Kavallěrie
(vom lat. caballus; ital. cavallo,
Pferd),
[* 2] Reiterei, die zu
Pferde
[* 3] fechtende
Truppe, welche neben Infanterie
und
Artillerie einen der drei Hauptbestandteile der
Heere bildet. Die Hauptwaffe der Kavallerie
ist das
Pferd, dessen Kraft,
[* 4] Schnelligkeit
und Gewicht auszunützen nur im
Anlauf
[* 5] möglich ist, weshalb die Gefechtsthätigkeit der Kavallerie
als solcher, d. h. solange
sie zu
Pferde, nur als
Angriff möglich ist und vorzugsweise in einem Anreiten in geschlossener
Masse
(Attacke,
Chok) besteht,
wobei die Wucht des
Stoßes und die blanke Waffe die
Entscheidung herbeiführen.
Die Verteidigung der Kavallerie
besteht in einem Gegenangriff, denn eine Kavallerie, welche den
Angriff stehenden Fußes erwarten wollte,
würde (ganz abgesehen von dem moralischen
Moment) nach rein Physik. Gesetz stets geworfen werden. Vermöge
ihrer Schnelligkeit vorzüglich zum
Aufklärungs- und Sicherheitsdienst befähigt, ist die Kavallerie
gewissermaßen das
Auge
[* 6] der
Armee.
Um die Kavallerie
zu den beim
Aufklärungsdienst an sie herantretenden Gefechtsaufgaben noch mehr zu befähigen, ist sie neben der
blanken Waffe (Säbel, Lanze) auch mit einer weittragenden Feuerwaffe (Karabiner) ausgerüstet, welche
indessen
nur für das Fußgefecht abgesessener Kavallerie
bestimmt ist.
Grundsatz ist, daß die Kavallerie
zu
Pferde überhaupt kein Feuergefecht führt und daß das Feuergefecht zu Fuß stets nur ein wenn
auch unter Umständen wichtiges, im ganzen aber doch nur nebensächliches Aushilfsmittel ist. (S. Fußgefecht
der Kavallerie.
) Vermöge ihrer Zusammensetzung aus Mann und
Pferd ist die Kavallerie
abhängig von dem Zustand und der Dressur ihrer
Pferde, kostspielig zu beschaffen und zu erhalten und schwierig auszubilden. Schwierig ist ferner die
Führung der Kavallerie
, welche
an die geistigen Fähigkeiten des Führers ebenso hohe Anforderungen stellt, wie auch an seine körperlichen
Fähigkeiten.
Die Heere der asiat. Eroberer und die gegen Griechenland [* 7] ziehenden Perserheere hatten eine zahlreiche Reiterei; die Scythen, die Parther waren Reitervölker; ebenso alle später von Hochasien herabflutenden tatar. Stämme. Durch die Perserkriege kam der Gebrauch der Reiterei auch zu den Griechen, indessen blieb dieselbe im eigentlichen Griechenland, so besonders in Athen [* 8] und Sparta, von untergeordneter Bedeutung; dagegen gelangte die thessalische Reiterei bald zu bedeutendem Ruf, und unter Alexander d. Gr. spielte im macedon.
Heere die Kavallerie
eine hervorragende Rolle. Die Reiterei der
Römer
[* 9] war mangelhaft und verbesserte sich im Laufe der Zeit nur
durch Verwendung fremder Reitertruppen. Im Mittelalter wurde mit der Ausbildung des
Lehnswesens der Kriegsdienst zu
Pferde
der vorherrschende. Die aus schwer gepanzerten Rittern und ihrem Gefolge bestehende Reiterei bildete den
Kern der
Heere; sie
hauptsächlich (nach Umständen bisweilen abgesessen, wo das Gelände die
Bewegung zu
Pferde verbot) kämpfte die schlachten
durch und wurde statt des immer mehr herabsinkenden Fußvolks die Hauptwaffe.
