Kleidung
,
die dem
Menschen in höhern
Breiten für die
Erhaltung seiner
Gesundheit, ja seines
Lebens
unentbehrliche
Hülle, welche hauptsächlich den Wärmeaustausch zwischen unserm
Körper und den ihn umgebenden
Medien in zweckmäßiger
Weise regulieren soll. Neben diesem
Zweck diente die Kleidung
stets und überall zum
Ausdruck des sich geltend machenden individuellen
ästhetischen
Gefühls, und so sehen wir die Kleidung
bezüglich des
Materials, ihrer
Farbe und Form beständig
schnellstem und mannigfachstem
Wechsel unterworfen (s.
Kostüm),
[* 2] ohne daß immer den Anforderungen, welche die
Gesundheitspflege
an die Kleidung
zu stellen hat, Genüge geleistet worden wäre.
Die von unsrer
Haut
[* 3] abgegebene
Wärme
[* 4] wird von der Bekleidung
aufgenommen, bis zu deren Oberfläche fortgeleitet und dann an
die kältere Umgebung ausgestrahlt. Zwischen
Haut und Kleidung
befindet sich aber eine Luftschicht, und diese
nimmt zunächst die Körperwärme auf und erreicht eine
Temperatur von 24-30° C. Der
Ausgleich der großen
Differenz zwischen
der
Körpertemperatur und der
Temperatur der
Atmosphäre wird mithin durch die Kleidung
von unsrer gefäß- und nervenreichen
Haut
auf ein lebloses, unempfindliches
Stück
Zeug verlegt. Je mehr
Kleider wir übereinander anziehen, um so
mehr verlangsamt sich der Abfluß der Körperwärme, indem sich jede nach außen folgende
Hülle zu der unter ihr liegenden
verhält wie die unterste
Hülle zur
Haut.
Das
Vermögen der Kleidung
, die
Wärme zurückzuhalten, ist nun aber von der
Beschaffenheit der
Stoffe, aus welchen
sie besteht, abhängig. Zunächst kommt das Ausstrahlungsvermögen der Kleidung
sstoffe in Betracht, welches aber nach Kriegers
überraschenden Versuchsergebnissen bei den einzelnen Kleidung
sstoffen
(Wolle,
Waschleder,
Baumwolle,
[* 5]
Seide,
[* 6]
Leinwand) für dunkle
Wärmestrahlen nicht wesentlich verschieden ist und auch für leuchtende Wärmestrahlen keine großen Verschiedenheiten zeigt,
sofern die Kleidung
sstoffe gleiche
Farbe besitzen.
Bei weißen oder gleichfarbigen Kleidung
sstoffen ergeben sich nämlich für das Ausstrahlungsvermögen folgende Verhältniszahlen:
Baumwolle 100,
Leinen 98,
Flanell 102,
Seide 108. Verschieden gefärbte Kleidung
sstoffe verhalten sich aber gegen leuchtende
Wärmestrahlen ungemein verschieden. Bei
Schirting ergaben sich z. B. für
Weiß 100, Blaßschwefelgelb 102, Dunkelgelb 140,
Hellgrün 155, Dunkelgrün 168,
Türkischrot 165, Hellblau 198,
Schwarz 208. Diese
Zahlen entsprechen der
alltäglichen
Erfahrung, auffallend ist nur, daß Hellblau dem
Schwarz fast gleichwertig erscheint.
Die
Kleider können offenbar um so weniger
Wärme an die Umgebung ausstrahlen, je geringer das Leitungsvermögen der
Stoffe
ist. Es hat sich aber gezeigt, daß auch das Leitungsvermögen bei den einzelnen Kleidung
sstoffen nicht
erhebliche
Differenzen zeigt.
Krieger fand nämlich für die
Hemmung des Wärmeverlustes durch Leitung folgende Verhältniszahlen:
dünnes Seidenzeug 3,
Schirting 5, feine
Leinwand 5, dickeres Seidenzeug 6, dickere
Leinwand 9,
Waschleder 10-12,
Flanell 14,
Sommerbuckskin 12, Winterbuckskin 16-26, Doppelstoff 25-31. Mithin bildet das entscheidende
Moment bezüglich
der Leitung nicht sowohl die
Substanz als vielmehr die Form und das
Volumen (die
Dicke) des Kleidung
sstoffs.
