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Kiburg
oder Kyburg (Kt. Zürich, Bez. Pfäffikon). 632 m. Gem. und Pfarrdorf, auf einem Molasseplateau über dem linken Ufer der Töss; 3 km sw. der Station Sennhof-Kiburg der Tössthalbahn (Winterthur-Wald). Postablage, Telephon. Gemeinde, mit Brünggen und einem Teil von Billikon: 66 Häuser, 358 reform. Ew.; Dorf: 34 Häuser, 159 Ew. Viehzucht. Einzelfund aus römischer Zeit. Alemannensiedelung, 1028: Chuigeburch; später Chiuburg, Choburg; der Name wahrscheinlich keltischen Ursprungs, aber unsicherer Herleitung. Hauptanziehungspunkt der ganzen Gegend ist die stolze Veste Kiburg oder Kyburg, einst die wichtigste Feudalburg zwischen Limmat und Bodensee und heute noch prächtig erhalten. Sie steht malerisch auf kühnem Felsvorsprung und bietet eine reizende Fernsicht. Wird 1027 zum erstenmal erwähnt, als König Konrad II. den Grafen Wernher von Kiburg, den Freund des geächteten Herzogs Ernst von Schwaben, im Erbstreit um Burgund hier belagerte. Das Schloss wurde genommen und zerstört, bald aber wieder aufgebaut und kam nun an die Grafen von Dillingen. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts tritt Graf Hartmann von Dillingen auf. Im Kampf zwischen Kaiser und Papst schwur er letzterem Treue. Abt Ulrich von St. Gallen belagerte ihn deshalb und zerstörte Kiburg 1079 neuerdings. Des Hauses Macht hob sich aber rasch wieder, die Grafen wurden bald mächtige Fürsten und Lehensherren eines zahlreichen niederen Adels, machten die Burg zum Mittelpunkt ihrer linksrheinischen Besitzungen und nannten sich Grafen von Kiburg. Sie beerbten 1172 die Grafen von Baden-Lenzburg, 1218 die Zähringer, erhoben 1178 Diessenhofen und 1180 Winterthur zu Städten.

Graf Ulrich († 1228) war ein treuer Anhänger der Hohenstaufen. Sein Sohn Hartmann IV. vermählte sich 1218 mit Anna von Savoyen; auch seine andern Kinder heirateten Angehörige mächtiger Geschlechter. Die Kiburger überragten damals alle andern Edeln Schwabens durch ihre Schätze und Reichtümer. Mit dem Tode des kinderlosen Hartmann des Aeltern (1264) starb der Mannesstamm der mächtigen Kiburger aus; das reiche Erbe ging an den Neffen Rudolf von Habsburg über, der öfters hier verweilte. Als König verwahrte er in der Schlosskapelle die Reichskleinodien und Reliquien. Er und seine Nachfolger setzten Vögte ins Schloss. Einer derselben, Hug der Tumbe, erhielt 1369 die Grafschaft als Pfand; 1377 ward sie an Johann von Bonstetten verpfändet, 1384 an die Grafen Donatus und Diethelm von Toggenburg; von diesen ging sie 1402 an des erstern Tochter Kunigunde und ihren Gemahl Graf Wilhelm von Montfort-Bregenz über, die auf Kiburg wohnten. 1417 wurde die Grafschaft Reichspfand, 1424 kaufte sie die Stadt Zürich und setzte Landvögte hin. Im alten Zürichkrieg gaben die Zürcher die Grafschaft als Preis des Bündnisses an Kaiser Friedrich von
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Oesterreich zurück, lösten sie aber schon 1452 wieder aus; seit 1424 hatten sie 34350 Gulden dafür bezahlt. Zürich blieb von nun an im ungestörten Besitz der neuen Erwerbung. Mit ihrer Verwaltung wurden meist nur hochangesehene und verdiente Bürger der Stadt betraut. Bis 1798 regierten auf dem stolzen Landvogteischloss 59 solcher Würdenträger. Dem sorgfältigen Unterhalt wurde stets die grösste Aufmerksamkeit geschenkt. Unter dem städtischen Regiment war die Kiburg nicht blos der Sitz eines angesehenen Landvogtes, sondern diente auch als Kriegsarsenal und als mächtiges Bollwerk gegen innere und äussere Feinde. Mehrmals drohte der Burg grosse Gefahr, so zur Zeit der Waldmann'schen Unruhen 1489, als