(Infans), im engern
Sinn derMensch von seiner
Geburt bis zu seiner geschlechtlichen
Entwickelung (s.
Pubertät); im
weitern
Sinn derMensch sowohl während dieser
Periode als im ungebornen Zustand (s.
Embryo). Das Ende der Kindheit (infantia,
aetas infantilis) ist aus dem
Grund nicht genau zu bestimmen, weil die
Pubertät (s. d.) bei dem einen
Individuum früher als bei dem anderen eintritt. Man kann folgende
Abschnitte des Kindesalters unterscheiden: das
Alter des
Neugebornen, die ersten 5-6
Tage nach der
Geburt bis zum
Abfall der Nabelschnur
in sich begreifend;
das
Alter des
Säuglings, bis
zum 9. oder 12. Lebensmonat reichend und mit dem
Entwöhnen des Kindes endigend;
das eigentliche Kindesalter,
vom 1.-7. Lebensjahr, wo der Zahnwechsel beginnt;
Ein
neugebornes, reifes Kind hat durchschnittlich eine Körperlänge von 45-50
cm und ein
Gewicht von 3-3,5 kg.
Alle Teile des
Körpers sind gehörig voll und abgerundet. Die
Nägel
[* 2] sind hornartig und ragen an den
Fingern über die
Spitzen
hervor. Die
Ohren sind
hart und knorpelig, die
Brüste gewölbt, die Brustwarzen etwas hervorstehend. Der
Hodensack ist gerunzelt,
und in demselben befinden sich gewöhnlich die
Hoden. Der
Kopf ist mit
Haaren bedeckt, an denAugen sieht
man
Augenbrauen und
Wimpern. Das
Gesicht
[* 3] ist im
Verhältnis zum Schädelgewölbe sehr klein und niedrig, die
Nase
[* 4] klein,
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mehr
kurz; die Nasenhöhlen
[* 6] sind eng, die Kinnladen sehr niedrig, die Augen groß, die Kopfknochen in den Nähten schwach beweglich.
Der Kopf ist verhältnismäßig groß und sitzt auf einem dünnen, kurzen Hals. Die Bauchhöhle ist verhältnismäßig länger
als der Brustkasten. Die Gliedmaßen sind im Verhältnis zum Rumpfe von geringerm Umfang, Hände und Füße
verhältnismäßig klein und kurz. Bei einem zu früh gebornen Kind sind die Gliedmaßen schmächtig, welk, mager; die Haut
[* 7] ist
nicht gleichmäßig über den Körper gespannt, sondern faltig, runzelig, rot und mit Wollhaaren besetzt.
Der Kopf ist auffallend groß im Vergleich zum übrigen Körper; seine Knochen
[* 8] sind nicht fest, Fontanellen
und Nähte weit, die Kopfhaare weiß, fein, zart, die Ohren dünn, häutig, am Kopf anliegend. Die Hoden sind gewöhnlich nicht
im Hodensack. Gewicht und Länge richten sich nach dem Fruchtmonat, in dem das Kind geboren, sind aber selbstverständlich geringer
als die oben angegebenen Gewichte und Maße. Der beginnende Atmungsprozeß ist nach erfolgter Geburt des
Kindes das wichtigste Zeichen des neuen Lebens.
Durch das erste Atmen erweitert sich der Brustkasten, die Rippen treten weiter auseinander, der Durchmesser der Brust von vorn
nach hinten wird vergrößert, die beiden Seiten des Brustkastens heben sich und erscheinen in einem größern Bogen,
[* 9] die
ganze Brust wird mehr gewölbt. Das Zwerchfell drängt sich gegen die Bauchhöhle, wodurch es den Anschein
gewinnt, als atmete das Kind vorzugsweise mit dem Bauch.
[* 10] Die bei dem Fötus sehr kleinen Lungen werden bei kräftigem Einatmen
in wenigen Minuten von Luft angefüllt, das Parenchym der Lungen wird dadurch aufgelockert und bedeutend
vergrößert, die dunkel blaurote Färbung der Lungen der Frucht verwandelt sich in eine hell zinnoberrote.
