Kentauren
heißen in der griech. Mythologie
Dämonen, die man sich in den Waldgebirgen
Thessaliens und
Arkadiens wohnhaft
dachte. Nach
Pindar zeugte
Ixion mit der Nephele (der Regenwolke) den Kentauros und letzterer mit magnesischen Stuten auf dem
Pelion die Kentauren
(Hippokentauren). So entstand die eigentümliche Mischgestalt der aus Roß- und Menschenleib
zusammengesetzten und zwar wurden sie von der ältern Kunst (z. B. nach Pausanias auf der
Lade des
Kypselos) mit vollständigem
Menschenleibe (also mit menschlichen Vorderfüßen), dem hinten ein Roßleib angesetzt ist, dargestellt, während von der
entwickelten und spätern Kunst die ursprünglich menschlichen Vorderfüße auch in Pferdebeine verwandelt
werden.
Besonders berühmt waren die bildlich sehr oft dargestellten Kämpfe der Kentauren
erstens mit den Lapithen (s. d.)
unter
Führung des
Peirithoos und
Theseus in
Thessalien, zweitens mit Herakles
[* 2] und
Atalante in
Arkadien. Später wurden die Kentauren
wegen
ihrer
Trunksucht oft als Begleiter des Dionysos
[* 3]
(Bakchos) oder wegen ihrer Verliebtheit von Eros,
[* 4] dem
Liebesgott,
der oft auf einem Kentauren
reitet, gebändigt dargestellt
(Statuen im Louvre zu
Paris
[* 5] und im
Kapitolinischen Museum in
Rom).
[* 6]
Was den Charakter der Kentauren
betrifft, so hat man zwei
Klassen zu unterscheiden. In
die erste
Klasse gehören
Cheiron (s. d.) und
Pholos (s. d.), denen beiden ein milder, gastlicher, menschenfreundlicher
Sinn eigen ist, daher sie auch
eine andere Genealogie haben als die übrigen Kentauren.
Diese dachte man sich als wilde, verderbliche Gebirgsdämonen,
Felssteine und ausgerissene
Bäume schleudernd, trunksüchtig, streitlustig, lärmend, rohes Fleisch essend, räuberisch,
nach Weibern lüstern, übermütig und gesetzlos dahinlebend.
Alle diese Charakterzüge deuten auf
Dämonen der verheerenden Gieß- oder Wildbäche
Thessaliens und
Arkadiens. Die Roßgestalt
der Kentauren
erklärt sich aus dem
Vergleich solcher Wildbäche mit Rossen, der sich schon bei
Homer findet. Unter den aus dem
Altertum
erhaltenen Kunstdarstellungen der Kentauren
sind hervorzuheben die Metopen
[* 7] vom athenischen
Parthenon und
Theseion,
der Fries vom Apollontempel zu
Bassä
[* 8] und die eine Giebelgruppe vom Zeustempel in Olympia. Ein schönes Wandgemälde, das
den Empfang der in dem
Palaste des
Peirithoos darstellt, wurde in
Pompeji
[* 9] ausgegraben. –
Vgl. Roscher in der «Berliner [* 10] philol. Wochenschrift», 1885 und in den «Göttinger Gelehrten Anzeigen», 1884; Elard H. Meyer, Indogerman.
Mythen, I (Berl. 1883).