Konservatorium
Konservatorium

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Seite 10.20. (neulat., ital. Conservatorio, franz.
Conservatoire),
Name der größern Musikschulen, aus welchen die
Schüler zu
Komponisten,
Lehrern,
Virtuosen etc. ausgebildet
werden. Der
Name Konservatorium
stammt aus dem
Italienischen, ist aber von
Haus aus keineswegs darum gewählt, weil
diese Anstalten die echte, wahre
Kunst »konservieren« sollen, sondern conservatorio heißt im
Italienischen Bewahranstalt,
Pflegehaus, Waisenhaus; die ersten Konservatorien
waren in der That nichts andres als
Waisenhäuser, in denen die dafür beanlagten
Kinder musikalisch ausgebildet wurden, so in dem 1537 gegründeten Conservatorio
Santa Maria di
Loreto zu
Neapel,
[* 2] ferner den drei auch noch im 16. Jahrh. in
Neapel entstandenen
¶
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Sant' Onofrio, Della pietà und Dei poveri di Giesù Cristo. Ähnlich hießen die ältesten Musikschulen Venedigs nicht Conservatorio,
sondern Ospedale (Hospital). Die drei ältesten neapolitanischen Musikschulen (die vierte ging bald ein) wurden gegen Anfang
dieses Jahrhunderts vereinigt; 1813 wurde der Anstalt der Name Real collegio di musica beigelegt. In neuerer
Zeit sind in Italien
[* 4] noch viele andre Konservatorien
entstanden (zu Mailand,
[* 5] Bologna, Florenz,
[* 6] Turin
[* 7] etc.). Älter als diese, überhaupt
das älteste außeritalienische Konservatorium
ist das berühmte Conservatoire de musique zu Paris
[* 8] (gegründet 1784), der Organisation
nach das großartigste aller existierenden.
Direktoren desselben waren seit der Gründung: Sarrette, Cherubini, Auber, Ambroise Thomas. Eine Studienkommission (Comité des études), aus den bedeutendsten Professoren zusammengesetzt, regelt den Gang des [* 9] Unterrichts und hat für jedes Fach eine sorgfältig ausgearbeitete Methode herausgegeben. Für Schüler, die sich auszeichnen, existieren in den einzelnen Klassen Preise; der höchste Kompositionspreis ist ein Staatspreis, der große Römerpreis (grand prix de Rome), das Stipendium für einen dreijährigen Aufenthalt in Italien, während dessen der Stipendiat von Zeit zu Zeit Kompositionen, die Zeugnisse seines fleißigen Studiums, an die Akademie einzusenden hat.
Präeminenz - Prag

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Prag.
In den größern Provinzialhauptstädten Frankreichs sind sogen. Sukkursalen (Zweiginstitute, Filialen) des Konservato
riums
errichtet (zu Marseille,
[* 10] Toulouse,
[* 11] Nantes,
[* 12] Dijon,
[* 13] Lyon,
[* 14] Rouen).
[* 15] Ein gleichfalls schon älteres Institut von
vortrefflicher Tendenz und Organisation ist das Konservatorium
zu Prag
[* 16] (eröffnet an welchem außer dem praktischen und theoretischen
Musikunterricht auch geregelter allgemeiner Schulunterricht erteilt wird (vgl. Ambros, Das in Prag, Prag 1858). Das Konservatorium
der Gesellschaft
der Musikfreunde in Wien
[* 17] wurde als Singschule unter Salieri eröffnet; 1819 kam eine Violinschule
hinzu, und 1821 wurde die Anstalt zu einem wirklichen Konservatorium
erweitert.
Erster eigentlicher Direktor (vorher leitete ein Komitee die Anstalt) wurde G. Preyer (1844-48), sein Nachfolger ist bis heute
J. ^[Joseph jun.] Hellmesberger (vgl. Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde etc., Wien 1871). Jahrzehntelang
nahm unter allen deutschen Konservatorien die erste Stelle das von Mendelssohn-Bartholdy gegründete Konservatorium
zu Leipzig
[* 18] ein (eröffnet
an dem als erste Lehrer keine Geringern als Mendelssohn, Schumann, Ferd. David, M. Hauptmann, in der Folge F. Hiller, Niels Gade,
I. ^[Ignaz] Moscheles, J. ^[Julius] Rietz u. a. thätig waren.
Vgl. die »Jubiläumsschrift« von E. Kneschke
(Leipz. 1868) und die »Statistik« von Konservatorium
Whistling (das. 1883).
Berlin-Dresdener Eisen

