Kieselgur
(Kieselmehl,
Bergmehl,
Infusorienerde), im wesentlichen eine Anhäufung von Diatomeenpanzern, welche aus reiner
Kieselsäure bestehen, bildet eine leichte, mehlartige, weiße, graue, bräunliche oder blaßgrüne
Masse, fühlt sich mager, aber sanft an, knirscht zwischen den
Zähnen, besitzt ein großes Wasseraufsaugungsvermögen, ist
unschmelzbar, unverbrennlich und widersteht bei gewöhnlicher
Temperatur den meisten
Chemikalien. Kieselgur
bildet oft beträchtliche
Lager
[* 2] im Schwemmland und Braunkohlengebirge, das größte
Lager findet sich bei Hützel in der
Lüneburger Heide,
[* 3] sehr viel Kieselgur
wird aber auch auf der
Grube Oberhohe, nahe der Eisenbahnstation Unterlöß (unweit
Celle),
[* 4] gewonnen.
Die Kieselgur
von Hützel ist weißlichgrau, weiß, schwarz, grün oder blau; sie wird nur an der
Luft getrocknet und ist dann für
viele
Zwecke verwendbar, oft aber wird sie zunächst noch durch
Schlämmen gereinigt. Außerdem findet
sich Kieselgur
am
Vogelsberg in
Hessen,
[* 5] bei Jastraba in
Ungarn,
[* 6]
Franzensbad in
Böhmen,
[* 7] in
Toscana,
Schweden,
[* 8]
Finnland, auch in der Weichselniederung
und hier trichterförmig eingekeilt zwischen zwei Berghügeln als gelblichweiße, förmlich plastische
Masse, welche sich
leicht mittels eines Spatens ausstechen läßt. In 100 Teilen enthielten:
Weiße Kieselgur |
Grüne Kieselgur | |
---|---|---|
aus der Lüneburger Heide | ||
Wasser und Verlust | 0.2 | 15.0 |
Organische Substanz | 0.2 | 15.0 |
Eisenoxydul | 1.0 | 2.6 |
Thonerde | 1.0 | 1.9 |
Kalk | 0.2 | 0.2 |
Magnesia | 0.3 | 0.4 |
Kieselerde | 97.3 | 79.8 |
Phosphorsäure | - | Spur |
Kieselgur
dient zur
Darstellung von
Dynamit, in der
Ultramarin-,
Anilin- und Alizarinfabrikation, namentlich auch
zur
Darstellung von
Wasserglas. Steinkitt,
Zement,
hydraulischer Mörtel, künstliche
Steine werden häufig unter Mitbenutzung
von Kieselgur
hergestellt. Man benutzt sie zur Schnellfiltration, zum Entwässern von
Niederschlägen, zu
Feuchtigkeit absorbierenden
Unterlagen und
Bandagen, als
Ersatz der
Filterpressen, zur
Darstellung billiger
Farben, da sie sich wie
Baumwolle
[* 9] färben
läßt.
In der Papierfabrikation
[* 10] benutzt man als Füllmaterial, ebenso dient sie zur
Darstellung von
Siegellack,
Guttapercha und Kautschukwaren,
zu Feuerwerkskörpern, schwedischen Streichhölzern etc. Mit
Karbolsäure getränkte Kieselgur
stellt man als Desinfektionsmittel
in
Arbeits- und
Krankenzimmern und zur Vertagung der Schimmelbildung in
Kellern oder dumpfigen
Räumen auf. Ebenso wird Kieselgur
mit
Brom getränkt (Bromum solidificatum). Sehr gute
Dienste
[* 11] leistet Kieselgur
zum
Putzen von
Metall und
Glas,
[* 12] als Reinigungsmittel für
fettige
Gefäße und Maschinenteile.
Die
Prager Putzsteine sind aus der Kieselgur
der Weichselniederung hergestellt. Kieselgur findet auch Verwendung
in der
Porzellan-,
Schmalte- und Papiermaché-Fabrikation, zu Fayenceglasuren, gegen
Hausschwamm, als Füllungsmittel für
Hauswände, Fußböden,
Gewölbe,
[* 13] feuerfeste
Schränke, Eisspinde, sowohl um die
Kälte als die
Wärme
[* 14] abzuhalten.
Ferner dient
Kieselgur
zur Herstellung künstlicher
Bimssteine und
Schleifsteine, feuerfester
Steine, leichter
Ziegel und leichten
Stucks, als Umhüllungsmaterial
für Dampfleitungsröhren und Leitungskanäle für geschmolzenes
Metall in
Gießereien etc. In der
Landwirtschaft wurden auf
Moorboden mit Kieselgur
düngung sehr günstige
Resultate erzielt, da die leicht lösliche
Kieselsäure
den Graswuchs ungemein befördert.
Auch der
Gehalt mancher an phosphorsaurem
Kalk wirkt sehr günstig. Zur Konsistentmachung von flüssigem
Dünger hat Kieselgur
ziemlich
verbreitete Anwendung gefunden.
Wolfs hat nachgewiesen, daß die in der
Landwirtschaft berufen ist, einer Luxuskonsumtion von
Phosphorsäure vorzubeugen. Nach
Berzelius werden in
Schweden jährlich
Hunderte von Wagenladungen solcher
Kieselgur
(Bergmehl) als Brotmehl und zwar mehr aus Liebhaberei als aus
Not von den Landleuten verbraucht; auch in
Finnland wird nicht
selten
Bergmehl dem
Brot
[* 15] beigemengt. In Kriegszeiten (z. B. im Dreißigjährigen
Krieg zu
Kammin u. a. O. sowie noch 1719 und 1733 zu
Wittenberg)
[* 16] hat solches
Bergmehl mehrfach zur Sättigung dienen müssen.