Kefir
(Kephir, Kapir, ein Wort tatar. oder türk. Ursprungs, abgeleitet von keyf, «Wonne», «Wohlbefinden»),
moussierender
Milchwein, ein eigentümliches, dem
Kumys verwandtes Gärungsprodukt der
Milch, welches aus der Kuhmilch durch
Zusatz eines specifischen Ferments, der sog. Kefir
körner oder Kefirpilze, bereitet wird. Die
Kefir
körner, im
Kaukasus auch als «Hirse
[* 2] des
Propheten» bezeichnet, stellen erbsen- bis bohnengroße harte
Körner oder Klümpchen von gelblicher
Farbe dar, welche mikroskopisch aus verschiedenen Hefepilzen und
Bacillen (die Existenz
von Dispora caucasica
Kern ist durch Adametz in Frage gestellt worden) bestehen.
Die einzelnen
Bacillen sind meist zu Fäden verbunden und von einer dicken Gallertmembran umgeben; große
Massen von
Bacillen
schmelzen mit ihren Membranen zu einem Zooglöahaufen, dem Kefirkorn
, zusammen.
Außer den Hefepilzen
und Kefir
bacillen ist auch das Milchsäureferment,
Bacterium acidi lactici Zopf, vorhanden. Die
Körner werden bei Zimmertemperatur
mit der siebenfachen Menge
Milch übergossen und stehen gelassen; nach 24 Stunden ist die Gärung, welche durch mehrfaches
Umschütteln befördert wird, vollendet.
Dadurch ist der meiste
Milchzucker der
Milch in
Milchsäure,
Kohlensäure und
Alkohol, ein großer
Teil des
Caseïns in leichtverdauliches
Propepton oder
Hemialbumose verwandelt. Die abgegorene sog. Gärmilch wird dann mit frischer
Milch (1 : 2) in Flaschen gefüllt, verkorkt und mehrfach umgeschüttelt. Nach einigen
Tagen ist das moussierende Kefir
getränk
fertig. Merkwürdigerweise gelingt die
Darstellung eines ganz gleichen Getränks mitunter auch ohne Kefir
körner
durch einfaches häufiges Umschütteln sauer werdender
Milch.
Der Vorgang beruht auf einem komplizierten Zusammenwirken der Thätigkeit von
Spaltpilzen und Hefekörnern. Anstatt der Flaschen
bedienen sich die kaukas.
Bergvölker bei der Bereitung des Kefir
eines sog. Burdjuks, d. i. eines Schlauchs
aus Ziegenhaut, und danach unterscheidet man zwischen Flaschenkefir
und Burdjukkefir. Der fertige Kefir ist
eine ziemlich dicke, kohlensäurereiche weißliche Flüssigkeit von rahmartiger Konsistenz und angenehmem süßsäuerlichen
Geschmack, welche sich vom
Kumys hauptsächlich durch ihren größern Reichtum an
Eiweißstoffen sowie einen geringern Gehalt
an
Milchsäure und
Alkohol unterscheidet.
Der Kefir
hat sich gleich dem
Kumys nicht nur als ein sehr nahrhaftes, überaus leicht verdauliches und durch
seinen Kohlensäuregehalt zugleich angenehm erfrischendes Nahrungsmittel,
[* 3] sondern auch als ein vortreffliches Heilmittel
bewährt. Kefir
kuren werden mit
Vorteil bei
Magen- und Darmkrankheiten, bei chronischen Lungenleiden, bei habitueller
Magerkeit,
Blutarmut,
Bleichsucht und
Skrofulose, überhaupt bei Schwächezuständen jedweder Art gebraucht. Die tägliche Menge,
welche in den ersten
Tagen der Kur eine Flasche,
[* 4] späterhin zwei bis drei Flaschen beträgt, soll auf drei Tageszeiten verteilt
werden: den ersten
Teil nehme man frühmorgens nüchtern, den zweiten 2 Stunden vor dem Mittagessen, den dritten 3 Stunden
nach dem Mittagstisch. Ob starker oder schwacher Kefir
zu wählen ist, hängt von dem Zustande
der
Verdauungsorgane ab. Als zweckmäßigste
Dauer einer Kefirkur
sind im allgemeinen fünf bis sechs Wochen zu bezeichnen.
–
Vgl. Dimitrijew, Kefir
oder
Kapir (Hannov. 1884);
Podwyssotzki, Kefir
(deutsch, Petersb. 1884);
Gebhard,
Über Kefir
, seine Bedeutung
und therapeutische Verwendung (Würzb. 1884);
Theodoroff, Historische und experimentelle
Studien über den Kefir
(ebd.
1886);
Eckervogt, Kefir
, seine
Darstellung aus Kuhmilch (Neuwied 1890);
Weiß, Kefir
, kaukas.
Milchwein.
Seine Anwendung und Wirkung (in den «Klinischen Zeit- und Streitfragen», Bd. 4, Heft 10, Wien [* 5] 1890).