Kinderschutz
,
der Inbegriff staatlicher, gesetzlich geregelter und privater, der öffentlichen Wohlthätigkeit entsprungener Maßnahmen zum sanitären Schutz unmündiger und zur Erhaltung schwächlicher Kinder. Die Gesetzgebung hat sich zuerst mit der Tötung des Embryos (s. Abtreibung der Leibesfrucht), mit der Tötung des Neugebornen (s. Kindesmord), mit der absichtlichen Verwechselung und Unterschiebung und mit der Aussetzung (s. d.) von Kindern zu beschäftigen.
Der weitere Schritt betrifft die Sorge für die ausgesetzten und die verwaisten Kinder (s. Findelhäuser, Waisenhäuser) und die Regelung des Ammenwesens sowie der sogen. Pflege- und Haltekinder. Die außerordentlich hohe Sterblichkeit dieser Kinder, bei deren Tode das Interesse gewissenloser Mütter und Kostfrauen Hand [* 2] in Hand geht, hat letztern den Namen Engelmacherinnen (s. d.) eingetragen. In Deutschland [* 3] nimmt eine Novelle zur Gewerbeordnung vom die Erziehung von Kindern gegen Entgelt ausdrücklich von der Gewerbefreiheit aus. Von 20,000 Pflegekindern, welche Paris [* 4] jährlich in die Provinzen sendet, sterben im ersten Lebensjahr 75 Proz., während für ganz Frankreich das Sterblichkeitsverhältnis des ersten Lebensjahrs im Durchschnitt 20-21 Proz. beträgt.
Einer der wichtigsten Zweige der öffentlichen Gesundheitspflege ist die Schulhygieine, welche sich hauptsächlich mit den gesundheitsgemäßen Einrichtungen der Schulen beschäftigt. In allen Kulturstaaten ist gegenwärtig der Schutz der Kinder in den Fabriken und andern gewerblichen Etablissements gesetzlich geregelt (s. Fabrikgesetzgebung), auch bestehen überall Kinderspitäler oder wenigstens in großen Krankenhäusern eigne Abteilungen für Kinder.
Das erste derartige
Spital wurde zu Anfang des 18. Jahrh. zu
London,
[* 5] das zweite 1802 zu
Paris gegründet, dem dann
das Rudolfspital in
Wien
[* 6] folgte. Bei dem Kinderschutz
läßt aus mehrfachen
Gründen die
Gesetzgebung größere
Lücken als auf andern
Gebieten und gewährt der freiwilligen Mildthätigkeit, die sich mehr mit dem einzelnen
Individuum und seinem Wohlergehen
beschäftigen kann, weiten Spielraum. In
Hamburg,
[* 7]
Frankfurt,
[* 8]
Danzig
[* 9] und andern
Städten sind
Vereine zur privaten
Beaufsichtigung und Regelung des Haltekinderwesens gegründet worden, haben aber im allgemeinen unzureichende Erfolge gehabt.
Sehr wohlthätig haben sich überall die
Krippen erwiesen, welche die
Aufnahme, Verpflegung und Beaufsichtigung der
Kinder tagsüber
beschäftigter Mütter bezwecken.
Ihnen schließen sich die Warteschulen oder Kleinkinderbewahranstalten an, welche, von Wilderspin in London ins Leben gerufen, die Beaufsichtigung, Erziehung und körperliche Pflege solcher kleinen Kinder bezwecken, deren Eltern tagsüber auf Arbeit gehen. Ganz armen Kindern wird auch wohl unentgeltlich oder gegen geringes Entgelt Mittagskost gegeben. Andre Vereine suchen durch Unterstützung und Belehrung der Eltern in ihrer Häuslichkeit sowohl vom moralischen als auch vom gesundheitlichen Standpunkt aus auf das Los der Kleinen helfend und fördernd einzuwirken. Erwähnung verdienen auch die Fröbelschen Kindergärten, welche freilich in erster Linie nur die Beschäftigung der Kinder im Auge [* 10] haben, und die Kinderhorte (s. d.). Für kranke Kinder hat man in den Kinderheilstätten (s. d.) segensreiche Einrichtungen getroffen, denen sich die Sanatorien und Rekonvaleszentenhäuser und das Institut der Ferienkolonien ¶
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(s. d.) anschließen.
Vgl. Lammers, Öffentliche Kinderfürsorge Berl. 1887).