 den Grund legte, zog sich von dem Quartier des Harmatios in der Gegend des Mehlthors am Goldenen Horn bis zum Marmarameere (Quartier Psamatia) hin. Von dieser Mauer ist nichts mehr erhalten. Das Landgebiet außerhalb, Exokionion oder Chora genannt, wurde den sieben Tausendschaften der got. Gardetruppen angewiesen und erhielt die Zahlennamen der Heeresabteilungen: die siebente (to hebdomon) lag außerhalb der Stadt, am Marmarameer, in der Gegend des heutigen Makriköi.
Die von den Türken Tekfur Serail (Kaiserpalast) genannte Ruine war eine Dependenz des heute bis auf die massiven Unterbauten verschwundenen Kaiserpalastes der Blachernen, unterhalb desselben lag der Campus. Die innere Stadt wurde nach dem Vorbilde Roms in 12 Regionen eingeteilt, die 14. lag außerhalb der Mauern und führte den schon im 2. Jahrh. n. Chr. auftauchenden Namen Blachernai (grubenreiches, sumpfiges Terrain): die 13. Region lag an der Stätte des heutigen Galata.
Die Konstantinische Mauer stürzte bei einem Erdbeben 412 ein. Da die Hunnen Konstantinopel bedrohten, schützte Theodosius II. das Exokionion und das Gotenquartier durch eine neue Mauer (413). Als auch diese durch Erdbeben zerstört wurde, errichtete der Präfekt Kyros Konstantin 447 die noch jetzt bestehende, aber vielfach ganz verfallene Theodosianische Doppelmauer. Sie war 6670 m lang, hatte 94 Türme an der innern, 80 an der äußern Linie, 7 bürgerliche und 7 Militärthore, welche letztern heute vermauert sind.
Eine große Bresche befindet sich da, wo der heute fast ganz ausgetrocknete Lycosbach in die Stadt eintritt. An dieser Stelle befanden sich Vorrichtungen zur Wasserverteilung und Pumpwerke zur Füllung des Grabens an der Mauer. An andern Punkten sind in neuerer Zeit, namentlich am Hafen, breite Mauerlücken geöffnet worden. Merkwürdig unter den Thoren sind das Top-Kapussi, einst das Thor des heil. Romanus, bei dem Kaiser Konstantin XI. Dragatses, der letzte byzant. Kaiser, kämpfend fiel, und die versteckte Kerkoporta am sog. Hebdomonpalast, durch welche die Janitscharen zuerst eindrangen. (S. Osmanisches Reich.)
Vgl. von Hammer, und der Bosporus (2 Bde., Pest 1822);
Théophile Gautier, Constantinople (Par. 1853; neue Aufl. 1877);
de Amicis, Constantinopoli (Mail. 1881; deutsch von Agnes Burchard, Rost. 1882; 2. Aufl. 1884);
Stambul und das moderne Türkentum, von einem Osmanen (Lpz. 1877; neue Folge 1878);
von Criegern, Kreuzzug nach Stambul (Dresd. 1879);
Tchihatchef, Le Bosphore et Constantinople (Par. 1864);
Pulgher, Les anciennes églises byzantines de Constantinople (Wien 1878–80);
Mordtmann, Führer durch Konstantinopel. (Konstant. 1881);
Leonhardi, und Umgebung (Zür. 1885);
de Blowitz, Une course à Constantinople (Par. 1884);
Dorn, Seehäfen des Weltverkehrs, Bd. 1 (Wien 1891);
Meyer, Türkei und Griechenland, Bd. 1 (4. Aufl., Lpz. 1892).