Kollision
(lat.), eigentlich das »Zusammentreffen«
zweier harter
Körper im
Stoß; daher der (störende, verletzende)
Zusammenstoß, z. B. von
Schiffen (s. unten),
die
Quetschung
(Kontusion); dann das Zusammentreffen entgegengesetzter
Dinge oder
Interessen in Einem
Punkt. In diesem
Sinn spricht
man von einer Kollision
der
Pflichten, auch wohl von einem sittlichen
Konflikt in solchen
Fällen, wo an eine
Person eine Mehrheit sittlicher
Anforderungen herantritt, welchen gleichmäßig zu genügen nicht möglich ist
(Kollisionsfälle; vgl.
Kasuistik).
Von Kollision
der
Gesetze wird in doppelter Beziehung gesprochen. Einerseits bezeichnet man damit
Widersprüche in einer und derselben
Gesetzgebung, anderseits den Widerstreit der
Gesetze verschiedener
Staaten, welche auf einen
Rechtsfall Anwendung finden können
(Kollision
der
Statuten). In erster Beziehung ist es zunächst Aufgabe der
Gesetzesauslegung, den
Widerspruch
(Antinomie) zu
entfernen. Zu dem Ende ist zu untersuchen, ob nicht etwa die eine Bestimmung als neueres
Gesetz das ältere aufhebe
(lex posterior derogat priori),
oder ob die eine als
Regel, die andre als
Aufnahme oder die eine als allgemeiner
Grundsatz, die andre als nähere Ausführung
anzusehen sei, oder ob etwa beide Bestimmungen verschiedenartige Gegenstände und Geltungsgebiete haben.
Führt dies nicht zum Ziel, so würde der Ausspruch, welcher den Fragefall zu entscheiden bestimmt ist, einem andern, welcher ihn nur gelegentlich berührt, oder derjenige, welcher dem Sinn und Geist der ganzen Gesetzgebung entspricht, vorzuziehen sein; wäre auch hiernach eine Entscheidung nicht möglich, so heben die widersprechenden Bestimmungen sich gegenseitig auf, gleich als ob ein Gesetz über den betreffenden Gegenstand gar nicht vorhanden wäre. Zu beachten ist aber, daß das frühere gemeine deutsche Recht einen subsidiären Charakter hatte, d. h. nur dann zur Anwendung kam und kommt, wenn und soweit die Partikularrechte nichts Anderweites bestimmen (Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht).
Dagegen besteht heutzutage in Ansehung des Reichsrechts und der Einzelgesetzgebungen der deutschen Staaten gerade das umgekehrte Verhältnis: die Reichsgesetze gehen den Landesgesetzen vor (Reichsverfassung, Art. 2). In zweiter Beziehung ist es eine Folge des internationalen Verkehrs, daß oftmals von den Gerichten des Inlandes bürgerliche Rechtsverhältnisse zu beurteilen sind, welche im Ausland zur Entstehung kamen. Die Frage, welche Rechtsnormen hier maßgebend sind, ob die inländischen oder die des fremden Staats, bildet den Gegenstand des sogen. internationalen Privatrechts, einer wichtigen Rechtsdisziplin, die namentlich für das deutsche Rechtsleben von großer Bedeutung ist, solange wir auf dem Gebiet des Privatrechts noch kein einheitliches deutsches Recht besitzen.
Zudem tritt ebendieselbe Frage an den Richter heran, wenn innerhalb eines Staats wiederum verschiedene Rechtsnormen gelten, wie dies z. B. in Ansehung des ehelichen Güterrechts in den einzelnen deutschen Staaten vielfach vorkommt. Als Prinzip ist dabei festzuhalten, daß jeder Richter nach dem Recht seines Landes oder Bezirks zu entscheiden hat (sogen. Territorialitätsprinzip); dies gilt ausnahmslos hinsichtlich des Prozeßverfahrens und hinsichtlich derjenigen Bestimmungen, welche dem öffentlichen Recht angehören oder von zwingender, absoluter Natur sind, daher z. B. ein deutsches Gericht einen Fremden im Eigentum an mitgebrachten Sklaven nicht schützen kann.
