Titel
Khevenhüller
(Khevenhiller), österreich. Adelsgeschlecht, das der Familientradition nach im 11. Jahrh. aus Kevenhüll (bei Beilngries in der Oberpfalz) in Kärnten einwanderte, aber erst seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. urkundlich nachweisbar ist und bereits als reich begütert erscheint. Johanns (V., gest. 1486) Sohn Augustin (gest. 1519) hinterließ sechs Söhne, von denen Christoph Stifter der ältern Frankenburger, Siegmund der der ältern Hochosterwitzer Linie wurden, so benannt nach den Hauptherrschaften: Frankenburg im Land Österreich, [* 3] Hochosterwitz in Kärnten.
Die jüngere Frankenburger
Linie knüpft sich an
Christophs Urenkel
Franz
Christoph (s. weiter unten), die
jüngere, jetzt fürstliche Hochosterwitzer
Linie an
Johann
Joseph (gest. 1776), der als Gemahl der
Erbtochter des
Grafen von
Metsch den
Namen Khevenhüll
er-Metsch annahm und 1763 die Reichsfürstenwürde erhielt. Sie blieb die überlebende, während die Frankenburger 1817 mit
Graf
Hugo
Anton erlosch. Jetziges
Haupt ist
Fürst
Karl von Khevenhüll
er-Metsch (geb.
Vgl. Czerwenka, Die
Khevenhüller
(Wien
[* 4] 1867).
Die bedeutendsten Vertreter der Frankenburger Linie sind folgende:
1) Bartlmä (Bartholomäus), zweiter Sohn aus der ersten Ehe Christophs mit Elise von Mansdorf, geb. zu Villach, gest. Im Knabenalter bezog er 1549 die hohe Schule zu Padua. [* 5] Als der Vater starb, eilte Bartlmä nach Hause und trat dann Reisen an, welche ihn nach Frankreich, Spanien, [* 6] Italien [* 7] und Palästina [* 8] führten und Stoff genug für sein sorgfältig geführtes Tagebuch lieferten. Nach fünf Jahren wieder zu Hause angelangt, vertauschte er seit 1562 das Reiseleben mit der klugen und ersprießlichen Verwaltung und Mehrung seines Güterwesens. Aus drei mit zahlreicher Nachkommenschaft gesegneten Ehen überlebten ihn nur drei Söhne, Franz Christoph, Hanns u. Bernhard. Ein eifriger, aber in jeder Beziehung loyaler Protestant, hinterließ er eine sehr schätzbare, gemütlich verständige »Ermahnung« an seinen Sohn, ¶
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offenbar den ältern, Franz Christoph, ein interessantes Denkmal rechtschaffener und kluger Denkungsart.
2) Franz Christoph, zweitgeborner Sohn des vorigen, geb. zu Klagenfurt,
[* 10] galt bis zum 7. Jahr als schwaches, krüppelhaftes
Kind, entwickelte sich aber dann zum stattlichen Jüngling von hervorragenden Geistesgaben. Seit 1596 gelangte er an den
erzherzoglichen Hof
[* 11] in Graz
[* 12] und verlebte hier als Edelknabe acht Jahre, um dann, gut vorgebildet, 1604 sein Reiseleben und
Universitätsstudium in Italien, Frankreich, den Niederlanden und England anzutreten. 1609 kehrte er an den kaiserlichen Hof zurück,
wo er nicht bloß als trefflicher Reiter und gewandter Tänzer, sondern auch als weltkundiger Mann von
ausgesprochener Begabung zum Diplomaten Ansehen genoß und bald das volle Vertrauen, ja die wärmste Zuneigung des damals
allmächtigen Staatsministers Khlesl erwarb. 1613 mit Barbara E. v. Teuffel vermählt, begann er seine politische Laufbahn 1616 als
Botschafter am spanischen Hof, um diesen für eine werkthätige Unterstützung Ferdinands II. zu gewinnen,
was ihm auch gelang. 1631 kam Khevenhüller
mit der spanischen Braut des Thronfolgers nach Österreich, um nicht wieder nach Madrid
[* 13] zurückzukehren.
Am 1. Febr. wurde er zum Obersthofmeister der Kaiserin ernannt und bekam mit allerhand neuen diplomatischen Sendungen zu thun.
Auch das Generalat der windisch-kroatischen Grenze bekleidete er vier Jahre hindurch. Doch erübrigte er noch so viel Muße, um eins der wichtigsten Werke über die Geschichte seiner Zeit unter dem Titel: »Annales Ferdinandei« (gedruckt, aber nur bis 1622 reichend, Regensb. u. Wien 1640-46, 9 Bde. Fol.; vollständig Leipz. 1716-26, 12 Bde.), die Geschichte Kaiser Ferdinands II. von seiner Geburt bis zu dessen Tod (1578-1637),
in deutscher Sprache
[* 14] abzufassen. Khevenhüller
starb in Baden
[* 15] bei Wien.