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Berliner. Das älteste Berliner
[* 19] Konservatorium
ist das von A. B. Marx, Th. Kullak und J. ^[Julius] Stern begründete, das nach dem Ausscheiden
von Kullak (1855) und Marx (1857) von Stern allein weitergeführt wurde und noch heute in Blüte
[* 20] steht. Noch
viel größere Dimensionen hat aber die von Th. Kullak eröffnete, jetzt von seinem Sohn Franz Kullak geleitete Neue
Akademie der Tonkunst angenommen; dieselbe zählt über 1000 gleichzeitige Schüler und beschäftigt gegen 100 Lehrer.
Köln

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Köln.
Den Schwerpunkt
[* 21] bildet die Ausbildung im Klavierspiel. Zweifellos die bedeutsamste, wenn auch zur Zeit
nicht Gesuchteste musikalische Unterrichtsanstalt Berlins ist aber die königliche Hochschule für Musik, die eine Dependenz
der königlichen Akademie der Künste ist und in drei getrennte Abteilungen zerfällt: das königliche Institut für Kirchenmusik
(eröffnet 1822, Direktor A.
Haupt, zulässige Schülerzahl 20; Unterricht unentgeltlich), die Abteilung
für musikalische Komposition (1833 eröffnet, derzeitige Lehrer H. v. Herzogenberg, Bargiel, Taubert; Unterricht ebenfalls unentgeltlich)
und die Abteilung für ausübende Tonkunst oder das eigentliche Konservatorium
eröffnet, unter Direktion von J. ^[Joseph] Joachim),
neuerdings derart reformiert, daß neben einem administrativen Direktor (Ph. Spitta) vier Abteilungsdirektoren
(Inspektoren) fungieren: Joachim (Streichinstrumente), Rudorff (Klavier), Schulze (Gesang) und Herzogenberg (Theorie). - Das sehr
gut renommierte Konservatorium
zu Köln
[* 22] (»rheinische Musikschule«) wurde von seiten der Stadt Köln 1850 begründet und mit seiner Organisation
und Leitung F. Hiller beauftragt (jetziger Direktor Fr. Wüllner).
Das Dresdener königliche Konservatorium
wurde vom Kammermusiker Tröstler gegründet und 1859 von F. Pudor
übernommen unter Direktion Wüllners, jetzt von den Hauptlehrern geleitet. Die Anstalt ist Instrumentalschule, Opernschule,
Schauspielschule und Seminar für Musiklehrer. Eines vorzüglichen Rufs erfreute sich auch längere Zeit hindurch das Konservatorium
zu
Stuttgart,
[* 23] 1856-57 von Stark, Faißt, Lebert, Laiblin, Brachmann und Speidel begründet (Direktoren: Faißt und
Scholl); besonders als Klavierschule war dieses Konservatorium
sehr berühmt.
Würzburg (Stadt)

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Würzburg.
Eine staatliche Anstalt ist die königliche Musikschule zu München,
[* 24] begründet 1867, neuorganisiert 1874; an der Spitze steht
der Hofmusikintendant Konservatorium
v. Perfall, die Inspektion der Instrumental- und Theorieklassen hat J. ^[Josef] Rheinberger. Die Organisation
ist insofern eine ganz ausgezeichnete und des Staats würdige, als, ähnlich wie am Prager Konservatorium
, über die
musikalische Ausbildung die allgemeine Bildung nicht vernachlässigt wird. Auch in Würzburg
[* 25] ist eine königliche Musikschule,
die sich guten Besuchs erfreut (Direktor Kliebert).
Konservatorium - Konse