Das Auftreten und allmähliche Ausbreiten der Feuerwaffen machte sich für die Reiterei in doppelter Weise unvorteilhaft geltend: anfangs verstärkte die Reiterei, um sich gegen die Wirkung der Feuerwaffen zu schützen, ihre schon an und für sich schwerfällige Panzerung und wurde dadurch noch unbehilflicher und schwerfälliger;
später legte sie allerdings ihre schweren Schutzwaffen zum Teil ab, aber die nun Platz greifende allgemeine Anwendung der Feuerwaffen von seiten der Reiterei selbst mußte die Offensive schädigen.
Zwar in den niederländ. und hugenottischen Kriegen wie auch im Dreißigjährigen Kriege (der einige ausgezeichnete Reiterführer, wie z. B. Pappenheim, Banér und Johann von Werth hervortreten ließ) spielte die Reiterei immer noch eine bedeutende Rolle, allmählich aber sank ihre Bedeutung mehr und mehr, und sie mußte dem Fußvolk das diesem gebührende Recht als Hauptwaffe wieder einräumen.
Die Leistungen der brandenb. Reiterei des
Großen Kurfürsten, der engl. Cromwells und der schwed.
Karls XII. waren in ihrer Art bedeutend. Einen hervorragenden, bisher kaum wieder erreichten Aufschwung in taktischer
Beziehung
nahm die preußische Kavallerie
unter Friedrich d. Gr.; Seydlitz und Ziethen sind zwei charakteristische
Typen des Reitergenerals
in seiner höchsten
Vollkommenheit. In der nun folgenden Kriegsepoche der franz. Republik und des Napoleonischen
Kaiserreichs machte die taktische Leistungsfähigkeit der Kavallerie
eher Rückschritte als Fortschritte,
und die an und für sich vortreffliche preuß. und österreichische Kavallerie
kam mangels
sachgemäßer Benutzung so gut wie gar nicht zur Geltung; dagegen spielte die schlechtere französische Kavallerie
infolge
der genialen Benutzung durch Napoleon in der taktischen
Entscheidung wie auch in strategischer
Beziehung
eine glänzende Rolle.
Der Zeitraum nach den Napoleonischen
Kriegen ist für die Kavallerie
eine Zeit des Niederganges, der besonders dadurch charakterisiert
wird, daß in der Ausbildung und Verwendung der Kavallerie
mehr und mehr gewissermaßen infanteristische Grundsätze
zur Geltung kamen. Die um die Mitte des Jahrhunderts geführten
Kriege zeigten die in einer durchaus nebensächlichen
Rolle; dagegen gaben die 1866 gemachten Erfahrungen in
Verbindung mit den eigenartigen Erscheinungen des Nordamerikanischen
Bürgerkrieges (1861–65) den Anstoß zu einem völligen Umschwunge in den
Anschauungen über die der Kavallerie
zuzuweisende Rolle.
Eine praktische Folge war das Auftreten der preußisch-deutschen Kavallerie
1870/71,
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deren Erfolge zum Teil durch die der Beschaffenheit nach und im zweiten Teil des Krieges auch der Zahl nach vorhandene Minderwertigkeit der gegnerischen Kavallerie begünstigt wurden. Jedenfalls bildet der Krieg 1870/71 einen überaus bedeutsamen Wendepunkt in der Geschichte der Kavallerie, deren Entwicklung in allen Armeen von diesem Zeitpunkt an einen großartigen Aufschwung genommen hat. Daß in einem zukünftigen Kriege Kavalleriemassen in der strategischen Einleitung eine hervorragende Rolle spielen werden, kann als ausgemacht gelten, wenn auch über die Richtung und den Wert dieser Thätigkeit die Meinungen auseinander gehen; wie sich dagegen die taktische Thätigkeit der auf dem Schlachtfelde den neuen Erfindungen der Waffentechnik gegenüber gestalten wird, ist vorläufig eine offene Frage.
