Titel
Kolonien
(hierzu zwei Karten: »Vergleichende Darstellung des Kolonialbesitzes der europäischen Staaten« und »Übersicht der deutschen Kolonien«),
im allgemeinen zusammenhängende Ansiedelungen, besonders solche, deren Angehörige (Kolonisten, v. lat. colonus, »Feldbauer, Ansiedler«),
sei es auf Grund staatlichen Schutzes durch das Mutterland oder sei es durch eigne freie Bethätigung ihrer sozialen Lebenskraft, ihre Stammeseigentümlichkeiten, Sitten, Gebräuche etc. bewahren. Hierdurch unterscheidet sich die Koloniengründung von der Auswanderung (s. d.); die letztere kann mit der erstern verbunden sein, indem die Auswandernden in fremden Ländern Kolonien gründen und durch ihren Zustrom kräftigen, doch können auch die Auswanderer unabhängig voneinander in fremde Staatsgemeinschaft eintreten und hier, wie z. B. viele Deutsche in Rußland, Ungarn, Amerika, ihre nationalen Eigentümlichkeiten oder doch aus Mangel an festem Zusammenhalten die Kraft, dieselben geltend zu machen, vollständig einbüßen (vgl. auch den Abschnitt über Auswanderung im Art. »Deutschland«, S. 810, und die Ergänzung dazu im »Korrespondenzblatt« zum 6. Band). Dagegen ist es nicht gerade notwendig, daß die in festen Beziehungen zum Mutterland oder gar unter dessen Leitung bleiben. So bildeten die Hugenotten in Deutschland, die Salzburger in Preußen, man hat ferner deutsche in Rußland und andern Ländern. Die Kolonisten traten vollständig in den Verband des fremden Staats ein, in welchen sie einwanderten, ja oft auf Grund der Anregung und Förderung durch diesen Staat selbst.
[Innere Kolonisation.]
Eine Auswanderung kommt gar nicht vor bei der innern Kolonisation, bei welcher sich Einheimische auf noch nicht bebautem, wüstem oder zu rodendem Boden im Inland niederlassen und hier neue Gemeinden bilden (Wald-, Moorkolonien). Dieses Ziel hatte die frühere Politik vorzüglich im Auge, indem sie zur Besiedelung des Landes Fremde zur Einwanderung anreizte. Die heutige Politik ist, gestützt auf sozialpolitische und politische Beweggründe, mehr darauf gerichtet, große Güter in mittlere und kleine Besitzungen zu zerlegen. Auf Grund mehrfacher Verhandlungen im Abgeordnetenhaus und im Landesökonomiekollegium wurden auch in Preußen einige Domänen zerschlagen und verkauft, ohne daß jedoch der erhoffte Erfolg erzielt wurde. Ähnlicher Art sind die Bestrebungen der 1887 in Berlin gegründeten »Gesellschaft für innere Kolonisation«,
Britische Kolonien
Niederländische Kolonien
Französische Kolonien
Spanische Kolonien
Portugiesische Kolonien
Dänische Kolonien
Zum Artikel »Kolonien«.
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von welcher sich zur praktischen Ausführung ihrer Absichten (Begründung von Kleinbaueransiedelungen in Norddeutschland etc.) eine engere Erwerbsgesellschaft (»Gesellschaft für Kolonisation im Inland«) abgezweigt hat (vgl. Schön, Innere Kolonisation, Leipz. 1887; v. Henneberg, Die Gesellschaft für innere Kolonisation, das. 1887). In der neuesten Zeit hat Preußen begonnen, das deutsche Element in Westpreußen und Posen dem Polentum gegenüber dadurch zu stärken, daß man sich bestrebt, größere polnische Besitzungen allmählich in die Hände von Deutschen zu bringen.
Durch Gesetz vom wurden zu dem Ende der Regierung 100 Mill. Mk. für den Ankauf von Grundstücken in den genannten Provinzen zur Verfügung gestellt. Diese Grundstücke werden in geeignetem Umfang an deutsche Ansiedler in Zeitpacht ausgegeben, meist aber verkauft und zwar gegen Übernahme einer festen Geldrente (daher Rentengüter genannt), welche, abweichend von den Bestimmungen des Ablösungsgesetzes vom nur mit Zustimmung beider Teile abgelöst werden kann.
Auch können den Käufern vertragsmäßig verschiedene Beschränkungen im Interesse der Erhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des jeweiligen Besitzers (z. B. Teilungsbeschränkung) auferlegt werden. An Stelle des Verkaufs kann auch die Zeitpacht treten.
Vgl. »Zur innern Kolonisation in Deutschland« (in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 32, Leipz. 1886).