Vgl. Stülz, Jugend- und Wanderjahre des Grafen Fr. Chr. v. Khevenhüller
nach dessen eignen
Aufzeichnungen (im »Archiv für Kunde österreich. Geschichtsquellen«, 1850).
3) Hanns, jüngerer Bruder des vorigen, geb. zu Klagenfurt, besuchte seit 1613 Frankreich, Italien, England und die Niederlande [* 16] und blieb dem protestantischen Glauben treu. Gleiches war bei dem jüngern Bruder, Bernhard, der Fall. Hanns erbte nach dem Tod seines Vaters Bartlmä die Kärntner Güter der Frankenburger Linie, einige Zeit unter der Vormundschaft seiner Stiefmutter und des ältern Bruders, Franz Christoph. 1624 ehelichte er die Tochter Bartlmäs, Freiherrn v. Dietrichstein. 1629 entschloß er sich, gerade so wie sein Stiefbruder Paul, um des Glaubens willen auszuwandern. Er trat im Sommer 1631 mit diesem in schwedische Dienste. [* 17]
Überdies hatten sie dem König Gustav Adolf mit bedeutenden Darlehen ausgeholfen. 1632 standen beide im
Feld vor Donauwörth, Augsburg,
[* 18] Ingolstadt.
[* 19] Hanns starb schon 4. Aug. d. J. an den Folgen eines Schusses und wurde zu Nürnberg
[* 20] begraben.
Drei Söhne überlebten ihn, die samt der Mutter durch den endlosen Konfiskationsprozeß in sehr bedrängte Lebenslage gerieten.
Weder die Nachkommen von Hanns noch von Paul Khevenhüller
erhielten die konfiszierten Güter zurück, obwohl es im
Westfälischen Frieden ausdrücklich versprochen wurde.
4) Ludwig Andreas, Graf von, Enkel Franz Christophs, geb. trat früh in österreichische Kriegsdienste, ward Oberst
im Dragonerregiment des Prinzen Engen von Savoyen, nahm als solcher teil an dem Sieg bei Peterwardein 1716 sowie an der
Belagerung und Schlacht von Belgrad
[* 21]
und schrieb als Kommandant von Essek während des Friedens die bekannten »Instruktionen für
Kavallerie und Infanterie«, die als ein Bild der damaligen Kriegsverfassung noch jetzt von Interesse sind. In Italien übernahm
er 1734 nach dem Tode des Generals Mercy den Oberbefehl über die Armee. Im J. 1736 nach Wien zurückgekehrt,
erhielt er die Ernennung zum Feldmarschall, Geheimrat und kommandierenden General in Slawonien. Im türkisch-russischen Krieg,
in den Österreich als Verbündeter Rußlands verwickelt ward, führte Khevenhüller
1737 unter Seckendorf die Kavallerie, nahm Nissa,
schloß Widdin ein und lieferte beim Rückmarsch hinter den Timok mit 4000 Mann gegen 28,000 Mann das Gefecht
bei Radojavacz.
Als im österreichischen Erbfolgekrieg 1741 Wien bedroht wurde, setzte als Kommandant der Stadt, von der Bürgerschaft bereitwillig unterstützt, dieselbe in Verteidigungsstand, eroberte, als sich die Bayern [* 22] nach Böhmen [* 23] wandten, im Winter 1741-1742 Linz [* 24] und Passau, [* 25] reinigte ganz Österreich vom Feind und drang in zwei Kolonnen in Bayern ein. Maria Theresia ehrte ihn durch Übersendung ihres Bildnisses und eines gemütvollen Handschreibens in sein Feldlager.
Mit gleichem Glücke kämpfte er gegen Maillebois, besetzte Bayern, welches er 1742 hatte räumen müssen, im nächsten Jahr
aufs neue und schloß 27. Juni den Vertrag von Niederschönfeld, wodurch Österreich die Besetzung Bayerns
gesichert ward. Noch in demselben Jahr drang er durch Schwaben an den Rhein zur Armee Karls von Lothringen vor. Der Übergang über
diesen Fluß mißglückte jedoch nach dreimaligem Versuch, und nachdem Khevenhüller
die Winterquartiere im Breisgau und in Bayern sich gesichert,
kehrte er Ende 1743 nach Wien zurück, wo er, von der Kaiserin hoch geehrt, starb.
Die interessanten tagebuchartigen Aufzeichnungen Khevenhüllers
umfassen die Jahre 1752-55, 1758-59 und 1764-67, soweit sie
eben in den fünf Musterbänden des Pester Nationalmuseums enthalten sind, wurden auszugsweise bearbeitet von A. Wolf unter
dem Titel: »Aus dem Hofleben Maria Theresias« (Wien 1858) und atmen den konservativen, dem neuerungslustigen
Geiste und etikettefeindlichen Wesen des kaiserlichen Thronfolgers abholden Charakter des ehrenwerten Hofmannes.
Vgl. Graf Thürheim,
L. A., Graf von Khevenhüller
-Frankenburg (Wien 1878).