Indessen muß nach dem Grundsatz der territorialen Geltung des Rechts jeder Staat, wie er es selbst voraussetzt und fordert, so auch anerkennen, daß die Personen, welche einem Staat vermöge ihres Wohnortes oder Heimatsrechts angehören, und die Sachen, die in dem Gebiet desselben liegen, dessen Gesetzen unterworfen sind. Hieraus ergeben sich folgende Grundsätze: Jede Person als solche wird hinsichtlich ihrer persönlichen und Familienverhältnisse nach den Gesetzen ihres wesentlichen Wohnortes oder Domizils (statuta personalia) beurteilt, namentlich also in Ansehung der Frage, ob sie volljährig, handlungs- und rechtsfähig, ehelich geboren, der väterlichen Gewalt unterworfen sei.
Das Güterrecht der Ehegatten bestimmt sich nach der Gesetzgebung des ersten Wohnortes nach Eingehung der Ehe. Nach dem Rechte des Wohnortes des Erblassers muß Erbfähigkeit und Erbfolge beurteilt werden. Körperliche Sachen als solche stehen unter dem Rechte der belegenen Sache (statuta realia), d. h. unter dem Gesetz des Ortes, wo sie sich befinden (locus rei sitae); nach diesem ist zu beurteilen, welche Rechte daran möglich sind, und wie sie begründet werden, ob z. B. zum Erwerb eines Grundstücks ein Privatrechtsgeschäft genügt, oder ob gerichtliche Verlautbarung oder Eintrag in öffentliche Bücher nötig ist.
Rechtsgeschäfte werden gemäß der Regel »Locus regit actum« (der Ort ist bestimmend für die Handlung) nach Form und Wirkung nach dem Rechte des Ortes beurteilt, wo sie stattfinden, es müßten denn die Parteien selbst die Anwendung eines andern Rechts ausdrücklich oder stillschweigend beabsichtigt haben, wie z. B. bei Verträgen in der Regel das Recht des Erfüllungsorts als maßgebend anzunehmen sein wird. Hiernach sind auch die privatrechtlichen Wirkungen unerlaubter Handlungen zu beurteilen.
Über die Kollision
der Strafrechtsnormen verschiedener
Staaten (internationales
Strafrecht) s.
Ausland. In neuerer
Zeit haben die völkerrechtlichen
Kongresse des
Vereins für
Reform und Kodifikation des
Völkerrechts (l'Association de droit
international) und des
Instituts für
Völkerrecht
(Institut de droit international) und die damit in
Verbindung stehenden
Zeitschriften
und sonstigen Veröffentlichungen über internationales
Recht zur Klärung der Rechtsanschauungen auf
diesem wichtigen Gebiet erheblich beigetragen.
Vgl. Wächter, Archiv für zivilistische Praxis, Bd. 24, S. 230-311; Bd. 25, S. 1-60, 161-200, 361-419; v. Savigny, System etc., Bd. 8, S. 1 ff.; Pfeiffer, Die Prinzipien des internationalen Privatrechts (Stuttg. 1851); ¶
mehr
v. Bar, Das internationale Privat- und Strafrecht (Hannov. 1862);
Asser, Leitfaden des internationalen Privatrechts (a. d. Holländ., Berl. 1881);
Fölix, Traité du droit international privé (4. Aufl., Par. 1866);
Phillimore, Commentaries upon international law (3. Aufl., Lond. 1873 ff., 4 Bde.);
Fiore, Nouveau droit international (2. Aufl., Par. 1885, 2 Bde.);
Wharton, Private international law (2. Aufl., Philad. 1881);
Westlake, Internationales Privatrecht (deutsch v. Holtzendorff, Berl. 1884).