Kolossēum
(ital. coliseo, colosseo), das größte und prachtvollste
und zur Zeit seiner Erbauung einzige steinerne
Amphitheater in
Rom,
[* 2] an der Südostseite des
Forum
[* 3] Romanum
in der Thalsenkung
zwischen dem
Palatin, dem
Cälius und dem Esquilin gelegen, wurde von Vespasian an der
Stelle eines zum
Goldenen Hause des Nero
gehörigen künstlichen Sees (Stagnum Neronis) begonnen, von
Titus (80 n. Chr.) geweiht, aber erst von
Domitian ganz vollendet, daher, weil diese
Kaiser dem Flavischen Geschlecht angehörten, Amphitheatrum Flavium genannt.
Der
Name Kolosseum
[* 4] findet sich erst bei
Beda (8. Jahrh.) und wird von der nördlich von dem
Amphitheater aufgestellten Kolossalstatue
des
Apollo Nero abgeleitet. Das Kolosseum
diente zur Abhaltung der großartigsten
Tier- und Fechterspiele. Unter
Macrinus (217 n. Chr.) zerstörte ein durch Blitzschlag verursachter
Brand den obern
Teil, der dann unter
Heliogabalus und
Alexander Severus
wiederhergestellt wurde. Der letzte bezeugte Restaurationsbau fällt in die Zeit des
Theodorich.
Bei den innern Kämpfen zwischen den röm.
Baronen wurde das Kolosseum
lange Zeit als Festung
[* 5] benutzt; während
des Aufenthalts der Päpste in
Avignon und bis ins 16. Jahrh. hinein diente es als Steinbruch: fast zwei Drittel des
Baues sind der Verwendung für private und öffentliche
Gebäude des neuen
Rom zum Opfer gefallen. Doch blieb die
Masse des Erhaltenen
immer noch groß. Seit der Mitte des 18. Jahrh., zuerst durch
Benedikt XIV., ward der
Erhaltung und Wiederherstellung
größere Sorgfalt zugewandt. 1811 begann die Bloßlegung des antiken
Bodens um das Kolosseum;
1813 fand man die unterirdische
Anlage
der
Arena, 1874 ging man daran, die
Arena wiederum von Schutt und Erde zu räumen und die unterirdischen
Gänge zu säubern. Gegenwärtig ist die Hälfte sämtlicher innern
Substruktionen bloßgelegt.
Der Umfang beträgt 524, die Länge der großen Achse 188, der kleinen 155, die entsprechenden Achsen der Arena 86 und 54 m, die Gesamthöhe 48 m. Das Gebäude selbst, von elliptischer Form, ist aus Travertinquadern ausgeführt. Die Außenseite stellt sich in vier Stockwerken dar, von denen die drei untersten aus je 80 Bogen [* 6] und Pfeilern mit vorgelegten dor., ion. und korinth. Halbsäulen bestanden (nur 33 sind vom Untergeschoß erhalten). Das Ganze hat vier Haupteingänge, die durch reichen Schmuck ausgezeichnet waren.
Innerhalb der Umfassungsmauer befinden sich fünf elliptische Mauerringe, welche, an Höhe nach innen zu abnehmend, die Sitze der Zuschauer trugen. Bewundernswert ist besonders die Anlage der innern Gänge und Treppen, [* 7] die zu den verschiedenen Sitzreihen führten. Die marmornen Sitzstufen, bis auf ganz geringe Reste zerstört, stiegen terrassenförmig von der Arena bis zur Höhe des dritten äußern Stockwerks. Zu unterst befand sich das Podium mit der Kaiserloge und gegenüber liegendem entsprechendem Balkon an den beiden Enden der kleinen Achse der Arena; auf den Sitzen des Podiums nahmen Senatoren, Vestalinnen, fremde Gesandte und andere Ehrengäste Platz.
Zwei weitere Stufenordnungen (maeniana),
die erste mit etwa 16, die zweite mit etwa 20
Stufen, waren für
die röm. Ritter und
Bürger bestimmt. Oberhalb folgt eine mit Zugangsthüren (vomitoria) und Fenstern durchbrochene Gürtelwand
(balteus), die, wie es scheint, eine aus 80
Säulen
[* 8] bestehende, dem vierten äußern
Stockwerk entsprechende
Halle
[* 9] trug. Innerhalb
der
Halle, auf Holzgerüsten, fanden die Zuschauer aus den untern
Klassen Platz. Unter der
Arena zogen sich
gemauerte
Gänge hin, teils für die wilden
Tiere, teils für
Maschinerien aller Art. Die Zahl der Zuschauer, welche das Kolosseum
fassen
konnte, wird auf 87000 angegeben. -
Vgl. Platner, Bunsen u. a., Beschreibung ¶
mehr
der Stadt Rom, Bd. 3, Abteil. 1 (Stuttg. 1837);
Reber, Die Ruinen Roms (2. Aufl., Lpz. 1879);
Lanciani im «Bulettino archeologico comunale», Bd. 8 (Rom 1880).