In einem weitern Sinn wird der Begriff Kolonie aufgefaßt, wenn von Arbeiterkolonien, gemischten Arbeits- und Strafkolonien (wie z. B. die Dépots de mendicité in Belgien) die Rede ist. Die Arbeiterkolonien sind nicht immer in dem Sinn, daß hier beschäftigungslosen Arbeitern eine bleibende Stätte geboten werden soll, wenn ja auch ein solches Ziel durch dieselben erstrebt und verwirklicht werden kann; vielmehr haben sie in der Regel (wie z. B. die von Pastor Bodelschwingh 1882 gegründete Kolonie Wilhelmsdorf, s. Armenkolonien) den Zweck, arbeitslosen Männern so lange Beschäftigung zu geben, bis es möglich ist, ihnen anderweit lohnende Arbeit zu beschaffen (vgl. Berthold, Entwickelung der deutschen Arbeiterkolonien, Leipz. 1887). Dagegen haben die auf Anregung von van den Bosch gegründeten niederländischen Landbaukolonien Fredericksoord ^[richtig: Frederiksoord], Wilhelmsoord und Wilhelminaoord den Zweck, Arbeiterfamilien fest anzusiedeln. Vagabunden- und Bettlerkolonien (wie die niederländischen Strafanstalten Ommerschans und Veenhuizen) nehmen überführte Bettler zur Strafverbüßung auf; man bezeichnet sie im Gegensatz zu den Zwangsarbeitshäusern als Kolonien, weil sie auf der ihnen zugehörigen landwirtschaftlich benutzten Bodenfläche eine Art Gemeinde bilden.
[Überseeische Kolonien.]
Im engsten Sinn des Wortes versteht man unter Kolonien zusammenhängende Ansiedelungen von Zugehörigen einer Nationalität in fernen, insbesondere in überseeischen, Ländern. Solche Ansiedelungen können sich allmählich durch freien Zuzug auf bereits bewohnten oder auf noch nicht in Besitz genommenen, bez. schwach bevölkerten Ländereien bilden; sie können aber ebenso aus der staatlichen Initiative erwachsen und zwar sowohl infolge einer Eroberung (Besiegung der Eingebornen oder andrer Kolonien besitzender Staaten) als auch infolge freien Vertrags (Verträge mit einheimischen Häuptlingen) und der einfachen staatlichen Förderung und Beschützung.
Kolonien, welche zum Mutterland auch politisch in Beziehung stehen, brauchen nicht gerade staatliche Bestandteile desselben zu sein. So kann das Mutterland die Kolonisten und deren Eigentum unter seinen besondern Schutz stellen; einer thatsächlichen Einverleibung dagegen ist es gleich zu achten, wenn das Mutterland das ganze Kolonialgebiet unter sein Protektorat nimmt (Vorgehen Deutschlands in Afrika, Neuguinea etc.; s. Kolonialrecht). Wie verschieden die in politischer Beziehung gestellt sein können, zeigen diejenigen Englands.
Dieselben sind teils Kronkolonien, das heißt in welchen die englische Regierung nicht allein die gesetzgebende Gewalt in der Hand hat, sondern auch die Beamten ernennt, teils Kolonien mit politischer Selbständigkeit, parlamentarischer Verfassung und verantwortlichem Ministerium, in welchen die englische Krone nur den Gouverneur ernennt und ein Vetorecht in Sachen der Gesetzgebung hat, zum kleinen Teil endlich Kolonien, welche zwar Vertretungskörper haben, in denen aber der Krone das Recht des Vetos und der Beamtenernennung zusteht. (Vgl. Großbritannien, S. 785.) Über die neuen deutschen Erwerbungen s. unten.
Nach der Art der Kolonisation sind zu unterscheiden:
1) Ackerbaukolonien, wie Kanada, Botanybai, die Kapkolonie, Australien etc., nämlich in welchen die Ansiedler sich vorwiegend mit Landbau beschäftigen. Die Europäer, welche sich in jenen Ländern niederlassen, werden Landeigentümer und kehren selten in ihr Vaterland zurück. Die Bande der Verwandtschaft und alle sonstigen Verhältnisse, welche die Kolonisten an ihr Mutterland knüpften, werden immer lockerer; die Erinnerungen erlöschen, und schon nach einigen Generationen können sie zu einer eignen, dem Vaterland entfremdeten Nation erwachsen, welche nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit strebt und nicht selten dieselbe zu erkämpfen weiß, wie dies in Nordamerika der Fall war;
2) Bergwerkskolonien, in denen zunächst der Gewinn von Gold, Silber, Edelsteinen etc. beabsichtigt wird (z. B. die Niederlassungen der Spanier und Portugiesen in Westindien und Südamerika), gehen gewöhnlich und zwar, je mehr die Bergwerke ausgebeutet werden, in Ackerbaukolonien über und machen sich, wie letztere, nach und nach, wenngleich langsamer, selbständig.
