Klinger
,
Friedrich Maximilian von, deutscher Dichter der Sturm- und Drangperiode, geboren im Februar 1752 (nicht 1753) zu Frankfurt [* 2] a. M., Sohn eines Stadtartilleristen, verlor früh seinen Vater, der die Seinigen in den dürftigsten Umständen zurückließ, half sich durch eignen Fleiß und Energie weiter und ging um 1772 nach Gießen, [* 3] um. Jurisprudenz zu studieren. Viel eifriger als mit dieser beschäftigte er sich indes mit schöner Litteratur und gewann damals die Freundschaft Goethes, den er mit den beiden Stolberg [* 4] 1775 auf der Reise nach Zürich [* 5] begleitete und später auch in Weimar [* 6] besuchte.
Nachdem er 1776 acht Monate als Theaterdichter und Sekretär [* 7] bei der Seilerschen Gesellschaft verweilt hatte, lebte er einige Zeit auf Reisen durch Deutschland, [* 8] machte sodann als österreichischer Leutnant den bayrischen Erbfolgekrieg mit und ging 1780 in russische Dienste [* 9] nach Petersburg. [* 10] Er erhielt 1780 eine Offizierstelle und zugleich den Adelsrang, ward bald darauf Hofmeister bei dem Großfürsten Paul und begleitete denselben auf einer Reise durch fast ganz Europa. [* 11] 1785 erhielt er die Direktion des adligen ¶
mehr
Kadettenkorps in Petersburg, verheiratete sich bald darauf mit einer natürlichen Tochter der Kaiserin Katharina und wurde bei
dem Regierungsantritt Pauls 1799 Direktor der Ritterakademie mit Majorsrang. In der Katastrophe, die Alexander I. auf den Thron
[* 13] hob, spielte Klinger
die Rolle des Beobachters. Alexander I. ernannte ihn in der Folge zum Generalleutnant, zum
Präsidenten der wichtigsten Departements der Militärverwaltung und zum Oberaufseher des Kadetteninstituts sowie des Fräuleinstifts
und des St. Katharinenordensstifts.
Auch erhielt er die Rente eines Kronguts in Kurland [* 14] auf Lebenszeit und wurde 1811 zum Kurator der Universität Dorpat [* 15] ernannt, welche Stelle er bis 1817 bekleidete. Im J. 1820 suchte er um Enthebung von allen seinen Ämtern nach, zog sich aber erst 1830 ganz zurück und starb in Petersburg. Von seinen dramatischen Werken, welche meist in die erste Hälfte seines Lebens fallen, heben wir hervor die Trauerspiele: »Die Zwillinge« und »Konradin«, ersteres eine Dichtung voll übersprudelnder Kraft, [* 16] Leidenschaftlichkeit und hochtragischer Elemente, letzteres hervorstechend durch energische Charakterzeichnung;
ferner das wild verworrene renommistische Schauspiel »Sturm und Drang«, von dem die ganze Epoche, in der es entstand, den Namen empfing, »Simsone Grisaldo«, »Der Günstling«;
einige Stücke, welche antike Stoffe behandeln: »Medea in Korinth«, [* 17] »Medea auf dem Kaukasus«, »Damokles« etc., sowie einige Lustspiele: »Die Spieler«, »Der Schwur«, »Die zwo Freundinnen«.
Inhaltreicher und bedeutender als die Dramen Klingers
(gesammelt als »Theater«,
[* 18] Leipz. 1786-87, 4 Bde.,
und »Neues Theater«, das. 1790, 2 Bde.)
waren seine von Rousseauschen Anschauungen erfüllten, zu gleicher Zeit derb-realistischen und philosophisch-reflektierenden
Romane: »Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt« (Petersb. 1791),
»Geschichte Giafars, des Barmeciden« (das. 1792),
»Geschichte Raphaels de Aquilas« (das. 1793),
»Reisen vor der Sündflut« (Riga [* 19] 1795),
»Geschichte eines Deutschen der neuesten Zeit« (Leipz. 1798),
»Der Faust der Morgenländer« (Riga 1797),
»Der Weltmann und der Dichter«, sein bestes Werk, in der That eine unvergängliche Leistung voll Kraft und psychologischer Feinheit (Leipz. 1798),
und »Sahir, Evas Erstgeborner
im Paradies« (das. 1798). Eine Sammlung des Besten seiner Werke hat Klinger
selbst veranstaltet (Königsb. 1809-15, 12 Bde.;
neue Ausg., Stuttg. 1842, 12 Bde.);
eine andre Auswahl erschien in 8 Bänden (Stuttg. 1878-80).
Vgl. Erdmann, Über Klingers
dramatische Dichtungen (Königsb. 1877);
E. Schmidt, Lenz und Klinger
, zwei Dichter der Geniezeit (Berl. 1878);
M. Rieger, in der Sturm- und Drangperiode (Darmst. 1880, mit vielen Briefen).