Dies zeigte besonders auch ein Versuch, bei welchem Watte in lockerm und in platt gedrücktem Zustand miteinander verglichen wurde. Bei der zusammengepreßten Watte steigerte sich der Wärmeverlust um 40 Proz. Hiermit steht im Einklang die Erfahrung, daß neuwattierte Kleider wärmer halten als bereits getragene. Es erklärt sich hieraus aber auch die durch Versuche bestätigte Erfahrung, daß ein zweites Kleid über dem ersten den Wärmeverlust sehr stark herabmindert.
Eine zweite
Hülle, welche von der ersten um 0,5-1
cm absteht, bewirkt eine starke, aber für die verschiedenen
Kleidung
sstoffe auch wieder ziemlich gleich starke
Hemmung des Wärmeabflusses. In
Prozenten ausgedrückt beträgt nämlich
die Verlangsamung bei
Leinwand 32,
Schirting 33,
Seide 32,
Flanell 29,
Waschleder 30 Proz. Von größter Wichtigkeit ist nach
diesen
Versuchen die in unsrer Kleidung
eingeschlossene Luftmenge, und es ergibt sich als höchst belangreich
für unser Wohlbefinden, daß die Kleidung
den Luftwechsel in angemessener
Weise reguliert.
Von allen Stoffen ist der Flanell am luftigsten. Setzt man seine Durchgängigkeit = 100, so beträgt dieselbe unter fast gleichen Verhältnissen bei mittelfeiner Leinwand 58, Seidenzeug 40, Buckskin 58, Glaceeleder 1 und bei sämischgarem Leder 51. Nun ist bekannt, daß ein wollenes Gewebe [* 7] von der Lockerheit des Flanells bei bewegter Luft wenig wärmt, offenbar weil der Luftwechsel zu stark ist, daß aber ein überraschend stärkerer Effekt erreicht wird, wenn man den lockern Flanell mit einer auch nur dünnen Schicht eines wenig durchlässigen Stoffes verbindet.
Die
Ventilation in der Kleidung
muß so reguliert werden, daß der
Körper sich in windstiller
Luft befindet;
aber der Luftwechsel soll nicht völlig gehemmt werden wie durch die wasser- und luftdichten Kleidungsstoffe, die uns unerträglich
sind, weil sie die
Ausdünstung verhindern und die den
Körper umgebende
Luft sich mit
Feuchtigkeit sättigen lassen. Die
Feuchtigkeit
der in der Kleidung eingeschlossenen
Luft ist von großem Einfluß auf den Gesamteffekt, den die Kleidung hervorbringt.
Ein auf dem nackten Körper unter der Kleidung getragenes Hygrometer ergibt einen Taupunkt von 25°, und dabei befinden wir uns wohl, während eine Luft, deren Taupunkt bei 19° liegt, beim Einatmen schon die Empfindung der Schwüle hervorbringt. Man kann im Zimmer leicht durch Verdampfen von Wasser eine schwüle Luft hervorbringen und wird dann bei 20° über drückende Hitze klagen, während man in trockner und bewegter Luft ein Kältegefühl empfinden kann. Steigt unter unsrer Kleidung die Temperatur auf 32-35°, und sättigt sich die Luft dabei mit Feuchtigkeit (Verhältnisse, die unter einem Gummimantel sehr leicht eintreten können), dann fühlen wir uns sehr unbehaglich und empfinden erst Erleichterung, wenn die Ventilation in der Kleidung wiederhergestellt wird.
