Kolberg
[* 1] (Colberg), Stadt im preuß. Regierungsbezirk
Köslin,
[* 2] ehemalige Hauptstadt des Herzogtums
Kassuben, an der
Persante, 3 km vor deren Mündung in die
Ostsee,
Knotenpunkt der
Linie
Belgard-Kolberg der Preußischen Staatsbahn
und der
Eisenbahn
Altdamm-Kolberg, hat 4 Vorstädte, darunter Kolberg
ermünde oder
Münde an der Mündung der
Persante, 6
Kirchen (darunter
die schöne fünfschiffige Marienkirche, ein Backsteinbau des 14. und 15. Jahrh.,
und die 1871-76 erbaute Nikolaikirche in der Vorstadt
Münde), eine
Synagoge, ein gotisches
Rathaus, ein Erzstandbild
Friedrich
Wilhelms III. von
Drake auf dem
Markt (hier auch
Nettelbecks
Haus [s. unten] und
Ramlers Geburtshaus), einen durch
Molen geschützten
Hafen mit
Leuchtfeuer an der Mündung der
Persante, ein besuchtes
See-,
Sol- und Moorbad (Zahl der Kurgäste
1885: 6781), hübsche
Anlagen,
Gas- u.
Wasserleitung
[* 3] (letztere mit imposantem
Turm),
[* 4]
Kanalisation und (1885) mit der
Garnison (2
Infanteriebat. Nr. 54 und eine Abteil.
Feldartillerie Nr. 17) 16,557 meist evang. Einwohner,
welche Dampfholzschneiderei,
Eisengießerei
[* 5] und Maschinenbau, Tabaksfabrikation,
Fischerei
[* 6]
(Lachse,
Dorsche,
Neunaugen)
etc. betreiben.
Der lebhafte Handel wird unterstützt durch eine Reichsbanknebenstelle und andre Geldinstitute. Die Reederei zählt 24 Seeschiffe zu 3801 Registertons. 1885 kamen an mit Ladung: 144 Schiffe [* 7] zu 13,868 Registertons in Ballast oder leer: 53 Schiffe zu 3351 Registertons;
es gingen ab mit
Ladung: 114
Schiffe zu 8590 Registertons, in
Ballast oder leer: 82
Schiffe zu 8380 Registertons.
Kolberg
ist Sitz eines Landratsamtes (für den
Kreis
[* 8] Kolberg
-Körlin), eines Amtsgerichts, eines
Hauptsteueramtes und hat ein
Gymnasium
mit
Realgymnasium, eine höhere Töchterschule mit Lehrerinnenseminar, ein adliges
Fräuleinstift, ein
Theater,
[* 9] eine Rettungsstation
für Schiffbrüchige und ein
Zucht- und Arbeitshaus.
Die Festungswerke sind seit 1873 eingegangen, jedoch
bleiben die Werke an der
See (vier
Schanzen und das
Fort
Münde) bestehen. Ein beliebter Vergnügungsort ist die Maikuhle, ein
herrlicher
Buchen-,
Eichen- und Fichtenwald. - Die Stadt Kolberg
(poln. Brzegu), einer der ältesten
Orte
Pommerns, verdankt ihren
Ursprung einer dort vorhanden gewesenen slawischen
Feste, die 1065 in ein
Domstift verwandelt wurde.
Bald
war ein mit
Mauern und
Gräben verwahrter
Ort und wurde 1102 vom
Herzog
Bogislaw III. von
Polen acht
Tage lang vergeblich bestürmt. 1255 erhielt
es von
Herzog
Barnim I.
Stadtrecht, kam 1276 unter die Herrschaft des
Stifts
Kammin und wurde 1284 in den
Hansabund aufgenommen.
Seit 1530 fand die
Reformation in Kolberg
Eingang. Im Dreißigjährigen
Krieg kam es 1627 in die
Gewalt der Kaiserlichen, wurde aber 1631 von
den
Schweden
[* 10] erobert, die sich bis 1653 im
Besitz behaupteten und die Schöpfer der spätern
Festung
[* 11] waren. 1653 wurde die Stadt
an den
Kurfürsten
Friedrich
Wilhelm von
Brandenburg
[* 12] übergeben, welcher die
Befestigungen durch
Sparr verstärken
ließ, hier eine
Ritterakademie stiftete, die 1705 nach
Berlin
[* 13] verlegt wurde und als das Kadettenhaus in
Lichterfelde noch besteht.
Im Siebenjährigen
Krieg unternahmen die
Russen, 10,000 Mann stark, zuerst 1758 eine Belagerung der nur von 700 Mann besetzten
Stadt.
Doch ihre Angriffe scheiterten an der Tapferkeit des Kommandanten Major v. Heyden, seiner Garnison und der Bürgerschaft, die an der Verteidigung teilnahm, und nach 19tägiger Belagerung zogen die Russen unverrichteter Sache ab. Denselben Ausgang hatte eine zweite Belagerung durch die Russen 26. Aug. bis eine dritte (1761) endete dagegen damit, daß Kommandant Heyden, nach langer Verteidigung durch Hunger gezwungen, die Festung den Russen übergeben mußte, die jedoch 1762 nach Peters III. Thronbesteigung von ihnen wieder geräumt wurde.
Noch rühmlicher zeichnete sich Kolberg
aus bei der sechsmonatlichen Belagerung der
Feste durch die
Franzosen 1806 und 1807. Hierher
hatte sich der schwer verwundete
Schill gerettet, und er und der
Bürger
Nettelbeck (s. d.) erhielten den
Mut der
Besatzung und der
Bürger wach, bis diese durch das Eintreffen
Gneisenaus mit neuem
Eifer beseelt wurden. Am waren
die
Laufgräben so nahe gerückt, daß Breschbatterien angelegt werden konnten, und 1. Juli nahm der Feind
auch die Maikuhle mit
Sturm. Die
Botschaft des
Friedens von
Tilsit
[* 14] hob endlich die Belagerung auf und erhielt die
wichtige
Festung dem König, welcher der Stadt ihren Beitrag zur Kriegskontribution erließ.
Vgl. v.
Held, Geschichte der drei
Belagerungen Kolbergs
im Siebenjährigen
Krieg (Berl. 1847);
Riemann, Geschichte der Stadt Kolberg
(Kolb. 1873);
Schönlein, Geschichte der Belagerungen Kolbergs
1758-1807 (2. Aufl., das.
1878);
Janke,
Bad
[* 15] Kolberg
(das. 1884).
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 16] von Kolberg.
Stiftswappen. Stadtwappen.]