Kerze
,
[* 1] ein Beleuchtungskörper (s. Beleuchtung), [* 2] der aus festen brennbaren Stoffen, wie Talg, Stearin, Walrat, Wachs, Paraffin, [* 3] in Form eines cylindrischen oder schwach kegelförmigen Stabes hergestellt und mit einem Docht (s. d.) versehen ist.
Die Fabrikation der Kerze
erfolgte früher durch wiederholtes Eintauchen der Dochte in geschmolzenen
Talg, das Ziehen; diese
Methode wird jetzt fast nur noch bei
Talgkerzen angewendet. Jetzt ist fast ausschließlich das Gießen
[* 4] in Anwendung. Die geschmolzenen Fette
werden in Lichtformen, in deren
Achse der Docht gelegt wird, gegossen. Zur Herstellung
der Formen dient eine
Legierung aus 2 Teilen Zinn und 1 Teil
Blei;
[* 5] sie werden über Stahlkerne gegossen oder gezogen.
Das erstere
Verfahren erfordert außer dem Stahlkern einen Mantel, also eine vollständige Form.
Einfacher
ist das Ziehen der Kerze
nformen, wobei der Stahlkern nur in die flüssige
Legierung eingetaucht und herausgezogen wird. Nach
dem Erkalten des Metalls wird der
Kern aus der Form entfernt. Die so hergestellten Gießformen werden unten durchbohrt, oben
mit dem
Kopf oder Dopf (einer kleinen Schale mit abwärts gebogenem, in eine Erweiterung der Form passendem
Rand und mit durchgehendem
Steg) versehen, der die genaue Achsenlage des Dochtes gestattet, aber auch gleichzeitig als
Trichter
beim Eingießen des
Stearins,
Wachses u. s. w. dient. Um die erkalteten Kerze
aus den Formen herauszunehmen, drückt man
mit dem Daumen auf die erstern, wodurch sie locker werden und hebt sie mit den Fingern oder mittels einer Zange
[* 6] aus den Formen
heraus.
Größere Fabriken haben
Gießmaschinen, bei denen eine große Anzahl auf einmal gegossen und dann durch eine besondere Vorrichtung
aus den Formen herausgedrückt werden. Eine große
Verbreitung hat die
Gießmaschine von R. Wünschmann
in
Leipzig
[* 7] gefunden. Dieselbe ist durch vorstehende
[* 1]
Fig. 1 abgebildet. Die in dem Kasten F befindlichen
Kerze
nformen haben den in
[* 1]
Fig. 2 dargestellten Querschnitt. Der obere Flansch A liegt abgedichtet
in dem Deckel des Kastens F der
Maschine,
[* 8] und die obere Öffnung der Form mündet daher zugleich in den
Boden des Gießtroges G, der die flüssige Kerze
nmasse aufnimmt.
Damit diese nicht unten aus der Form herausfließt, ist der
Stempel
(Piston) P (Fig. 2), der zum spätern Herausdrücken
der Kerze
aus der Form dient, durch einen in die Nute a eingedrückten Kautschukring abgedichtet. Die
Pistons haben zur Einführung
des Dochtes eine Bohrung, die ebenfalls abgedichtet ist und zwar durch einen Kautschukfaden, der in der seitlichen Öffnung
o liegt. Die Dochte sind im untersten
Teil der
Maschine, dem Dochtkasten D, auf
Spulen aufgewickelt.
Vor dem ersten
Guß werden die Dochte über den später zur
Aufnahme der fertigen Kerze
bestimmten Öffnungen
der Klemmvorrichtung K an Hölzchen centrisch befestigt. Dann wird die flüssige Kerze
nmasse in den Gießtrog G eingegossen
und so lange gewartet, bis die
Masse erstarrt ist. Hierauf führt man, nachdem die Dochte über der Gußdecke mit einer Schere
[* 9] abgeschnitten sind, mit einem
Messer
[* 10] auf dem
Grunde des Gießtroges hin, wodurch die Dochte am Ende der
Kerze
abgeschnitten werden. Dann windet man durch
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
mehr
die Kurbel
[* 12] k die Ausdrückvorrichtung A, auf deren Bodenplatte die Pistons festgeschraubt sind, in die Höhe. Dadurch werden
die Kerze
durch die Pistons aus den Formen gedrückt, um von der Klemmvorrichtung aufgenommen zu werden. Sind die Kerze
, die dabei
den Docht nach sich ziehen, zu der erforderlichen Höhe gehoben und festgeklemmt worden, so kann, nachdem
die Ausdrückvorrichtung niedergeschraubt ist, sofort ein neuer Guß beginnen. Der Gießtrog wird vor dem Guß mit Dampf
[* 13] vorgewärmt,
nach dem Guß mit Wasser gekühlt.
Die Geschichte der Kerze
nfabrikation
[* 14] reicht bis in das 2. Jahrh. n. Chr. zurück. Lange, nachdem man angefangen hatte,
in den Lampen
[* 15] flüssige Fette, die bei der Verbrennung Licht
[* 16] entwickeln, zu Beleuchtungszwecken zu verwenden,
kam man zu der Erkenntnis, daß auch einige häufig vorkommende feste Stoffe, wie Talg und Wachs, diese Eigenschaft besitzen.
Gegen Ende des 2. Jahrh. unterschied man bereits zwischen Wachs- und Talgkerzen. Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Kerze
nbeleuchtung,
besonders die mit Wachskerzen, durch den Kultus der kath. Kirche, sowie später durch den vermehrten Luxus
der fürstl.
Höfe. Zu Anfang des 18. Jahrh. kamen die durch ihr reines Weiß ausgezeichneten Walratkerzen in Gebrauch, die Verbreitung derselben
blieb jedoch ihrer Kostspieligkeit wegen eine beschränkte; heute verwendet man diese Kerze
, auch Spermacetikerzen genannt, nur
noch bei Lichtmessungen oder als Luxusartikel, namentlich in England. Seit Anfang dieses Jahrhunderts
sind zu den erwähnten, in der Natur fertig gebildeten Kerze
nmaterialien noch Kunstprodukte, wie Stearin, Paraffin und Ceresin,
hinzugetreten.
Nachdem Cambacérès die Anwendung geflochtener und gedrehter Baumwolldochte gezeigt und De Milly 1831 zur Darstellung der Stearinsäure die Fette anstatt mit Alkalien mit Kalk verseifte, gewann die Industrie eine immer größere Ausdehnung. [* 17] Wesentliche Verbesserungen, die in den folgenden Jahren von De Milly in der Herstellung der nach ihm benannten Kerze (Millykerzen) eingeführt wurden, veranlaßten die Errichtung von Stearinkerzenfabriken in Paris, [* 18] Wien [* 19] und Berlin, [* 20] von welcher Zeit an die Verwendung der Stearinkerzen allgemein geworden ist. Von der zu Anfang ihres Bestehens unweit des Arc de Triomphe de l’Etoile gelegenen Pariser Fabrik haben die Etoile- oder Sternkerzen ihren Namen. – Über die Kerze als Einheit für Lichtstärken s. Normalkerze; über die Jablochkoffsche Kerze s. Elektrische Kerze. –
Vgl. Engelhardt, Handbuch der praktischen Kerzenfabrikation (Wien 1887).