3) Pflanzungskolonien (Plantagenkolonien), deren Zweck die Erzeugung gewisser in der Regel nur unter einem heißen Himmelsstrich gedeihender Pflanzen ist, wie die Kolonien Westindiens, das südliche Nordamerika, Brasilien und teilweise auch die ehemaligen spanischen Provinzen in Südamerika, können am wenigsten des Schutzes und der Unterstützung von seiten des Mutterstaats entbehren und wachsen daher weniger leicht zu einer selbständigen Nation heran; die Pflanzer oder freien Grundeigentümer werden selten einheimisch, da sie wegen ungesunden Klimas und Unannehmlichkeiten des Lebens entweder ihre Pflanzungen durch Aufseher verwalten lassen und deren Ertrag in Europa verzehren, oder doch, nachdem sie sich ein Vermögen gesammelt, in ihr Vaterland zurückkehren. Die Plantagenarbeit wurde in diesen Kolonien früher von eingeführten Sklaven besorgt, heute liegen ihr ebenfalls vorwiegend schwarze, bez. einheimische Arbeiter ob. 4) Handelskolonien, welche den Vertrieb der Natur- und Kunsterzeugnisse des Landes zum Zweck haben, erwuchsen aus einzelnen Faktoreien oder Handelsstapelplätzen, die nach und nach durch List oder Gewalt, Kauf oder Vertrag die Mittelpunkte großer Reiche wurden, wobei aber der Handel immer die Hauptsache blieb, der Besitz von Grund und Boden nur Mittel zum Zweck war. Der Handel in diesen Kolonien erstreckt sich namentlich auf Kolonialwaren, so in den Kolonien aller westindischen Inseln,
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den Küstenplätzen des amerikanischen Kontinents, den ostindischen Kolonien, ferner auf Pelzwaren, wie in den englischen und russischen Kolonien Nordamerikas, endlich auf Sklaven, welchen Handel insgeheim immer noch mehrere in Westindien, besonders aber Brasilien und spanische Besitzungen treiben. Die Europäer sind in Kolonien dieser Art selten Landeigentümer, sondern in der Regel nur Soldaten, Beamte und Kaufleute, während die eingeborne Bevölkerung ihnen politisch unterworfen ist. Daher bildet sich hier auch nicht leicht eine Nation, indem die hier befindlichen Europäer größtenteils nur Bereicherung suchen und, wenn sie diese erlangt haben, in ihr Vaterland zurückkehren. Solche Handelskolonien werden sich da bilden, wo Europäer wegen der Ungunst des Klimas keinen dauernden Aufenthalt nehmen können.
5) Die freien Negerkolonien hatten ursprünglich den Zweck, amerikanische oder den Sklavenschiffen abgenommene Neger anzusiedeln und zu bilden, wie die von der Amerikanischen Kolonisationsgesellschaft für freie Neger (gegründet 1816 in Washington) ins Leben gerufene Republik Liberia, dann die 1787 von der Afrikanischen Gesellschaft in London gegründete, später unter englische Herrschaft gestellte Kolonie Sierra Leone.
6) Strafkolonien, wie Neukaledonien für Frankreich, sind Kolonien, nach welchen die zur Deportation verurteilten Verbrecher verbracht werden (vgl. Deportation).
7) Sogen. Relaiskolonien, Militär- und Flottenstationen, welche seefahrenden Völkern zur Ausbesserung und Verproviantierung der Schiffe dienen.
Geschichtliches.
Schon in der ältesten geschichtlich bekannten Zeit haben diejenigen Völker, welche eine ausgebreitetere Handelsthätigkeit entwickelten, zur Sicherung ihres Handels Kolonien angelegt, so das älteste größere Handelsvolk, die Phöniker, welche an den Küsten des Mittelländischen Meers eine größere Zahl von Niederlassungen gründeten, aus denen später blühende Städte erwuchsen. Die mächtigste der phönikischen Pflanzstädte, Karthago, löste später das Mutterland ab und beherrschte, gestützt auf seine kluge Eroberungs- und Kolonialpolitik, bald das ganze Mittelländische Meer.
Ein vorzügliches kolonisatorisches Talent entwickelten die Griechen, welchen die Kolonien Unterkunftsstätten für die wachsende überschüssige Bevölkerung abgaben. In Kleinasien, an den Küsten des Schwarzen Meers, in Unteritalien (»Großgriechenland« genannt) und in dem südlichen Teil von Gallien und Spanien entstanden eine große Zahl von griechischen Niederlassungen, welche überall griechische Kultur verbreiteten. Die Griechen unterschieden zwischen Kolonien, welche von der Staatsgewalt des Mutterlandes selbst gegründet wurden und mehr oder weniger unmittelbar unter der Leitung derselben blieben (Kleruchien), und solchen, welche aus den freien Bestrebungen der Bürger hervorgingen und Apoikien genannt wurden.
Meist bildeten die griechischen Kolonien unabhängige eigne Staaten, welche als Töchter des Mutterstaats mit diesem eine Art Schutz- und Trutzbündnis eingingen. Die römische Politik war dagegen mehr eine Eroberungspolitik, die echte kolonisatorische Thätigkeit war ihr fremd. (Über die Kolonien der Alten Welt vgl. die Artikel »Griechenland«, »Karthago«, »Rom«, dann auch »Handel«.) Nachdem Zerfall der römischen Weltherrschaft, zur Zeit der Völkerwanderung, bildeten sich wohl neue Staaten, doch konnte an Anlegung von Niederlassungen erst gedacht werden, als der internationale Verkehr sich größerer Ruhe und Sicherheit erfreute. Im Mittelalter waren es vorzüglich die Hanseaten welche im Norden Europas Faktoreien und Handelsniederlassungen gründeten, dann sind die Erwerbungen des Deutschen Ordens in Preußen sowie die Einwanderungen von Westfalen und Niederländern in Schlesien und Polen zu erwähnen. Im Süden von Europa bot sich weniger Gelegenheit für Gründung von Faktoreien und Kolonien. Die nördlichen Gestade des Mittelländischen Meers waren bereits in festen Händen von Kulturvölkern, die südlichen wurden von den den Europäern feindseligen Mohammedanern beherrscht.