Die Lungen bleiben, wenn die Respiration erfolgt ist, auch nach dem Tode des Kindes von der Luft ausgedehnt, wodurch sie spezifisch
leichter werden, so daß sie auf dem Wasser schwimmen. Die Lungen von Kindern, die nicht geatmet haben,
sind spezifisch schwerer als Wasser. Auch der Blutumlauf bekommt mit der Respiration eine andre Richtung. Sobald das Kind geatmet
hat, verkündet dasselbe gewöhnlich durch lautes Schreien sein Dasein. Zu früh geborne Kinder geben in der Regel nur einen
wimmernden Ton von sich, und dies um so mehr, je kürzer der Termin der Schwangerschaft ist, in welchem
sie geboren worden sind. Bald nach dem ersten Schreien schläft das ein und schläft, wenn es gesund ist und keine äußere
Störung eintritt, so lange fort, bis es Bedürfnis nach Nahrung empfindet.
Wenn das Kind zur Welt kommt, ist es mit einer zarten, fettigen, gelblichen, seifenartigen Schmiere (Kindsschleim,
smegma, Vernix caseosa) überzogen, namentlich reichlich in den Weichen, in den Achselhöhlen, in den Kniebeugen, hinter den
Ohren etc. Dieselbe besteht aus einem innigen Gemenge von Hauttalg und Oberhautzellen. Die rötliche Färbung der Haut der Neugebornen
nimmt in den ersten Tagen nach der Geburt nach und nach ab und geht häufig allmählich in eine gelbliche,
selbst gelbe über.
Die Epidermis
[* 11] ist kurz nach der Geburt zart, weich, sehr wenig fest, wird aber bald trocken und exfoliiert sich. Der an dem
Kind gebliebene Rest der Nabelschnur fängt gewöhnlich schon 12-18 Stunden nach der Geburt an, welker zu
werden, und trocknet allmählich ein. Nach vollständiger Vertrocknung, zwischen dem 4. und 6. Tag, stößt sich der Nabelstrangrest
vom Nabel des Kindes los. Bald nach der Geburt und bis zum 3. Tag entleert das Kind eine grünlich- oder bräunlichschwarze Masse,
das sogen. Meconium oder Kindspech (s. d.). Der Urin, der anfangs wasserhell und von ganz schwachem Geruch
ist, nach und nach aber mehr gefärbt und konzentrierter erscheint, wird gewöhnlich in kurzen Zwischenräumen entleert.
Die Muskeln
[* 12] des Neugebornen sind noch sehr wenig entwickelt, weshalb seine Bewegungen sehr beschränkt sind; nur die zum Saugen
dienenden Muskeln sind vollkommen ausgebildet. Das Knochensystem ist noch sehr unvollkommen. Die Epiphysen
der Röhrenknochen bestehen noch aus Knorpeln und die meisten platten Knochen aus mehreren Stücken, zwischen welchen sich noch
Knorpelmasse befindet. Die Knochenmasse selbst ist noch weniger kompakt und viel gefäßreicher als beim Erwachsenen.
Die Kopfknochen sind wenig ausgebildet, bestehen teilweise noch aus mehreren Stücken und haben die Fontanellen
und Nähte zwischen sich, woher es kommt, daß die Knochenränder, die nicht, wie bei dem Erwachsenen, gezahnt sind, sich
nicht berühren. Wo die Stirn-, die Kronen- und die Pfeilnaht zusammentreffen, bildet sich ein viereckiger Raum, der gewöhnlich
so groß ist, daß er mit zwei Fingerspitzen bedeckt werden kann, und den man die große oder vordere
Fontanelle nennt. Wo die Pfeilnaht und die Hinterhauptsnaht zusammentreffen, wird ein kleiner, dreieckiger knochenfreier Raum
gebildet, welchen man die kleine oder hintere Fontanelle nennt.