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Seite 10.21.Noch jung, aber gut dotiert und mit guten Lehrkräften besetzt ist das Hochsche Konservatorium zu Frankfurt [* 26] a. M., 1878 unter Direktion von J. ^[Joachim] Raff begründet aus den Mitteln eines Legats des verstorbenen Hoch daselbst (jetziger Direktor B. Scholz). Durch Sezession von Lehrkräften dieser Anstalt entstand das »Raff-Konservatorium« daselbst (1883). Von sonstigen deutschen Musikschulen, deren beinahe jede größere Stadt eine oder mehrere hat, seien noch hervorgehoben: das Scharwenkasche in Berlin [* 27] (gegründet 1882), das Institut für Kirchenmusik in Breslau, [* 28] das Konservatorium zu Hamburg [* 29] (v. Bernuth), die Musikschule zu Frankfurt a. M., das großherzogliche Konservatorium zu Karlsruhe [* 30] (H. Ordenstein), das fürstliche Konservatorium zu Sondershausen, [* 31] die kirchliche Musikschule (Haberl) in Regensburg, [* 32] das städtische in Straßburg [* 33] i. E. (Direktor Stockhausen; gegründet 1855, reorganisiert 1873), die großherzogliche Orchester- und Musikschule in Weimar [* 34] (Direktor Müller-Hartung; gegründet 1872), das Schwantzersche und Luisenstädtische in Berlin etc. In Wien besteht ein sehr besuchtes, in drei Abteilungen geschiedenes Klavierinstitut der Gebrüder Eduard und Adolf Horak (Schulen in Wieden, Mariahilf und der Leopoldstadt); in Budapest [* 35] bestehen die Landesmusikakademie, deren Ehrendirektor Fr. Liszt war, das Nationalkonservatorium (Direktor E. Bartay) und die Ofener Musikakademie (Szantzner), in Graz [* 36] die Musikbildungsanstalt von J. ^[Johann] Buwa, in Innsbruck [* 37] die Musikschule des Musikvereins (1818 gegründet; Direktor J. ^[Josef] Pembaur); in Lemberg [* 38] die Musikschule des Galizischen Musikvereins (Mikuli), in Salzburg [* 39] die Musikschule des Mozarteums (O. Bach). Die bedeutendsten schweizerischen Musikschulen sind die ¶
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in Genf, [* 41] Basel [* 42] (Direktor Bagge), Bern [* 43] (Reichel) und Zürich [* 44] (Fr. Hegar). Eins der größten existierenden Konservatorien ist das zu Brüssel [* 45] (Direktor Gevaert, vorher Fétis), dem das zu Lüttich, [* 46] das noch besuchter (1000 Schüler; Direktor Soubre) ist, würdig zur Seite steht. Beide Institute sind staatliche, dagegen ist das Konservatorium zu Gent [* 47] städtisch, das zu Antwerpen, [* 48] das, dank dem Direktor Benoît, vorzugsweise die deutsche Musik kultiviert, eine von der Stadt subventionierte Privatanstalt.
Von holländischen Konservatorien sind besonders das in Amsterdam [* 49] (Konservatorium der Maatschappij tot bevordering van toonkunst, seit 1862) und das zu Rotterdam [* 50] (seit 1845; Direktor Gernsheim) zu nennen. Im Haag [* 51] besteht seit 1826 eine blühende königliche Musikschule (Direktor Nikolai); auch das 1864 gegründete Luxemburger Konservatorium ist nicht ohne Bedeutung. Rußland hat Konservatorien in Warschau [* 52] (seit 1821), Petersburg [* 53] (seit 1865) und Moskau [* 54] (seit 1864);
London

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London.England sechs in London [* 55] und je eins in Edinburg [* 56] und Dublin; [* 57]
Skandinavien in Kopenhagen, [* 58] Christiania [* 59] und Stockholm; [* 60]
Spanien [* 61] in Madrid, [* 62] Saragossa [* 63] und Valencia; [* 64]
Portugal in Lissabon, [* 65] Griechenland [* 66] in Athen. [* 67]
Amerika [* 68] besitzt eine ganze Reihe Konservatorien in den größern Städten: New York, Boston, [* 69] Baltimore, [* 70] Cincinnati etc.