Kochenille
(spr. koschenillje, Coccus cacti L., s. Tafel »Halbflügler«),
Insekt aus der Ordnung der Halbflügler und der Familie der Schildläuse (Coccina). Das karminrote Männchen ist 1,6 mm lang, mit zwei getrübten lichtbraunen Flügeln, zehngliederigen Fühlern und zwei langen Schwanzborsten. Das Weibchen ist 2 mm lang, fast kugelig, weiß bereift, flügellos. Das Tier lebt in Mexiko [* 2] auf Opuntia coccinellifera (Nopal) und wird dort wie in Westindien, [* 3] Malaga, [* 4] Spanien, [* 5] Algerien, [* 6] Java u. Teneriffa gezüchtet. Das Weibchen saugt sich an der Mutterpflanze fest, schwillt bedeutend an und legt seine Eier, [* 7] aus welchen nach acht Tagen die mit langen Borstenhaaren bewachsenen Jungen ausschlüpfen, in die weißen Ausschwitzungen, mit welchen sie die Pflanze stellenweise vollständig überziehen.
Die
Larven häuten sich in zwei
Wochen mehrmals, dann spinnen die männlichen
Larven einen
Kokon, ruhen darin
acht
Tage als
Puppe, schlüpfen aus, begatten sich und sterben sofort, während die Weibchen noch 14
Tage lang
Eier legen und
dann von der
Pflanze abfallen und gleichfalls sterben.
Vor der
Regenzeit bringt man die
Pflanze mit den
Tieren,
welche zur
Zucht fortleben sollen, in Sicherheit, um sie nach den
Regen wieder auszusetzen. Die Kochenille
wird sowohl in den
Pflanzungen
als auch an wild wachsenden
Fackeldisteln (wilde Kochenille
, vielleicht eine andre Art?) kurz vor dem Ausschlüpfen der
Brut gesammelt,
auf heißen
Blechen getrocknet und (seit 1526) in den
Handel gebracht.
Sie bildet halbrunde Körperchen von der
Größe einer kleinen halben
Erbse mit runzeliger Oberfläche, ist schwarzbraun, mehr
oder weniger weiß bestäubt, innen dunkel purpurrot, schmeckt bitterlich, etwas zusammenziehend und färbt den
Speichel rot.
Die gezüchtete Kochenille
ist größer und reicher an
Farbstoff als die wilde oder Waldkochenille
(Grana silvestra
oder Caspesiana). Die erste
Ernte
[* 8] im Jahr liefert ein wertvolleres
Produkt (Zakkadille) als die folgende, und von allen
Sorten
ist die aus
Honduras
[* 9]
(Grana fina oder Mestica von Mesteque) die beste, dann folgt die mexikanische.
Auch
Teneriffa liefert gute
Ware, demnächst
Spanien. Die geringste
Sorte kommt aus
Java. Nach der Zubereitung
unterscheidet man Renegrida, in heißem
Wasser getötete und dadurch des weißen Überzugs beraubte; Jaspeada, in
Öfen
[* 10] getötete,
mit weißem Überzug; Negra, durch zu starke
Hitze schwärzlich gewordene, und Granilla,
Ausschuß. Der
Farbstoff der Kochenille
ist
Karminsäure. Man benutzt die Kochenille
zur Bereitung des
Karmins (s. d.) und in der
Färberei zur
Darstellung von
Rot,
Violett etc. auf
Wolle,
Seide
[* 11] und
Baumwolle;
[* 12] seit Einführung der
Anilinfarben hat sie aber an Bedeutung sehr verloren. Für
die
Färberei bereitet man aus der Kochenille
durch Behandlung mit
Ammoniak die Cochenille ammoniacale, die in
¶
mehr
Teigform oder in Täfelchen in den Handel kommt und Violett, Amarantrot und Malvenfarbe liefert. Früher wurde sie auch medizinisch
benutzt. Die Kochenille
wurde schon vor Entdeckung Amerikas von den Mexikanern gezüchtet, Lopez de Gomara gab 1525 die erste Beschreibung
der Kochenille;
aber man hielt die Drogue trotzdem für vegetabilischen Ursprungs, bis der Streit durch die Erkundigungen
des Holländers Ruyscher 1725 entschieden wurde. Als Mexiko noch allein Kochenille
erzeugte, wurden jährlich 440,000 kg im Wert von
nahezu 7,5 Mill. holländ. Gulden nach Europa
[* 14] ausgeführt.
Von 1 Hektar Nopalpflanzung erntete man ca. 300 kg Kochenille
, und auf 1 kg kommen etwa 140,000 Tierchen. In frühern
Zeiten sammelte man namentlich in Polen um Johannis eine rote Schildlaus, Porphyrophora polonica L. (polnische Kochenille
, Johannisblut),
welche an den Wurzeln mehrerer Pflanzen, namentlich des Scleranthus perennis, in Nordostdeutschland, Polen, Rußland, Schweden,
[* 15] Ungarn
[* 16] lebt. Das Insekt bildete einen nicht unwichtigen Handelsartikel, ist aber durch die viel ausgiebigere
mexikanische Kochenille
längst verdrängt.