Die knochenfreien Stellen zwischen dem Seitenwandbein, dem Keil- und Schläfenbein und die zwischen dem Hinterhaupts-,
dem Schläfen- und Seitenwandbein auf jeder Seite nennt man Seitenfontanellen. Die Beckenknochen bestehen bei dem neugebornen
Kind aus drei Stücken, dem Hüftbein, dem Sitzbein und dem Schoßbein. Diese drei Stücke sind durch Knorpel
[* 13] miteinander verbunden
und vereinigen sich da, wo die Pfanne liegt. Das Gehirn
[* 14] des Neugebornen ist weicher als bei dem Erwachsenen.
Die Hirnhäute sowohl als das Gehirn sind äußerst reich mit Blutgefäßen versehen. Im ganzen besitzt das neugeborne Kind verhältnismäßig
weit mehr Gehirnmasse als der Erwachsene. Das Rückenmark und die einzelnen Nervenfäden sind ebenfalls verhältnismäßig
stärker als bei dem Erwachsenen. Die einzelnen Sinne sind bei dem neugebornen noch höchst wenig ausgebildet.
Am meisten scheint der Geschmackssinn entwickelt zu sein, denn gleich nach der Geburt gibt das Kind unverkennbare Merkmale,
daß es Dinge durch den Geschmack unterscheiden kann.
Das Gefühl wird durch die neuen Reize (Luft, Licht,
[* 15] Wärme
[* 16] etc.), die auf das eben geborne Kind einwirken, vielfach angeregt
und schnell entwickelt. Wohl- und Übelgeruche unterscheidet das neugeborne Kind nicht. Auch der Gehörssinn des neugebornen
Kindes scheint völlig unentwickelt zu sein, denn es gibt selbst bei großem Geräusch kein Zeichen der Wahrnehmung, obgleich
das Trommelfell bei ihm sehr oberflächlich liegt. Der Gesichtssinn ist ebenfalls noch nicht entwickelt.
Die Regenbogenhaut aller Neugebornen hat eine dunkelblaue Färbung. Hinsichtlich der Nahrung ist das neugeborne
Kind ganz auf die Mutterbrust angewiesen, für die es in der künstlichen Auffütterung (s. d.) nur einen notdürftigen Ersatz
findet. Auch nach der Entwöhnung verlangt das Kind vorzugsweise noch Milchnahrung, und nur allmählich ist ein Übergang
zu Fleisch, Brot
[* 17] und Gemüse zu machen; stets aber muß diese Kost mild, reizlos, nahrhaft und leichtverdaulich
sein. Das Gewöhnen an Regelmäßigkeit im Essen,
[* 18] das Aufhalten in reiner, warmer, freier Luft, das Schlafen in luftigen und
lichten Räumen, die Übung der Sinne, Sprache
[* 19] und Bewegungen,
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eine ganz allmählich steigende Abhärtung sind die Hauptmomente der physischen Erziehung des Kindes. Die weitere Entwickelung
des Kindes s. Alter.
1) JohannFriedrich, Dichter und Schriftsteller, geb. zu Leipzig,
[* 22] studierte daselbst Rechtswissenschaften,
ließ sich 1793 als Rechtsanwalt in Dresden
[* 23] nieder, entsagte aber 1814 der juristischen Praxis, um sich
ungestört seiner schriftstellerischen Thätigkeit widmen zu können. Er starb in Dresden. Unter seinen belletristischen
Arbeiten fanden seine Novellen und Erzählungen bei ihrer plattromantischen Darstellungsweise, wie: »Natalia« (Züllichau 1802-1804, 3 Bde.),
»Lindenblüten« (das. 1819, 4 Bde.)
u. a., vielen Beifall. Auch von seinen dramatischen Dichtungen (»Theaterschriften«, Leipz. 1821-27, 4 Bde.)
hielten sich einige, wie »Wilhelm der Eroberer«, »VanDycks Landleben« etc., längere Zeit auf der Bühne.
