Klavierspiel
,
die Kunst, auf dem
Klavier zu musizieren. Sie zerfällt in einen technischen und
einen allgemeinen musikalischen
Teil. Die
Technik des Klavierspiel
bezweckt, die Finger,
Hände,
Arme und die
Gelenke und
Muskeln
[* 2] derselben
so zu üben, daß sie sich auf der
Klaviatur
[* 3] (s. d.) mit
Freiheit und Sicherheit bewegen. Die Anforderungen an die
Technik des
Klavierspiel
haben sich seit drei Jahrhunderten im gleichen Schritt, in dem der Klavierbau den
Umfang und die Klangfülle der
Instrumente
weiter bildete, fortwährend gesteigert.
Die Studienwerke zur Ausbildung in der Klaviertechnik sind zahlreich und mannigfaltig. An der Etüdenlitteratur haben mehrere Jahrhunderte gearbeitet und Meister wie Seb. Bach und Beethoven beigetragen. Sie enthält Arbeiten, die sich, wie die von C. Czerny, auf die Erziehung der Finger beschränken; in ihrem größern Teile besteht sie aus Kunstwerken, die sich an Geist und Herz der Spieler wenden. Kein anderes Instrument besitzt solche geistvolle Studienwerke wie das Klavier in dem «Gradus ad Parnassum» von Clementi, in den Etüden von Cramer, Moscheles, Chopin, zum größten Teil Kunstwerken von hohem Wert. Die neuere Zeit hat den die Erlernung der Klaviertechnik dienenden Werken noch eine Klasse hinzugefügt, in der mit Verzicht auf künstlerische Fassung das ganze technische Pensum auf eine Reihe von Grundformen zurückgeführt wird. Bekannte Arbeiten dieser Art sind die «Technischen Studien» von L. Plaidy und von Bruno Zwintscher.
Den zweiten und höhern
Teil in der Kunst des Klavierspiel
bildet die Beherrschung des Vortrags. Die Leistungsfähigkeit hierin beruht
in erster Linie auf allgemein menschlichen und künstlerischen Fähigkeiten: auf der angeborenen poet. Begabung, auf
Tiefe,
Feinheit der Empfindung, auf
Stärke
[* 4] der
Phantasie, auf der Vornehmheit des
Geschmacks, auf Charakter und
allgemeiner
Bildung. Die Etüdenlitteratur nimmt auch auf diesen
Teil des Klavierspiel
Bezug.
Aufgaben, die den Vortrag angehen, finden
sich überall. Dagegen sind wir arm an Unterrichtswerken, die diesen
Teil des Klavierspiel
umfassend und systematisch behandeln. Das
bedeutendste ist des
Hamburger
Phil. Em.
Bach, «Versuch über die wahre Art, das
Klavier zu spielen» (2
Tle.,
Berl. 1759‒62; 3. Aufl., Lpz. 1787‒91).
Ihm steht, auch zeitlich, Türks «Anleitung zum Generalbaßspielen»
(Halle
[* 5] 1791; 4. Aufl. 1824) nahe.
Das 19. Jahrh. hat aber, und nicht bloß in der Klaviermusik, die Kunst des Vortrags als Lehrgegenstand vernachlässigt und sich daran gewöhnt, diese Kunst als das Geheimnis bevorzugter Geister zu betrachten. Erst die Arbeiten H. Riemanns zur «Phrasierungslehre» beginnen einen Wandel zum Bessern vorzubereiten. –
Vgl. C. F. Weitzmann,
Geschichte des Klavierspiel
(2. Aufl., Stuttg. 1879);
O. Paul, Geschichte des Klaviers (Lpz. 1868);
Werkenthin, Die
Lehre
[* 6] vom Klavierspiel
(3 Bde., Berl.
1889).