Knieschwamm
(Fungus genu, Tumor albus), s. Gelenkentzündung ^[= Bezeichnung für überaus zahlreiche, in ihrem anatomischen Sitz, ihrem Ablauf, ihren Krankheitsersc ...] 4).
Knieschwamm
39 Wörter, 307 Zeichen
Medicin — Specielle Pathologie — Knochen- und Muskelkrankheiten
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Knieschwamm
(Fungus genu, Tumor albus), s. Gelenkentzündung ^[= Bezeichnung für überaus zahlreiche, in ihrem anatomischen Sitz, ihrem Ablauf, ihren Krankheitsersc ...] 4).
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Knieschwamm,
s. Knie und Gliedschwamm.
Bei Haustieren, namentlich den Rindern, ist der Knieschwamm
eine
geschwulstartige Verdickung am vordern Mittelfußgelenk («Knie»);
er entsteht durch Niederstürzen oder durch Quetschungen beim Erheben der Tiere.
Bezeichnung für überaus zahlreiche, in ihrem anatomischen Sitz, ihrem Ablauf, [* 5] ihren Krankheitserscheinungen und ihren Ausgängen verschiedene Gelenkübel. Die Gelenkentzündung des Kniegelenks heißt Gonitis, die der Hüfte Coxitis; der allen Gelenkentzündungen gemeinschaftliche Name Arthritis ist eigentlich für eine ganz bestimmte Form, die Gicht, vorbehalten, so daß die wissenschaftliche Bezeichnung meist direkt an den vorliegenden Prozeß anknüpft und von einer Gelenkhautentzündung (Synovitis) oder Gelenkzerstörung (Karies) handelt, wofern nicht besondere durch uralten Gebrauch sanktionierte Bezeichnungen, wie Tumor albus, Malum senile etc., vorliegen, deren weiter unten Erwähnung geschehen wird. - Die Ursachen, welche eine Gelenkentzündung bedingen können, wurden früher sehr einfach in die beiden Gruppen der traumatischen (Verletzungen) und rheumatischen (Erkältungen) zusammengefaßt.
Die erste Gruppe besteht unangefochten auch heute zu Recht, wir wissen, daß ein leichter Stoß gegen das ¶
Knie, ein Fall auf das Ellbogengelenk eine Entzündung hervorbringen kann, und daß zwischen diesen leichtesten Graden bis zur Zerschmetterung der Gelenke durch Sprenggeschosse oder Granatsplitter eine ununterbrochene Kette von Übergängen beobachtet wird. Die zweite Gruppe der Entstehungsursachen, die Erkältung, umfaßt zunächst eine ganz eigenartige Gelenkentzündung, den akuten Gelenkrheumatismus, welcher sich mehr und mehr als eine miasmatische Krankheit ausweist, bei welcher das Gelenk nur die Ansiedelungsstelle eines im Körper allgemein verbreiteten Giftstoffes pflanzlich-parasitischer Natur ist.
Derselbe gehört in die Gruppe der zu Kettenform aufgereihten Mikrokokken (ganz ähnlich der [* 6] Fig. 1 auf Tafel »Bakterien«) und ist, wie alle Bakterien, vermehrungsfähig. Da diese Kokken sich nicht selten an den Herzklappen ansiedeln und daselbst schwere Zerstörungen bedingen, so ist der früher immer rätselhafte Zusammenhang von Gelenkentzündung und Herzklappenfehler nunmehr verständlich. Ob durch Erkältung eines Gelenks auch für andre Bakterien, z. B. die gewöhnlichen Eiterkokken und die Tuberkelbacillen, die Möglichkeit einer Ansiedelung gegeben wird, ist noch nicht bestimmt ermittelt; jedenfalls ist die Erkältung, wo sie unzweifelhaft nachgewiesen ist, nur als prädisponierende Ursache für die Entstehung einer Gelenkentzündung zu betrachten.