Am meisten Glück aber machten seine Operntexte: »Das Nachtlager von Granada«
[* 24] (von Kreutzer komponiert),
»Der Holzdieb« (Musik
von Marschner) und besonders der durch M. v. WebersMusik unsterblich gemachte »Freischütz« (mit Briefen des Komponisten herausgegeben,
Leipz. 1843). 1815 gab Kind Beckers »Taschenbuch zum geselligen Vergnügen« heraus; 1817-26 besorgte er mit
Winkler (Th. Hell) die Redaktion der »Abendzeitung«, später auch eine Zeitlang
die der »Dresdener Morgenzeitung«. Kinds »Gedichte« (Leipz. 1808, 5 Bde.; 2. Aufl.,
das. 1817 bis 1825) trugen durchaus das Gepräge schwächlicher Nach- und Anempfindung, welches
nahezu allen Dichtern des Dresdener Abendzeitungskreises eigen war.
2) KarlTheodor, neugriech. Philolog, geb. zu Leipzig, studierte daselbst die Rechte, ließ sich 1824 als
Advokat nieder, war 1835-46 Mitglied der Juristenfakultät, dann mit dem TitelJustizrat bis 1856 Mitglied des Spruchkollegiums
und starb in Leipzig. Neben der juristischen Praxis beschäftigte ihn seit 1821 insbesondere
das Studium der neugriechischen Sprache, um deren allgemeine Kenntnis er sich wesentlich verdient gemacht hat. Von seinen hierher
gehörigen Schriften nennen wir: »NeugriechischeVolkslieder im Original und mit deutscher Übersetzung« (Grimma
[* 25] 1827);
3) KarlGotthelf, Techniker, geb. zu Linde bei Freiberg
[* 26] in Sachsen,
[* 27] war mit 13 Jahren Bergarbeiter, beteiligte
sich zu Anfang der 20er Jahre an Bohrversuchen bei Pegau und an einigen andern Orten und stellte als Bohrmeister in Stotternheim
bei Erfurt
[* 28] unter den größten Schwierigkeiten zwei
Bohrlöcher her. 1835 unternahm er die ersten Seilbohrversuche nach der
Methode der Chinesen. Seit 1836 arbeitete er in Luxemburg,
[* 29] erreichte bei Cessingen die größte damals bekannte
Tiefe von 535 m und wandte bei Echternach an der Sauer zuerst hölzerne Bohrstangen und Freifallbohrer an. 1848 faßte er die
Idee, sein verbessertes Bohrverfahren zum Abteufen sehr weiter, fahrbarer Bohrlöcher (Schächte) zu verwenden, und erzielte
in Schöneken bei Forbach
[* 30] mit einem 4,15 m weiten Bohrloch die günstigsten Erfolge.
In der Folge führte er mit Chaudron nach einem verbesserten Verfahren mehrere sehr weite Bohrungen aus. 1855-61 erbohrte er
einen artesischen Brunnen
[* 31] in Passy bei Paris,
[* 32] der pro Stunde 1300 cbmWasser lieferte. Seit 1868 lebte Kind zurückgezogen auf seinem
Gute »die goldene Bremm«, am Fuß der Spicherer Höhen, und starb hier Seine durchgreifendsten
Verbesserungen und Erfindungen waren: das Bohren mit hölzernen Stangen, der Freifallbohrer, der Erweiterungs- oder Nachnahmebohrer,
Versicherungen, durch welche vorkommende Bohrerbrüche sogleich erkannt und mit zu Tage gefördert werden können, Schachtbohrer
und Mittel zur Wasserdichtmachung der abgebohrten Schächte. Er schrieb: »Anleitung zum Abteufen der Bohrlöcher«
(Luxemb. 1842).