Unsre Kleidungsstoffe sind in sehr verschiedenem Grad befähigt, Wasserdampf aus der Atmosphäre aufzunehmen. Flanell absorbiert im Maximum 175, im Minimum 75 pro Minute, Leinwand nur 111, resp. 41 pro Minute. Dagegen bindet und verliert Leinwand das Wasser viel schneller als Wolle. Je hygroskopischer die Kleidung ist, um so abhängiger sind wir von der relativen Feuchtigkeit der atmosphärischen ¶
mehr
Luft, und es ist bekannt, wieviel mehr wir in naßkalter Luft frieren als in trockenkalter. Hier kommt das große Wärmeleitungsvermögen des Wassers und die durch Aufnahme des Wassers verminderte oder völlig unterdrückte Durchlässigkeit der Kleidung für Luft in Betracht. Die Schnelligkeit, mit welcher die Luft in dem Kleidungsstoff vom Wasser verdrängt wird, hängt einerseits von der Adhäsionsfähigkeit des Wassers zu dem bezüglichen Stoff, anderseits von der letzterm zukommenden spezifischen Elastizität ab. Nun ist im feuchten Zustand die Faser der Leinwand, Baumwolle und Seide viel weniger elastisch als im trocknen, während die Wollfaser im nassen wie im trocknen Zustand von gleicher Elastizität ist.
Die Undurchgängigkeit für Luft durch Benetzung wird daher bei Leinwand, Baumwolle und Seide sehr schnell, bei Schafwolle sehr schwer und vollständig fast niemals erreicht. Wir erkälten uns daher viel weniger, wenn wir in Wolle, als wenn wir in Leinwand und Seide gekleidet sind, während letztere vorzügliche Dienste [* 9] leisten, wo wir die Haut möglichst kühl zu erhalten wünschen. Nasse Leinwand verdunstet ihr Wasser viel schneller als nasse Wolle. Von 1000 Teilen Leinwand werden verdunstet in den ersten 75 Minuten 511 Teile Wasser, von 1000 Teilen Wolle 456 Teile Wasser, hingegen in den folgenden 30 Minuten von Leinwand 130, von Wolle aber noch 148 und in weitern 30 Minuten von Leinwand 44, von Wolle 115 Teile. Der Trocknungsprozeß ist bei Wolle ein gleichmäßigerer als bei Leinwand und mithin auch die Bindung der Verdunstungswärme. Alle diese Verhältnisse erklären hinlänglich das außerordentlich verschiedene Verhalten des Körpers in wollenem und in leinenem Hemd und sprechen auch für den Sommer zu gunsten des erstern.
Die Absorptionsfähigkeit der Kleidung für Gase [* 10] ist bei tierischen Stoffen größer als bei vegetabilischen und am größten bei Seide. Aber auch die Faser übt einen Einfluß aus. Schwarze und dunkelblaue Stoffe absorbieren am reichlichsten, weiße am schwächsten, und dazu halten die schwarzen Stoffe z. B. üble Gerüche am hartnäckigsten fest. Schließlich kommt hierbei auch die hygroskopische Beschaffenheit in Betracht, insofern feuchte Stoffe reichlicher Gase absorbieren als trockne, und endlich die Oberflächenbeschaffenheit, da die Absorptionsfähigkeit bei jedem Material bei rauhen Stoffen größer ist als bei glatten.
Hat man also Gefahren durch Aufnahme von Gasen zu fürchten, dann sind glatte Kleidungsstoffe aus vegetabilischen Substanzen zu wählen. Bei gefärbten Kleidungsstoffen können durch Benutzung giftiger Farben Gefahren entstehen. Es kommen hierbei besonders Arsen, Antimon, Blei [* 11] und Zink in Betracht. Besonders gefährlich sind Kleidungsstoffe, denen die giftige Farbe nur mechanisch anhaftet, so daß sie beim Tragen der Kleider abstäubt. Zink- und Antimonverbindungen können auf der Haut Geschwüre und Ausschläge erzeugen, und auch manche Teerfarben scheinen ähnlich zu wirken. Nach den Vereinbarungen der bayrischen Chemiker sind die genannten Metalle für die Verwendung auf Kleidungsstoffe ausgeschlossen, es ist aber nicht möglich, die Anwendung unschädlicher Farbstoffe nur dann zu gestatten, wenn sie absolut frei von schädlichen Metallen ist, und es ist deshalb zulässig, daß 100 qcm von Kleidungsstoffen 0,002 g Arsen oder Antimon enthalten, aber nur in im Wasser unlöslicher Form. - Über die Geschichte der Kleidung s. außer den Spezialartikeln den Artikel Kostüm; über die Kleidung der Geistlichen s. Klerus.