Die Aufschließung der Neuen Welt gab dem Kolonialwesen eine völlig veränderte Gestalt, da jetzt den Kulturvölkern der Alten Welt fast unbeschränkte Territorien zur Verfügung gestellt wurden. Nunmehr waren fast alle europäischen Staaten eifrigst bestrebt, möglichst ausgedehnte Kolonien zu erwerben, und es entwickelte sich bald die besonders im 17. Jahrh. zur Blüte gelangte monopolistische Handels- und Kolonialpolitik, welche als Kolonialsystem bezeichnet zu werden pflegt.
Dasselbe gipfelte darin, die Kolonien möglichst zu gunsten des Mutterlandes auszubeuten. Man sperrte dieselben gegen Fremde ab, anfänglich um ihren Besitz sicherzustellen, später, als das Merkantilsystem (s. d.) sich mehr entfaltete, im Interesse der Handelspolitik. Das Streben ging vorzüglich dahin, durch entsprechende Gestaltung von Schiffahrts- und Zollpolitik ausschließlich dem Mutterland den Verkehr mit den Kolonien zu sichern. Letztere sollten für ersteres eine dauernde Bezugsquelle von Rohstoffen und Kolonialwaren, dann ein vorteilhaftes Absatzgebiet für die eignen Industrieerzeugnisse abgeben.
Den Schiffahrtsverkehr mit den Kolonien behielt man ausschließlich der nationalen Flagge vor, indem von fremden Schiffen ein besonderer Flaggenzoll (s. d.) erhoben oder, wie 1664 in England und 1670 in Frankreich, denselben der Besuch der Kolonien geradezu untersagt wurde. Bestimmte Häfen des Mutterlandes wurden zu Stapelplätzen erklärt, wichtigere Produkte der Kolonien sollten nur hierher, nicht direkt nach dem Ausland verbracht werden, die Einfuhr nach den Kolonien sollte nur über das Mutterland stattfinden.
Auch wurde die Einfuhr vieler fremder Industrieerzeugnisse durch Auflegung hoher Zölle erschwert oder verboten. In den Kolonien selbst aber wollte man eine eigne Industrie, welche mit dem Mutterland konkurrieren könnte, nicht aufkommen lassen. Deswegen wurde die Ausfuhr von Fabrikaten aus denselben durch Zölle belastet oder überhaupt untersagt, oder es wurden bestimmte industrielle Unternehmungen in den Kolonien nicht zugelassen. Allerdings räumte man dagegen auch den Kolonien wieder verschiedene Vorteile im Verkehr mit dem Mutterland ein, insbesondere dadurch, daß die Erzeugnisse fremder auf dem Markte desselben mit höhern Einfuhrzöllen belastet oder auch für die Einfuhr von Erzeugnissen der eignen Kolonien Prämien entrichtet wurden.
Weil so Mutterland und Kolonie einander gegenseitig Begünstigungen zugestanden, wurde das Kolonialsystem auch oft Kolonialvertrag (pacte colonial) genannt, ein Vertrag, der freilich mehr einseitig bestimmt und eine Art Löwenvertrag war. Das Kolonialsystem wurde, wenn auch nicht überall in der gleichen Weise, von allen Kolonialmächten durchgeführt. England bildete es besonders mit der 1651 erlassenen, 1660 und 1664 erweiterten Navigationsakte aus, Frankreich führte mit dem Reglement von 1670 eine vollständige Abschließung ein, während Spanien und Portugal schon früher einer echt monopolistischen Handelspolitik gehuldigt hatten. Eine Umgestaltung trat erst mit dem 19. Jahrh. ein. Das Verbot wurde mehr und mehr durch
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Unterscheidungs- oder Differentialzölle (s. Zölle) verdrängt, man ließ fremde Schiffe gegen das gleiche Zugeständnis von der andern Seite (Reciprozität) zu etc. So begann man in England 1822 mit umfassendern Reformen: der Verkehr mit amerikanischen Kolonien wird 1825 freigegeben, die Häfen von Ostindien werden mit Ausnahme der Küstenschiffahrt gegen Zoll- und Flaggenzuschläge geöffnet, 1848 werden diese Zuschläge aufgegeben, 1849 werden die letzten Reste der Navigationsakte beseitigt, und 1850 wird auch die Küstenschiffahrt freigegeben. Länger behielt Frankreich das Absperrungssystem bei; dasselbe wurde, nachdem noch 1835 die Schiffahrt zwischen Algerien und Frankreich der französischen Flagge vorbehalten worden war, erst 1861 aufgegeben. Allerdings wurden nicht alle Zollbegünstigungen beseitigt, wie denn auch Spanien und Holland an Unterscheidungszöllen und Flaggenzuschlagen bis in die neueste Zeit festgehalten haben.
