Kolonialge
sellschaften,
Kolonisationsgesellschaften, sind teils kapitalistische, teils auch mehr oder weniger philanthropische
Vereinigungen zu dem Zwecke, Ansiedler nach bestimmten Kolonialge
bieten zu führen. Als spekulative Unternehmungen gehen
die Kolonialge
sellschaften einfach darauf aus, große Landbesitzungen für einen geringen Preis anzukaufen und dieselben
im kleinen mit
Vorteil an die herbeigezogenen Kolonisten zu verkaufen. Philanthropische Kolonialge
sellschaften haben
hauptsächlich den Zweck, der notleidenden oder arbeitslosen
Bevölkerung
[* 3] des Mutterlandes einen Ausweg und ein Unterkommen
in den
Kolonien zu verschaffen. So ging
die erste deutsche Einwanderung nach
Pennsylvanien von einer in
Frankfurt
[* 4] a. M. gebildeten
Gesellschaft aus, die 1683 eine Anzahl Familien unter der Leitung von Pastorius dorthin sandte.
In den vierziger Jahren des 19. Jahrh. wurden einige philanthropische
Vereine dieser Art zur
Beförderung und Leitung der
Massenauswanderung
gegründet. So der 1844 von deutschen Fürsten und
Standesherren in Mainz
[* 5] gebildete
«Verein zum Schutze deutscher Auswanderer
in
Texas», der trotz bedeutender
Mittel traurige Erfahrungen machte und sich 1848 wieder auflöste. Eine
Berliner
[* 6] Gesellschaft unter dem Protektorat des Prinzen
Karl von
Preußen
[* 7] versuchte 1844-52 ebenfalls erfolglos eine
deutsche Kolonisation
in Nicaragua
[* 8] und
Costa-Rica. Günstige Resultate dagegen erzielte der noch bestehende «Kolonisati
onsverein
von 1849 in
Hamburg»,
[* 9] von dem die blühende
Kolonie Dona Francisca in dem jetzigen südbrasil.
Staat Sta. Catharina gegründet
wurde.
Die neuesten Kolonialbestrebungen der
Völker, namentlich zur Erwerbung
bez.
Erhaltung von Kolonialbesitz
[* 10] in
Afrika,
[* 11] haben in
den letzten Jahrzehnten zur
Bildung von Kolonialge
sellschaften geführt, welche in den alten Monopolgesellschaften ihr Vorbild haben. Von
englischen neuern Kolonialge
sellschaften seien genannt: The Royal
Niger Company, The East
Africa Company, The
South
Africa Company,
The
North
Africa Company, The
North
Borneo trading Company, welche aber meistens große Erfolge nicht aufzuweisen haben. Für
Belgien
[* 12] kommt die Compagnie belge du
Congo in Betracht, welche die
Konzession der Kongoeisenbahn erhalten hat. In
Portugal
[* 13] wurde 1888 die
Mozambique-Compagnie, eine Rivalin der benachbarten
Südafrikanischen
Englischen Compagnie,
mit großen Privilegien begründet. Von neuern holländischen Kolonialge
sellschaften ist die zur Ausbeutung
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
mehr
der Zinnminen auf der Insel Billiton (Niederländisch-Indien) gegründete Gesellschaft zu nennen, welche 1852 das ausschließliche
Monopol des Betriebes auf 40 Jahre (inzwischen verlängert) erlangt hat. In Frankreich ist man im Begriff, für neuere Kolonialge
sellschaften die
gesetzliche Grundlage zu schaffen. Deutscherseits sind zu nennen: Deutsche Kolonialgesellschaft
[* 15] für Südwestafrika, Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft
(s. d.), Neu-Guinea-Compagnie (s. d.), Jaluitgesellschaft (s. d.),
Deutsch-Ostafrikanische Plantagengesellschaft, Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinseln, Astrolabe-Compagnie,
Eisenbahngesellschaft für Deutsch-Ostafrika, Usambara-Kaffeebaugesellschaft, Südwestafrikanische Siedelungsgesellschaft,
Deutsche Siedelungsgesellschaft, Südamerikanische Kolonisationsgesellschaft, Hamburger Kolonisati
onsverein von 1849 (s. auch
Kolonialrecht, S. 505 b). Als philanthropische Vereinigung wirkt in allen Zweigen des Kolonisati
onswesens die Deutsche Kolonialgesellschaft,
die 1887 durch Vereinigung des Kolonialvereins (s. d.) und der Gesellschaft für deutfche Ansiedelung entstand.
Sie ist in Lokalabteilungen über ganz Deutschland
[* 16] verbreitet und hat auch eine größere Zahl Abteilungen in überseeischen
Ländern. Die Mitgliederzahl betrug bei der Fusion 14800, dagegen 1893: 18600. Das Organ der Gesellschaft, und vorher
des Kolonialvereins, ist die «Deutsche Kolonialzeitung» (seit
1884). Die im Deutschen Reiche neu eingeführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung (s. d.) soll
auch die Bildung von Kolonialgesellschaften
erleichtern. -
Vgl. Ring, Deutsche Kolonialgesellschaften
(Berl. 1887);
Karl von Stengel,
[* 17] Die deutschen Kolonialgesellschaften
(im «Jahrbuch
für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich», XII, Lpz. 1888);
ders., Die deutschen Schutzgebiete (in den «Annalen des Deutschen Reichs», Münch. 1889);
Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 4 (Jena [* 18] 1892), S. 753 fg. und die Litteratur beim Artikel Handelscompagnien.