(infans), das menschliche Individuum von seiner Geburt an bis zum Eintritt der geschlechtlichen Entwicklung. Das
Kind es alter oder die Kindheit (infantia, aetas infantilis) läßt sich in mehrere Abschnitte oder Epochen
einteilen, in das Alter des Neugeborenen, die ersten 6-8 Tage nach der Geburt bis zum Abfall der Nabelschnur umfassend, in das
Säuglingsalter, die ersten 9-12 Monate in sich begreifend und bis zum Entwöhnen
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des Kindes von der Mutterbrust reichend; in das eigentliche Kindesalter vom Zahnausbruch bis zum Zahnwechsel (Milchzahnperiode,
vom Ende des 1. bis zum 7. Jahre), und in das Knaben- und Mädchenalter, vom Zahnwechsel bis zur Pubertätsentwicklung, die
in Mitteleuropa bei Knaben um das 16. bis 18. Jahr, bei Mädchen schon um das 14. bis 16. Jahr erfolgt.
(S. Pubertät.)
Mit der Geburt des Kind tritt eine völlige Umgestaltung der Lebensthätigkeit ein. Während der Fötus das Ernährungsmaterial
vom mütterlichen Organismus fertig zugeführt erhält, beginnt beim Neugeborenen mit dem Moment der Geburt die selbständige
Respiration sowie die mit der Unterbrechung des Placentarkreislaufs gegebene Umgestaltung des gesamten
Kreislaufs, und die selbständige Ernährung durch Nahrungsaufnahme in den Verdauungskanal, Verdauung und Aufsaugung der Nahrungsstoffe.
Ferner befindet sich das geborene Kind nicht mehr in einem gleichmäßig warmen Raume von der Temperatur seines eigenen Körpers,
sondern es muß für die Regulierung zwischen der Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe selbst sorgen. Die
für das Leben wichtigen Organe haben im Neugeborenen, welcher im Durchschnitt eine Körperlänge von 50 cm und ein Gewicht
von 3 bis 3,5 kg besitzt, bereits eine hohe Ausbildung erlangt. Das Gehirn und Rückenmark beträgt ein Achtel bis ein Siebentel
des Körpergewichts, beim Erwachsenen nur ein Fünfundvierzigstel; das Herz, die Leber sind gleichfalls
verhältnismäßig größer, während die untergeordnetern Organe (Muskulatur, Extremitäten u. s. w.)
noch weit zurückgeblieben sind; die Herzthätigkeit ist sehr lebhaft, im Durchschnitt macht das Herz 140 Schläge in der Minute.
Einzelne Verdauungsorgane zeigen sich noch nicht so ausgebildet wie bei ältern Individuen; so sind z. B.
die Speicheldrüsen noch nicht in Thätigkeit; es werden noch keine Stärkemehl verdauenden Fermente gebildet.
Den Sinnesorganen (Gesicht, Gehör)
[* 34] fehlt die nötige Übung; am meisten entwickelt scheint noch der Geschmackssinn zu sein.
Das Blut des Neugeborenen ist reicher an festen Bestandteilen, besonders an Blutkörperchen,
[* 35] Eisen
[* 36] und Extraktivstoffen, als
das der Erwachsenen, dagegen ärmer an Fibrin und Salzen; seine Gesamtmenge beträgt nur ein Neunzehntel,
nicht wie beim Erwachsenen ein Dreizehntel des Körpergewichts. Das Körperwachstum ist in der ersten Lebenszeit nach der
Geburt am lebhaftesten. Im ersten Jahre verdreifacht sich das Körpergewicht (bis auf 10 kg), sodaß es später nie mehr
um so viel zunimmt.
Die geistige Thätigkeit des Neugeborenen ist auf das geringste Maß beschränkt; es giebt nur Zeichen
des Behagens und Unbehagens von sich. Erst etwa von der 10. Woche an schenkt das Kind einzelnen Gegenständen seine
Aufmerksamkeit, und vom 5. bis 6. Monat an erkennt es seine Umgebung mit Sicherheit. Im 6. bis 9. Monat
treten die ersten Zähne
[* 37] Milchzähne) auf (s. Zahn und Zahnen der Kinder). Um das Ende des 1. oder im Anfange des 2. Jahres sind
die Kind im Gebrauch ihrer Muskeln so weit fortgeschritten, daß sie allein stehen können und Gehversuche machen; um die Mitte
des 2. Jahres lernt auch das Kind allmählich seine Sprechorgane gebrauchen.