Unter allen Völkern besaßen die Spanier einst die größten und reichsten Besitzungen. Dieselben wurden in echt büreaukratisch-merkantilistischem Geist von eignen Vizekönigen und Generalkapitänen verwaltet. Religiöse Unduldsamkeit, Bevorzugung der Spanier vor Einheimischen und Kreolen sowie die Sucht, die Kolonien bei strengem Absperrungssystem in einseitiger Weise für Spanien auszubeuten, hatten zur Folge, daß die Länder des amerikanischen Festlandes, welche unter spanischer Herrschaft standen, die letztere Anfang des 19. Jahrh. abschüttelten.
Portugal war einst eine Kolonialmacht allerersten Ranges. Beherrschte es doch die Küsten von Marokko bis China mit seinen Flotten, und in Südamerika besaß es Ländereien von über 2 Mill. qkm Flächengehalt. Doch wurde Brasilien 1822 vom Mutterland losgelöst, nachdem schon früher wichtige Kolonien von den Spaniern, Niederländern und Engländern weggenommen worden waren.
Die Niederlande nehmen heute als Kolonialstaat unbestritten die zweite Stelle ein, und doch haben sie von ihrem frühern ausgedehnten Besitz viel eingebüßt. Vor dem Ende des 17. Jahrh. zählte Holland zu seinen Besitzungen: New York und Nordbrasilien, Ceylon, das Kapland, Guayana, mehrere Antillen, fünf verschiedene Regentschaften unter einer Handelsgesellschaft im Indischen Archipel, Faktoreien an den Küsten von Koromandel und Malabar, in China und Japan.
Hatten die Niederländer früher viele ihrer Kolonien den Portugiesen und Spaniern abgenommen, so gingen sie später eines großen Teils derselben im Kampf gegen England verlustig. Doch ist ihnen immerhin noch ein bedeutender Besitz verblieben. Als besonders bemerkenswert ist das 1830 durch den Generalgouverneur van den Bosch auf Java eingeführte »Kulturstelsel« zu erwähnen. Grund und Boden wird als Eigentum des Herrschers betrachtet und zwangsweise bewirtschaftet.
Die Javaner haben außer den ihnen zum Hauptunterhalt gewährten Reisfeldern eine gewisse Anzahl Kronländereien mit Kolonialpflanzen: Kaffee, Zucker, Indigo, Gewürzen, nach Vorschrift zu bebauen und den Ertrag gegen ein bestimmtes Entgelt an die Regierung abzuliefern. Dieser Kulturzwang hat, trotzdem er einen großen Aufwand für Verwaltung und bewaffnete Macht erfordert, der Staatskasse bedeutende Reineinnahmen abgeworfen. In neuerer Zeit wird er von den Liberalen bekämpft, welche meinen, daß auch die Javaner die Lust zu freithätiger Arbeit gewinnen würden, sobald ihnen die Früchte derselben sichergestellt seien. Dagegen behaupten die Konservativen, daß nur durch Zwang die Kultur in Java aufrecht erhalten werde, weil die sich selbst überlassenen Eingebornen ihre Thätigkeit sehr bald auf die Deckung des notwendigsten Lebensbedarfs beschränken würden.
Als tüchtiges Kolonialvolk haben sich die Engländer erwiesen. Sie hatten frühzeitig erkannt, daß dem fruchtbaren Boden weit wichtigere Reichtümer abzugewinnen sind als den Gold- und Silberminen, welchen Spanier und Portugiesen nachjagten. Allerdings war die englische Kolonialpolitik im 17. Jahrh. eine ebenso monopolistisch-engherzige wie die der übrigen Kolonialstaaten, und war derselben auch im wesentlichen der Abfall der nordamerikanischen Freistaaten zu verdanken; doch hat England diese Politik am frühsten aufgegeben.
Für den Verlust von Nordamerika fand es Ersatz im Süden von Afrika, von Asien und in Australien. Die heutigen britischen Kolonien und Besitzungen in allen fünf Erdteilen lassen sich in drei Gruppen unterbringen. Zu der ersten gehören die eigentlichen Kolonien (Ackerbaukolonien), deren Gedeihen auf europäischer Einwanderung, auf Ackerbau, Viehzucht, Bergbau, den Anfängen der Industrie beruht, und die mit dem Mutterland einen lebhaften Austausch von Produkten betreiben.
Solche Kolonien sind: Britisch-Amerika, Australien und Neuseeland, die Kapkolonie mit Natal und die Südafrikanische Republik (Transvaal). Die zweite Gruppe bilden die Kolonien (Plantagenkolonien), in denen unter der Leitung von Europäern und durch die Arbeit untergeordneter, an das Klima besser angepaßter Rassen tropische Kulturen, wie Zucker- und Kaffeebau, betrieben werden. Dahin müssen gerechnet werden: Indien, Ceylon, Mauritius, die meisten westindischen Inseln, die Besitzungen in Zentral- und Südamerika, die Fidschigruppe. In dritter Linie folgen die rein militärischen oder maritimen Stationen, welche teils den lokalen Handel, teils die großen Welthandelsstraßen sichern sollten, um eine Verbindung zwischen Mutterland und Kolonien stets offen zu halten.