Als fernere Klasse von Fällen wären dann diejenigen anzureihen, welche ursprünglich als Entzündungs- oder Neubildungsvorgänge neben dem Gelenk in den Weichteilen oder im Knochen [* 7] (z. B. Syphilis) begonnen haben und erst später auf die Gelenkteile fortgekrochen sind. Sodann bleibt noch eine umfassende Kategorie übrig, welche im weitesten Sinn als metastatische, d. h. durch Versetzung eines Krankheitsstoffes entstandene, aufgeführt werden kann. Hierher gehört die Gicht (Arthritis vera), bei der eine krankhafte Anhäufung harnsaurer Salze im Blut stattfindet und eine Entzündung durch Ablagerung dieser Salze in die Gelenkauskleidungen hervorgerufen wird.
Ferner gehören hierhin die sogen. Trippergicht und alle Arten der Gelenkentzündung, welche im Verlauf schwerer Wundkrankheiten, des Wochenbettes und ähnlicher fieberhafter Allgemeinleiden zur Beobachtung gelangen. Ihnen allen liegt (ähnlich dem Rheumatismus) die Aufnahme mikroskopischer Keime ins Blut zu Grunde, bei allen sind es diese Pilze [* 8] (Bakterien), welche als Ansiedler und als örtliche Entzündungserreger in den Gelenkhäuten vorgefunden werden. Schließlich bilden eine zusammengehörige Quelle [* 9] für Gelenkentzündungen diejenigen Ernährungsstörungen, welche im höhern Alter auftreten, besonders den knorpeligen Überzug betreffen und sich vor allen genannten durch einen besonders schleichenden Verlauf auszeichnen (Arthritis deformans).
Aus dieser Fülle ursachlicher Momente geht zur Genüge hervor, daß eine Einteilung aller Fälle weder auf Grund der Ätiologie erfolgen kann, noch daß hierzu die bloße Dauer des Übels ausreichend ist, sondern daß wir am besten das anatomisch Zusammengehörige gruppieren und so eine größere Zahl abgerundeter Krankheitsbilder vorführen werden:
1) Die Gelenkentzündung bei Eröffnung der Gelenkhöhle. Sobald durch eine Verletzung der bedeckenden Weichteile ein bis dahin gesundes Gelenk eröffnet wird, fließt die Gelenkschmiere (synovia) aus, und Luft tritt in die Höhlung ein. Dieses Ereignis wurde bis vor wenigen Jahren in der Chirurgie für ein äußerst gefährliches angesehen, da man der Anwesenheit der Luft als solcher eine sehr reizende Wirkung zuschrieb und nun alle Gefahren einer schweren Gelenkentzündung für unvermeidlich hielt. Es waren nur einzelne Fälle, bei denen kleine Schnittwunden sofort genäht wurden und zur Überraschung der Ärzte und Kranken heilten, ohne daß je eine Gelenkentzündung dabei zur Entwickelung kam.
Diese Ausnahmen wurden immer zahlreicher, seit die fäulniserregenden Keime, welche die Luft mit sich führt, als die eigentliche Schuld an den Entzündungen erkannt waren, und seit durch die Listersche Verbandmethode dem Eindringen dieser Pilze der Weg gewaltsam gesperrt werden konnte. Jetzt fallen alle diese Verletzungen in das Gebiet der Wundbehandlung, es werden bei Schuß- und Quetschwunden nur im äußersten Fall ganze Glieder [* 10] abgesetzt, vielmehr die Gelenke als einfache Höhlen behandelt, mit Karbolsäurelösungen ausgespült und ihre Heilung ohne Fieber erzielt, sofern irgend rechtzeitige Hilfe zur Stelle ist. - 2) Die Gelenkentzündung leichtern Grades bei geschlossener Gelenkhöhle, wie sie bei Stoß und Fall, bei einfachen Erkältungen und in sehr schwachen Anfällen des Gelenkrheumatismus vorkommt, hat ihren Sitz in der Auskleidungshaut (Synovialmembran) und gibt sich in einer wässerigen Ausschwitzung derselben kund.