Das Wachstum ist noch lebhaft, das Knochensystem noch unvollkommen entwickelt, die Enden (sog. Apo- oder Epiphysen) der langen
Röhrenknochen noch durch Knorpel mit dem Mittelstück, der sog. Diaphyse, verbunden; ebenso bestehen die
meisten platten
Knochen (Becken, Kopfknochen) aus mehrern durch Knorpelmasse verbundenen Stücken. Der Stoffumsatz ist bei
den Kind während der ganzen Wachstumsperiode bedeutender als bei dem Erwachsenen für gleiches Körpergewicht.
Allen Fleiß und die größte Sorgfalt hat man auf die Ernährung und körperliche Reinhaltung des Kind zu richten, und den verkehrten
Maßregeln in dieser Hinsicht ist es zum Teil zuzuschreiben, daß von 100 Kind 25 vor Erreichung des ersten
Lebensjahres sterben. Die beste Nahrung für das Kind ist die Milch der Mutter; bei Ammenmilch gedeihen die Kind schon weniger
gut, indes viel besser noch als bei künstlicher Ernährung. (S. Kinderernährung.) Geringe Verdauungsstörungen verursachen
leicht Durchfälle, und diese erweisen sich den Kind höchst mörderisch.
Mangelhafte Ernährung führt auch oft Knochenkrankheiten (Englische Krankheit),
[* 38] Skrofulose sowie Tuberkulose herbei. Werden die
Kind unsauber gehalten, so bekommen sie leicht Hautausschläge, selbst Hautgeschwüre; Feuchtigkeit in den Hautfalten (Schenkelfalten)
macht die Haut leicht wund (Zinksalbe). Aphthen oder Schwämmchen (s. d.) in der Mundhöhle sind häufige Folgen
der Unreinlichkeit (Saugbeutel). Schon bei leichten Unpäßlichkeiten (Verstopfung) bekommen Kind leicht
Krämpfe, die indes selten von großer Bedeutung und leicht zu heben sind. Ferner sind wirkliche Nervenkrankheiten (Gehirnentzündung)
nicht selten. Werden die Kind, bevor ihr Muskel- und Knochensystem kräftig genug, häufig aufrecht getragen, so tritt leicht
bleibende Verkrümmung der Wirbelsäule ein.
Die geistige Entwicklung erfährt vom 2. Jahre an einen lebhaften Aufschwung. Schon früh soll man den
Geist und das Gemüt des Kind ausbilden, ohne indes das Kind mit Arbeit zu belästigen; der anstrengende systematische Unterricht
soll solange als möglich (bis in das 7. Jahr) aufgeschoben werden.
Aus dem Schulbesuch drohen dem Kind eine Reihe von Gefahren, deren Wichtigkeit erst in der neuesten
Zeit hinreichend gewürdigt wurde. Daher bildet neuerdings die Anlage, Einrichtung und Beaufsichtigung der Schulen einen wichtigen
Teil der öffentlichen Gesundheitspflege. (S. Schulhygieine.)
Litteratur. Bednar, Kinderdiätetik oder Pflege der in den ersten Lebensjahren (Wien 1857);
Ploß, Das in Brauch und
Sitte der Völker (2. Aufl., Stuttg. 1884);
Krug, Die Kindererziehung für das erste Lebensjahr (2. Aufl., Lpz. 1884);
Fürst, Das und seine Pflege im gesunden und kranken Zustande (3. Aufl., ebd. 1886);
Preyer, Die Seele des Kind (3. Aufl.,
ebd. 1890);
Ammon,
[* 39] Die ersten Mutterpflichten und die erste Kindespflege (33. Aufl. von Winckel, ebd. 1892);
Brücke,
[* 40] Wie behütet man Leben und Gesundheit seiner K.? (4. Aufl., Wien 1892);
Bock,
[* 41] Das Buch vom gesunden und kranken Menschen
(15. Aufl., bearbeitet von M. von Zimmermann, Lpz. 1892-93);
Preyer, Die geistige Entwicklung in der ersten Kindheit (Stuttg.
1893).