Solche Stationen sind: die Bermudasinseln, Gibraltar, Malta, Cypern, Perim und Aden, Pinang und Singapur, Hongkong, Ascension und St. Helena, die Besitzungen an der westafrikanischen Küste, die Falklandinseln und Helgoland. Zur Hebung und teilweisen Reorganisation der britischen Kolonien, besonders hinsichtlich ihrer Verwaltung, ihrer Stellung zum Mutterland und zu fremden Mächten etc., trat im April 1887 eine Kolonialkonferenz in London zusammen.
Vgl. Vogel, Das britische Kolonialreich, geographisch, geschichtlich und statistisch beschrieben (Berl. 1886);
Bonwick, The British colonies and their resources (Lond. 1886), und den offiziellen »Statistical abstract for the several colonial and other possessions of the United Kingdom« (zuletzt 1886).
Auch die Franzosen besaßen im 17. Jahrh. in Asien und Amerika bedeutende Besitzungen, und die von ihnen gegründeten Städte, wie Quebec, New Orleans und St. Louis, bekunden noch jetzt, daß die Annahme, den Franzosen gehe jedes Kolonisationstalent ab, eine übertriebene ist. Besonders zur Zeit Ludwigs XIV. waren sie eifrig bestrebt, ihren Kolonialbesitz immer weiter auszudehnen. Später verloren sie infolge politischer und kriegerischer Verwickelungen in Europa (Revolution, Kaiserreich) einen großen Teil derselben an die Engländer. Nach den Verlusten des letzten Kriegs ist jedoch Frankreich eifrig bestrebt, seine auswärtigen Besitzungen auf dem Weg des Vertrags (Afrika) oder auf dem der Eroberung (Anam, Madagaskar, Tongking) zu erweitern.
Vgl. Vignon, Les colonies françaises (Par. 1885);
Rambaud, La France coloniale (2. Aufl.,
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das. 1887); Lanessan, L'expansion coloniale de la France (das. 1886), und die jährlich erscheinenden offiziellen »Statistiques coloniales«.
Dänemark verlor den größten Teil seines unbedeutenden Kolonialbesitzes in den Kriegen Napoleons I. an England, es verkaufte 1845 Trankebar und Serampur an die Ostindische Kompanie, 1849 die Besitzungen an der Goldküste an England, 1848 gab es die Nikobaren auf. Von seinen Nebenländern ist Island kaum zur Hälfte (42,068 qkm) bewohnbar und von Grönland nur der gletscherlose Teil, von den Färöern sind 17 Inseln bewohnbar.
Italien hatte 1881 die Assabbai am Roten Meer (632 qkm, wovon 579 auf das Festland, 53 auf die Inseln entfallen) mit 1300 Einw. erworben. Schweden hatte nur eine kleine Kolonie, die Insel St.-Barthélemy, welche 1877 an Frankreich abgetreten wurde. Gegenwärtig beträgt der auf beifolgender Karte vergleichend dargestellte Kolonialbesitz der europäischen Staaten mit Ausschluß von Deutschland:
Staaten | Fläche QKilom. | Jetzige Bevölkerung | Besitz vor 60 Jahren mit einer Bevölkerung von |
---|---|---|---|
Großbritannien | 19820919 | 214086856 | 125000000 |
Niederlande | 1980184 | 28601924 | 6643300 |
Frankreich | 1331325 | 9632534 | 460000 |
Spanien | 436396 | 8105932 | 22500000 |
Portugal | 1828456 | 3737045 | 6800000 |
Dänemark | 194577 | 127100 | 80000 |
Italien | 632 | 1300 | - |
Zusammen | 25592489 | 264292691 | 161483300 |
Eine ausführlichere Zusammenstellung der Kolonien dieser Länder gibt die statistische Übersicht zu unsrer Karte.
Die Kolonialbestrebungen in Deutschland.
Deutschland besaß bis zur neuesten Zeit gar keine Kolonien. Zwar hatte der Große Kurfürst von Brandenburg an der Goldküste in Afrika einen Kolonisationsversuch angestellt, doch wurde derselbe bald wieder aufgegeben (s. Guinea, S. 916). Trotzdem, daß Deutschland alljährlich viele Tausende von Auswanderern übers Meer ziehen ließ, gestattete ihm die Gestaltung der politischen Verhältnisse nicht, Kolonien anzulegen und zu behaupten. Man beschränkte sich im wesentlichen darauf, den Auswanderern staatliche und private Fürsorge angedeihen zu lassen. Eine erhebliche Änderung trat in dieser Beziehung nach dem französischen Krieg ein, als das Deutsche Reich nach außen hin eine größere Macht entfaltete. Zwar gab es in Deutschland schon früher unter den Auswanderungsvereinen (s. Auswanderung, S. 159) auch Kolonisationsgesellschaften, d. h. Vereine, welche sich nicht auf die Fürsorge für den einzelnen Auswanderer beschränkten, sondern welche daneben auch die Kolonisation ins Auge faßten und deswegen sich bestrebten, den Auswandererstrom nach bestimmten Gebieten hinzulenken, so schon 1683 eine Gesellschaft in Frankfurt a. M., welche die erste deutsche größere Auswanderung unter der Leitung von Pistorius nach Pennsylvanien lenkte, dann mehrere in den 40er Jahren gegründete Gesellschaften.
