Keilschrift
,
die Schriftarten der Denkmäler der Euphrat- und Tigrisländer, Persiens und Armeniens. Die Charaktere sind aus lauter geraden und an dem einen Ende spitz zulaufenden Strichen zusammengesetzt, die nach ihrer Gestalt mit dem Namen «Keil» (oder «Pfeil») bezeichnet werden. Sie erscheinen in horizontaler Richtung mit der Breitseite nach links ( ^[img], Ecke, coin) oder in vertikaler Richtung mit der Breitseite nach oben ( ^[img], Nagel, clou), seltener schräg nach oben oder unten laufend ( ^[img], ^[img]).
Die
Verbindung eines schräg nach oben mit einem schräg nach unten gehenden
Keil giebt die
[* 1]
Figur ^[img] (Winkel,
[* 2] crochet),
die eines vertikalen mit einem schräg nach unten gehenden das Zeichen ^[img]. Diese Elemente wurden durch Wiederholung,
Neben- und Übereinanderstellung und durch Kreuzung zu zahlreichen, zum
Teil äußerst komplizierten Gruppen
vereinigt. Man unterscheidet die folgenden
Arten von Keilschrift:
1) Die Strichfiguren, auch die hieratische Keilschrift genannt, auf den ältesten
babylon. Monumenten, den
Statuen Gudeas u. s. w.
Die
Schrift läuft von oben nach unten in
Kolumnen von rechts nach links (wie das
Chinesische); die
Sprache
[* 3] ist die älteste
Babyloniens, das sog. Sumero-Akkadische. – 2) Die altbabylonische auf den
Backsteinen der Könige von
Ur u. s. w. – 3) Die neubabylonische Keilschrift
, auch babylonische Kursivschrift genannt, auf Denkmälern
aus Sardanapals Zeit bis hinab zur Arsacidenzeit. – 4) Die altassyrische auf den Denkmälern der Könige Rammânnirâri
(etwa 1400 v. Chr.), Schamschirammân IV. u. s. w. – 5) Die neuassyrische oder ninivitische
auf Denkmälern assyr. Könige von Teglattphalasar I. an bis zum Ende des Assyrischen
Reichs.
Alle diese fünf
Schriften sind kombinierte Ideogramm- und Silbenschriften, die letzten vier haben je etwa 400 Zeichen zum
Ausdruck der babylon.-assyr.
Sprache oder auch, in interlinearen Zeilenpaaren, abwechselnd dieser und der sumeroakkadischen
Sprache. Mehrere der spätern assyr. Herrscher, z. B. Sardanapal, und
der neubabylon. Könige, z. B. Nebukadnezar II., haben noch die ältern Schriftarten, also Nr. 4 statt 5, Nr. 2 statt 3 auf
gewissen Denkmälern angebracht: diese
Inschriften bezeichnet man als archaisierende (assyr.
bez. babylonische) (S. auch
Babylonien,
Bd. 2, S. 233 b.) – 6) Die sog. medische, scythische, besser aber susisch zu nennende
Keilschrift
, Silbenschrift mit wenigen Monogrammen, entlehnt von Nr. 3, etwa 90 Zeichen, womit
die noch unenträtselte
Sprache der zweiten
Kolumne auf den persepolitanischen Achämenide
ninschriften geschrieben ist. In
Susa sind einige in der gleichen Schriftart abgefaßte
Stücke gefunden, desgleichen einige auch in Sardanapals
Bibliothek zu
Kujundschik. – 7) Die altpersische Keilschrift
, vermutlich von Nr. 3 entlehnt, von einer
Silben- zur
Buchstabenschrift vereinfacht, womit die älteste bekannte
Stufe der pers.
Sprache in den Achämenide
ninschriften
geschrieben ist. – 8) Die armenische Keilschrift
, vermutlich ebenfalls aus Nr. 3 entstanden, Silbenschrift,
auf einigen armenischen
Inschriften aus der Gegend des Wansees u. s. w.
Ganz neuerdings sind auch in Ägypten, [* 4] bei Tell el-Amarna (s. El-Amarna), Keilinschriften aufgefunden worden. Sie sind in (neu-)babylon. oder assyr. Schrift abgefaßt und größtenteils in babylon. Sprache geschrieben. Nur ein (in Berlin [* 5] befind-
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
mehr
liches) Stück ist in der bisher noch unenträtselten Sprache des Landes Mitanni verfaßt. Über die noch wenig erforschte kappadokische
Keilschrift
vgl. Delitzsch
[* 7] in den «Abhandlungen der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften», 1893.
Die Entzifferung der altpers. Keilinschriften wurde von G. Fr. Grotefend 1802 begonnen und durch Lassen, Burnouf, H. Rawlinson, Benfey, Oppert und Spiegel [* 8] fortgesetzt. Die susische Sprache entdeckte Oppert, die sumero-akkadische Rawlinson. Das Babylonisch-Assyrische wurde von Hincks, Rawlinson und Oppert entziffert. Um die Inschriften in Strichformen haben sich besonders Oppert und Amiaud Verdienste erworben.
Vgl. über die Entzifferungsgeschichte: Oppert, Expédition scientifique en Mésopotamie, Bd. 2 (Par. 1859);
Schrader, Die assyr.-babylon. Keilinschriften (Lpz. 1872);
Spiegel, Die altpers.
Keilinschriften (2. Aufl., ebd. 1881); über die Entwicklung der verschiedenen Schriftarten aus den ältesten Formen: Amiaud und Méchineau, Tableau comparé des écritures babyloniennes et assyriennes (Par. 1887).
Das vollständigste Verzeichnis von Keilschrif
tzeichen ist mitgeteilt von Straßmaier, Alphabetisches Verzeichnis der assyr.
und akkadischen Wörter (Lpz. 1882–86, in Bd. 4 der «Assyriologischen
Bibliothek»).