Das Gelenk ist dabei äußerlich geschwollen, gerötet, bei Bewegungen schmerzhaft; zuweilen besteht Fieber in mäßiger Höhe. Meistens ist nur ein Gelenk leidend, beim Rheumatismus zuweilen deren mehrere (Polyarthritis rheumatica). Diese Krankheit verläuft entweder gutartig, so daß bei absoluter Ruhigstellung des Gliedes im festen Verband [* 11] die Wasseransammlung in einigen Wochen aufgesogen wird, oder sie geht durch Steigerung der Entzündung in Eiterung über, oder sie nimmt einen chronischen Charakter an. Im letzten Fall dehnt sich die Gelenkkapsel mehr und mehr aus, die Schmerzen lassen nach, und es entwickelt sich eine chronische Gelenkwassersucht (Hydrops articuli chronicus oder Hydarthrosis). Am häufigsten ist dies mehr lästige als gefährliche Übel im Knie, demnächst im Ellbogen-, Fuß- und Handgelenk lokalisiert. Am Knie nimmt die Wasseransammlung zuweilen derart zu, daß der Wassersack über die halbe Höhe des Oberschenkels hinaufreicht, daß die Gelenkflächen voneinander gedrängt werden und das Gehen absolut unmöglich wird.
Die Behandlung hat dann die Entfernung des Wassers zur Aufgabe; da dieses kaum je von selbst verschwindet, so muß es mittels eines Trokars entleert werden und zwar meistens zu wiederholten Malen. Um seine erneute Ansammlung zu verhüten, hat man reizende Flüssigkeiten, Jodlösungen oder gar Jodtinktur, in den entleerten Sack eingespritzt, um ihn zum Schrumpfen zu bringen, oder man hat diese Reizmittel äußerlich auf die Haut [* 12] gepinselt. Da das erste Verfahren nicht ohne Bedenken ist und das bloße Pinseln sehr langsam zum Ziel führt, so wendet man neuerdings bei diesem Leiden [* 13] die Knetkur (s. d.) an, welche oft in überraschend kurzer Zeit die Wasserausschwitzung gründlich zu beseitigen vermag.
3) Die eiterige hat ihren Sitz ebenfalls in der weichen, gefäßreichen Synovialhaut, stellt aber einen ungleich höhern Grad der Entzündung dar. Sie beginnt akut infolge eines schweren Gelenkrheumatismus, heftiger äußerer Quetschungen oder als metastatische Gelenkentzündung bei Tripper, Wund- oder Kindbettfiebern. Die Schwellung und Rötung nimmt bald hohe Grade an, die Schmerzhaftigkeit ist so gesteigert, daß jede Bewegung aufs äußerste empfindlich, die Lage des Gliedes nur bei völliger Erschlaffung der Kapsel, d. h. bei halber Beugung, [* 14] noch möglich ist. Das Fieber ist um so lebhafter, je größer die Gelenkfläche, von welcher die Aufnahme der Entzündungsprodukte ins ¶
Blut stattfindet. Enthält das Gelenk nur wenig Eiter, wie bei der Mehrzahl der rheumatischen Fälle, so erweist sich die von Stricker eingeführte Darreichung großer Gaben von Salicylsäure oft von überraschender Wirkung, welche örtlich nur durch ruhige Lagerung unterstützt zu werden braucht. Ist das Gelenk prall mit Eiter gefüllt (pyarthros), so muß hier wie überall, wo durch die Aufnahme zersetzter Stoffe ins Blut eine allgemeine Septichämie (Faulfieber) droht, durch Einstich für Abfluß des Eiters gesorgt werden, und die weitere Behandlung entspricht dann dem Verfahren bei großen Höhlenwunden.
Liegt der Gelenkentzündung schon ein Wundfieber oder Kindbettfieber als Ursache zu Grunde, so ist die Aussicht auf Heilung gering, der Tod tritt infolge der Gesamterkrankung beinahe unausbleiblich ein. Wird der Eiter mit oder ohne Eröffnung des Gelenks aufgesogen, ohne daß die Schwellung der Synovialhaut zurückgeht, so kann sich eine chronische Gelenkentzündung ausbilden, welche nach Monaten mit Verwachsung und Gelenksteifigkeit (s. d.) endigt. Bei diesen langwierigen Fällen sind die warmen Bäder von Teplitz, Wildbad, Gastein, Wiesbaden [* 16] und Öynhausen oft von vortrefflicher Wirkung.
