Knotenknüpfen.
Wie bei uns der Knoten im Taschentuch als Erinnerungsmittel, so dient bei fast allen Naturvölkern der in bestimmter Weise geschürzte Knoten als Zählungs- und Abrechnungsmittel sowie als Vertreter der Schrift, und bei den alten Peruanern war die Knotenschrift zu einem vollständigen Verständigungsmittel und Dokumentenwesen ausgebildet, sofern durch verschieden geschürzte Knoten in verschieden gefärbten, aber miteinander verbundenen Faden [* 2] (s. Quipu) [* 3] die kompliziertesten Verträge und ganze historische Dokumente niedergelegt wurden.
Die nordamerikanischen
Indianer ersetzten diese Knotenstränge durch
Gürtel
[* 4] mit
Knoten und dazwischen aufgereihten
Perlen und
Muscheln
[* 5] (s. Wampum
gürtel), deren kunstgerechte Verfertigung bestimmten
Personen oblag. Daran knüpft sich wohl
die Auffassung, daß ein geschürzter
Knoten ein Heiligtum und ein
Rätsel zugleich sei, ein unauflöslicher
Kontrakt, weshalb
auf den
Inseln der
Südsee das
Tabu (s. d.) stets durch einen in verschiedene
Materiale geschürzten
Knoten
dargestellt wird, und es scheint, daß der »Strohwisch an der
Stange«, welcher bei uns den Zugang zu einem
Ort verbietet, aus
ähnlichen Zeichen entsprungen ist.
Auch bei unsern Vorfahren wurde das als
Symbol eines abgeschlossenen
Vertrags angesehen, und selbst diejenigen
Zeugen,
welche vor
Gericht ihre
Unterschrift geben konnten, mußten noch als Bekräftigung ihrer Zeugenschaft einen
Knoten in einen
an dem betreffenden
Dokument befestigten
Riemen knüpfen.
Daher Knotenknüpfer
(nodator) in mittelalterlicher
Gerichtssprache
s. v. w.
Zeuge. Mit dieser geheimnisvollen Bedeutung, die
man in das Knotenknüpfen
legte, gewann dasselbe später die Bedeutung einer
magischen
Handlung, und der
Knoten wurde zum
Zauberknoten. Man glaubte, daß, wenn man mit Bezugnahme auf
eine bestimmte
Person und unter bestimmten
Zeremonien
Knoten in bunte
Schnüre und
Bänder knüpfe, man jene
Person dadurch unauflöslich
in bestimmter Beziehung fessele. Namentlich glaubte man dadurch
Akte, bei welchen Eröffnen des Leibes die Hauptsache ist,
also
¶
mehr
Empfängnis und Geburt, unmöglich zu machen. So wußte Juno der Mythe nach durch knotenartiges Verschränken der Finger und Arme die Geburt des Herkules sieben Tage hinzuhalten; daher heißen die Zauberknoten bei den Alten auch herkulische Knoten, und die Daktylen galten als deren Knüpfer und Löser. Hierher gehört auch das ehemals sehr gefürchtete Nestelknüpfen (s. d.) und der noch in vielen Gegenden übliche Brauch, in einem Hochzeits- oder Geburtshaus alle Knoten zu lösen. Die Schamanen der Lappen und Finnen geben vor, in dieser Weise den Wind fesseln und entfesseln zu können.