Diese Vereine, von denen nur noch der 1849 in Hamburg gegründete Kolonisationsverein für Südbrasilien besteht, trugen meist einen gemeinnützigen, philanthropischen Charakter, sie wollten Armen und Arbeitslosen ein Unterkommen verschaffen, während eine Kolonie Intelligenz, Thatkraft und auch Kapital verlangt. Teils infolge dieses Umstandes, teils auch weil keine politische Macht im Hintergrund der Vereine stand, war die Wirksamkeit derselben meist erfolglos.
Nach 1870 machte sich mehr das Bestreben geltend, Kraft und Kapital der Auswanderer dahin zu lenken, wo sie dem Mutterland dauernd ersprießliche Dienste leisten könnten. Die deutschen Ansiedelungen sollten, auch wenn sie nicht gerade Deutschland politisch einverleibt würden, doch möglichst als geschlossenes Ganze erhalten werden, welches seine nationalen Eigentümlichkeiten bewahre, die dann eine sichere Grundlage eines dauernden wirtschaftlichen Verkehrs mit dem Heimatsland bilden würden.
Vorerst sollten auf privatem Weg Faktoreien und Ansiedelungen gegründet und diese unter deutsche Schutzherrschaft gestellt werden. Diese Ideen fanden insbesondere Vertretung bei dem 1882 in Frankfurt a. M. gegründeten Deutschen Kolonialverein; Sitz desselben ist Berlin. Der Verein, welcher 1887: 114 Zweigvereine zählte, stellt sich die Aufgabe, das Verständnis der Notwendigkeit, die nationale Arbeit der Kolonisation zuzuwenden, in immer weitere Kreise zu tragen, für die darauf gerichteten Bestrebungen einen Mittelpunkt zu bilden und eine praktische Lösung der Kolonisationsfrage anzubahnen.
Organ desselben ist seit 1884 die »Deutsche Kolonialzeitung«. Um praktische Kolonisation zu treiben, wurde Anfang 1884 die Gesellschaft für deutsche Kolonisation (Sitz in Berlin) begründet. Dieselbe bezweckt: Begründung von deutsch-nationalen Kolonien, Unterstützung deutscher Kolonisationsunternehmungen (vornehmlich Deutsch-Ostafrikas, welches die Gesellschaft erwarb), Hinlenkung der deutschen Auswanderung in geeignete Gebiete und Förderung deutsch-nationaler Interessen.
Sie veranlaßte Mitte September 1886 den in Berlin abgehaltenen allgemeinen deutschen Kongreß. Die Gesellschaft besitzt zahlreiche Abteilungen in Deutschland; ihr Organ ist die »Kolonialpolitische Korrespondenz«. Ähnliche Aufgaben haben sich gesetzt: der 1878 in Berlin gegründete Zentralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Ausland, dessen Organ, der »Export«, sich insbesondere die Hebung des deutschen Handels zur Aufgabe gestellt hat, der Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export zu Düsseldorf, jetzt Zweigverein des Deutschen Kolonialvereins, die im Februar 1887 einer Neubildung unterworfene »Deutsche Ostafrikanische Gesellschaft« (s. d.) mit dem Sitz in Berlin, die Deutsch Westafrikanische Kompanie, ebenfalls in Berlin, die Südwestafrikanische Gesellschaft, die Deutsche Südwestafrikanische Kompanie, der Verein zur Förderung deutscher Interessen in Südafrika, die Südamerikanische Kolonisationsgesellschaft in Leipzig, der Leipziger Verein für Handelsgeographie etc. Die deutsche Reichsregierung entschloß sich, nachdem der Reichstag 1880 die Samoavorlage abgelehnt hatte, erst 1884 dazu, die Unternehmungen hanseatischer Kaufhäuser und von Kolonialvereinen unter ihren Schutz zu nehmen und deren Erwerbungen gegen fremde, besonders britische, Anfechtungen zu verteidigen.
Dies geschah zuerst bei der Handelsniederlassung des Bremer Hauses Lüderitz in Angra Pequena, dann in Camerun und Togoland, 1885 in Neuguinea und Ostafrika. Dem Geschick des Reichskanzlers gelang die friedliche Verständigung mit England und Frankreich über die Abgrenzung der deutschen Gebiete, während der Sultan von Sansibar durch eine Flottendemonstration zum Verzicht auf seinen Einspruch veranlaßt wurde. Die neuen deutschen Kolonien sind teils Kronschutzgebiete, welche unmittelbar durch Beamte des Kaisers (Reichskommissare) auf Kosten des Reichs regiert werden (Togoland
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und Camerun an der Guineaküste, der Küstenstrich von Kap Frio bis zum Oranjefluß in Südwestafrika, die Gebiete der Marshall-, Brown- und Providenceinseln in Polynesien), teils Gesellschaftsschutzgebiete, so das Gebiet der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft und das der Neuguineakompanie (die Inselgruppen Neubritannien und Neuirland, genannt Bismarck-Archipel, und das Kaiser Wilhelms-Land auf Neuguinea), über welche Schutzbriefe des deutschen Kaisers die Landeshoheit verliehen haben (vgl. Kolonialrecht). Näheres über die deutschen Kolonien enthält das Textblatt zu den beifolgenden Übersichtskarten der Kolonien.