4) Die chronisch beginnende fungöse Gelenkentzündung (weiße Gelenkgeschwulst, Gliedschwamm, Tumor albus). Auch diese Form nimmt ihren Ausgang von der weichen Synovialhaut; diese erfährt eine langsame Verdickung durch Bildung eines schwammigen Granulationsgewebes ohne reichlichere Eiterabsonderung, ohne Fieber und entzündliche Rötung, aber mit weißer, teigiger Schwellung der ganzen Umgebung. Der Tumor albus ist eine Krankheit jüngerer skrofulöser Personen und wird jetzt allgemein als echt tuberkulöse Gelenkentzündung betrachtet.
Anatomisch wird das Bild bald recht verwickelt, da sich nach einigem Bestehen der wulstigen Verdickung der Gelenkmembran der knorpelige Überzug der Gelenkenden beteiligt; er geht zu Grunde, aus dem bloßgelegten Knochen schießen neue Fleischwärzchen auf, welche mit den Ausfüllungsmassen der Gelenkhöhle verwachsen und Steifigkeit bedingen können oder zur tiefer greifenden Knocheneiterung (Karies) mit Knochenauftreibung, Nekrose und Fistelbildung (Arthrocace) führen.
Der Kräftezustand leidet unter dem Übel beträchtlich, und nicht selten gehen die Kranken an Abzehrung, Lungenschwindsucht, allgemeiner Tuberkulose oder Speckentartung der Unterleibsdrüsen zu Grunde. Demnach ist bei der Behandlung das Augenmerk vorwiegend auf die Erhaltung und Besserung des Ernährungszustandes zu richten, Solbäder und Waldluft sind bei Kindern besonders von Nutzen. Das Gelenk selbst ist frühzeitig durch Operation von den tuberkulös erkrankten Weichteilen zu befreien, bei beginnendem Knochenfraß (Karies) ist die Resektion vorzunehmen. Gegen die tuberkulösen Fistelbildungen ist auf dem Chirurgenkongreß 1881 eindringlich die Wundbehandlung mit Jodoform empfohlen worden.
5) Die deformierende Gelenkentzündung (Arthritis deformans oder nodosa) beginnt gleich von Anfang an in dem Knorpelüberzug und den knöchernen Gelenkenden und ist dadurch von allen vorgenannten Arten der Gelenkentzündung unterschieden. Sie ist ein Leiden des Greisenalters und heißt, da ihr gewöhnlichster Sitz im Hüftgelenk ist, auch wohl Malum senile coxae. Ohne Eiterung, ohne Gelenkschwellung und Fieber verläuft die Krankheit schleichend Jahre hindurch und gibt sich nur durch Gehstörungen kund, welche durch Abschleifung des Gelenkkopfes in seiner Pfanne bedingt werden.
Die Gestaltveränderungen der knöchernen Gelenkteile erreichen dabei oft hohe Grade, an Stelle der schwammigen Textur tritt ein Knochengewebe von elfenbeinerner Härte, aber die Synovialmembran wird nur sekundär in einen chronischen Entzündungsprozeß einbezogen. Gerade hier ist es nicht so selten, daß sich verdickte Zotten der Membran oder gewucherte knorpelige Gewebsstücke beim Bewegen ablösen und dann als freie Körper, sogen. Gelenkmäuse (s. d.), in der Höhle liegen bleiben.
Sie bewirken oft durch ihr Hineingeraten zwischen die gleitenden Flächen plötzliche schmerzhafte Störungen beim Gehen und müssen durch Einschnitt entfernt werden. Jede der früher erwähnten Formen kann später in das Krankheitsbild dieser schleichenden Gelenkentzündung übergehen, so daß die aufgezählten Übel zuweilen nach überstandenen Gelenkleiden auch vor dem Greisenalter zur Erscheinung kommen. Die Behandlung verspricht nur mäßige Erfolge. Das Gelenk muß täglich mäßig gebraucht werden, warme Bäder und passende künstliche Bandagen (Taylors Maschine) [* 17] erleichtern wesentlich die in ihren Ursachen nicht angreifbaren Funktionsstörungen.
Vgl. außer den Handbüchern der Chirurgie von Bardeleben, Pitha und Billroth, König u. a.: Hueter, Klinik der Gelenkkrankheiten (2. Aufl., Leipz. 1876-78);
v. Langenbeck, Schußfrakturen der Gelenke und ihre Behandlung (Berl. 1868);