die vor dem Schloss tobende Menge es auf die in ihm verwahrten Reisgelder abgesehen hatte. Der Landvogt und die Besatzung verteidigten aber die Kiburg mit Energie und retteten sie. Die Staatsumwälzung von 1798 stürzte die Vogtherrschaften; am 8. März 1798 musste der letzte Landvogt die Burg den anrückenden Scharen aus den benachbarten Dörfern übergeben, die 60000 Gulden Reisgelder abliefern und dann abziehen. Das verlassene Schloss erlitt nachher schändliche Plünderungen und blieb unbewohnbar, bis es 1816 mit grossen Kosten als Sitz des Oberamtmanns restauriert wurde. Aber schon 1831, zur Zeit der Restauration, verkaufte die Regierung das Schloss, das nun geschleift werden sollte, um Material zu einem Fabrikbau an der Töss zu liefern. Vereinten Anstrengungen von Freunden der Kiburg gelang es, sie zu erwerben und zu erhalten. 1835 kaufte sie der reiche polnische Flüchtling Graf Sobansky, dessen Wittwe sie 1865 an Oberst Pfau von Winterthur veräusserte, der sie in einen freundlichen Kunsttempel umwandelte. Nach dem Tode von Pfau blieb sie längere Zeit verwaist, bis sie 1889 von Ed. Bodmer erworben wurde, der eine gründliche Renovation vornahm und die Räume als wohnliches Museum historischer Kunst einrichtete.

Zur Veste Kiburg gehörte zur Zeit der Blüte des Grafengeschlechts auch das heutige Dorf, das einstige Städtchen, das die Wohnungen der ritterlichen Dienstleute enthielt. Es besass früher einen eigenen Schultheissen und das Marktrecht. Die ehemaligen Festungsmauern sind vollständig verschwunden. Schloss und Vorburg waren ehedem durch zwei tiefe und breite Gräben getrennt, die jetzt teilweise ausgefüllt sind. Den Eingang zum Schloss beschatten mächtige Linden. Durch ein starkes Doppeltor gelangt man am Grafenhaus vorbei in den innern Hof, wo der älteste Bestandteil der Kiburg, der Turm, aufragt. Das Grafenhaus enthält im Erdgeschoss den Rittersaal, ausserdem die Wohnung des Schlossherrn. Der aus dem 10. Jahrhundert stammende Turm stand einst frei, ist aber heute vom Grafenhaus auf zwei Seiten umschlossen. Ein langer Wehrgang führt zum Ritterhaus hinüber, in welchem der Mist- und der Festsaal sich befinden. In letzterm empfing 1266 Graf Rudolf die ihn um Hilfe ersuchenden Zürcher und nahm 1442 Kaiser Friedrich III. die Huldigung der Grafschaft entgegen. Zur Landvogtszeit war er auch Gerichtssaal. Der «schwarze Gang» führt hinüber zum Grauen Turm mit der einstigen Folterkammer. An ihn schliesst sich die romanische Burgkapelle, die wegen ihres historischen Kunstwertes das Juwel der Kiburg ist. Mehrere Wände sind mit Freskenmalereien geschmückt. Die Burg hat im allgemeinen ihre ursprüngliche Gestalt beibehalten, wie sie von dem Grafen von Dillingen zu Ende des 11. Jahrhunderts erbaut wurde. Dagegen ist sie in ihrem Innern im Laufe der Zeiten mehrmals völlig erneuert worden.
Bibliographie:
Escher, Heinr. Ueber die Verfassung der ehemal. zürcher. Landvogtei Grafschaft Kiburg (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Zürich. 1840). Zürich 1840. - Escher, Heinr. Geschichte der Grafschaft Kiburg in: Die Schweiz in ihren Ritterburgen und Bergschlössern; hrsg. von Gustav Schwab. Chur 1828-1839. - Bär, Emil. Zur Geschichte der Grafschaft Kiburg unter den Habsburgern und ihrer Erwerbung durch die Stadt Zürich. Uster 1893. - Zeller-Werdmüller, H. Mittelalterfiche Burganlagen der Ostschweiz und Zeller-Werdmüller, H. Zürcherische Burgen 1. (beide in den Mitteilungen der Antiquar. Gesellsch. in Zürich. 57 und 58). Zürich 1893 und 1894. - Langl, Jos. Die Kiburg ... Wien 1898. - Stauber, E. Schloss Kiburg in Vergangenheit und Gegenwart. Zürich 1902.