Die Anschauungen über die Bedeutung und die Vorteile der Kolonien sind geteilt, wenn auch in neuerer Zeit sich in Deutschland ein Umschwung zu gunsten der Gründung von Kolonien vollzogen hat. Die Gegner der Kolonien weisen darauf hin, daß dieselben dem Mutterland oft mehr Opfer an Geld und Blut gekostet haben, als sie ihm eintrugen. Außerdem machte man geltend, daß, nachdem das Kolonialsystem aufgegeben worden sei, Deutschland mit fremden Kolonien unter den gleichen Bedingungen Verkehr pflegen könne wie das Mutterland.
Aufgabe eines jeden Staats sei es, seine innern Verhältnisse möglichst befriedigend zu ordnen und nach außen nur Frieden und einen ungehemmten Verkehr zu suchen. Diese Ansichten fanden freilich in der praktischen Kolonialpolitik bis jetzt wenig Anerkennung. Länder, welche durch wirtschaftliche und politische Verhältnisse in die Lage versetzt waren, Kolonien zu gründen und zu erhalten, haben sich hiervon nicht abschrecken lassen, und in der neuesten Zeit wetteifern europäische Länder miteinander, auswärtige Besitzungen zu erwerben.
Hierbei spielen freilich nationaler Wetteifer und Nationalstolz auch eine Rolle, im wesentlichen aber ist der treibende Gedanke echt wirtschaftlicher Natur. Die Auswanderer finden in einer Kolonie unter Landsleuten leichter einen förderlichen Boden für ihre Bestrebungen als unter Fremden. Und wenn die Kolonie ihren Charakter bewahrt, so sind die Bedingungen für einen dauernden Verkehr mit dem Mutterland jedenfalls günstiger als unter sonst gleichen Umständen für einen Verkehr mit fremden Völkern, unter denen die frühern Angehörigen des Landes und deren Abkömmlinge zerstreut wohnen und allmählich ihre Nationalität vollständig abstreifen.
Sind wirtschaftlicher Sinn und Unternehmungsgeist vorhanden, so können, wie dies gerade zahlreiche Unternehmungen deutscher Handelshäuser beweisen, auch vorteilhafte Handelsverbindungen mit Fremden unterhalten werden, ohne daß Kolonialpolitik getrieben wird. Eine noch festere Stütze aber erhält der Handel, wenn der Europäer in überseeischen Ländern der gewohnten Sprache, heimischen Gebräuchen und Sitten in Konsumtion und Lebensweise begegnet.
Von diesem Gesichtspunkt aus hat man denn auch vorgeschlagen, wenn keine Gebiete mehr zu erwerben seien, die unter die Oberhoheit des Deutschen Reichs gestellt werden könnten, möglichst dahin zu streben, daß ein großer Teil der vielen Tausende von Deutschen, die alljährlich das Vaterland verlassen, sich bestimmten Territorien zuwende, wo ihre Anzahl, vermehrt um den sich immer erneuernden Zustrom aus der Heimat, eine Bürgschaft für Schaffung und Erhaltung von deutschen Kolonien bilde.
Vgl. Merivale, Lectures on colonisation and colonies (2. Aufl., Lond. 1861);
Roscher, Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung (3. Aufl. mit Jannasch, Leipz. 1885);
Leroy-Beaulieu, De la colonisation chez les peuples modernes (3. Aufl., Par. 1887);
Moldenhauer, Erörterungen über Kolonial- und Auswanderungswesen (Frankf. a. M. 1878);
Fabri, Bedarf Deutschland der K.? (Gotha 1879);
E. v. Weber, Die Erweiterung des deutschen Wirtschaftsgebiets (Leipz. 1879);
Hübbe-Schleiden, Äthiopien.
Studien über Westafrika (Hamb. 1879);
Derselbe, Überseeische Politik (das. 1881);
Jung, Deutsche Kolonien, (2. Ausg., Leipz. 1885);
H. Wagner, Über Gründung deutscher Kolonien (Heidelb. 1881);
Deckert, Die Kolonialreiche und Kolonisationsobjekte der Gegenwart (Leipz. 1884);
Charpentier, Entwickelungsgeschichte der Kolonialpolitik des Deutschen Reichs (Berl. 1886);
Baumgarten, Die deutschen Kolonien und die nationalen Interessen (das. 1887);
Ring, Deutsche Kolonialgesellschaften (das. 1887);
Koschitzky, Deutsche Kolonialgeschichte (Leipz. 1887), und die bei Kolonialrecht angeführten Schriften.
Von Zeitschriften sind außer den bereits erwähnten Vereinsorganen noch anzuführen: »Revue coloniale internationale« (hrsg. von Kan u. a., Amsterdam 1885 ff.);
»Deutsche Weltpost« (seit 1883, Berl.);
»Deutsche Konsulatszeitung« (seit 1882, das.);
»Jahrbuch der deutschen Kolonialpolitik« (das. 1887).