Über die Taktik der in den verschiedenen Phasen ihrer geschichtlichen Entwicklung s. Fechtart. [* 11]
Was die verschiedenen Gattungen der Kavallerie betrifft, so entwickelten sich aus den schwergepanzerten Rittern des Mittelalters allmählich die mit Pallasch und Pistolen [* 12] bewaffneten schweren Reiter, auch einfach Reiter genannt, die spätern Kürassiere. Aus den mit längern Feuerrohren bewaffneten und zum Gefecht häufig absitzenden Arkebusieren entwickelten sich die Dragoner, anfangs ein Mittelding zwischen und berittener Infanterie, die aber zu Gunsten der kavalleristischen Leistungsfähigkeit den infanteristischen Charakter früher oder später ganz ablegten; am längsten hat sich diese Bedeutung der Dragoner als berittene Infanterie in Rußland erhalten.
Aus den nationalen leichten Reiterscharen der Ungarn [* 13] und Polen entwickelten sich die auch in fremde Armeen übergehenden Typen der Husaren und Ulanen, letztere besonders charakterisiert durch ihre Bewaffnung mit Lanzen. Je nach dem Material von Menschen und Pferden sowie nach Ausrüstung und Bewaffnung unterschied man schon von den frühesten Zeiten an schwere Kavallerie (zum geschlossenen Angriff in der Schlacht bestimmt) und leichte Kavallerie (für die Aufgaben des Aufklärungs- und Sicherheitsdienstes und des kleinen Krieges, was eine Verwendung beider Gattungen von Kavallerie zu beiden Zwecken je nach Bedürfnis natürlich nicht ausschloß).
Zur schweren Kavallerie zählten stets und in allen Heeren die Kürassiere, zur leichten die Husaren, während Dragoner und Ulanen bald zur schweren, bald zur leichten Kavallerie gerechnet, bald als besondere Mittelkavallerie betrachtet wurden. Neben den genannten vier Hauptgattungen kamen in den verschiedenen Heeren auch andere Gattungsnamen vor, die aber stets einer der vier Hauptgattungen entsprechen: Karabiniers und Gendarmen gehörten oder gehören zur schweren, Chevaulegers und Reitende Jäger (Chasseurs à cheval) zur leichten Kavallerie, Lanciers ist eine anderweitige Bezeichnung für Ulanen;
Rußland besitzt in den Kosaken, Frankreich in den Spahis eine eigenartige leichte Kavallerie.
Gliederung. Die taktische Einheit der Kavallerie ist die Eskadron (Schwadron), 4–6 Eskadrons bilden ein Regiment; die weitere Gliederung der höhern Verbände ist in den verschiedenen Heeren sowie in der Friedens- und Kriegsformation verschieden. In Deutschland [* 14] ist im Frieden die aus zwei oder mehr Regimentern bestehende Brigade der größte rein kavalleristische Truppenteil, der mit je zwei Infanteriebrigaden einem einheitlichen Divisionskommando unterstellt ist (s. Divisionskavallerie), nur das Garde- und 12. (königlich sächs.) Armeekorps haben im Frieden geschlossene Kavalleriedivisionen; im Kriege wird ein großer Teil der Kavallerie zu selbständigen Kavalleriedivisionen (s. d.) zusammengestellt, während der Rest den Infanterieverbänden zugeteilt wird. In Österreich [* 15] und Frankreich ist die Kavallerie teils in Divisionen, teils in selbständige Brigaden zergliedert, in Rußland durchweg in Divisionen.
In den meisten gegenwärtigen Heeresverfassungen ist der unterschiedliche Begriff der schweren und leichten Kavallerie, soweit damit die Bestimmung zu einem besondern Kriegszweck verbunden war, d. h. das Princip der Einheitskavallerie (s. d.), verwirklicht. Die Bezeichnung schwere und leichte Kavallerie haben, wo sie vorkommen, nur noch die Bedeutung, daß man das vorhandene Material von Menschen und Pferden nicht unterschiedlos zusammenwürfelt, sondern je nach dem schweren oder leichten Schlage in besondere Truppenteile zusammenstellt, was die Ausbildung erleichtert und die Wirksamkeit erhöht; Ausrüstung und Ausbildung, mögen die einzelnen Regimenter Namen haben wie sie wollen, ist darauf berechnet, jeden Kavallerietruppenteil zu jedem Dienst verwenden zu können. Die thatsächliche Verwendung im Kriege läßt zwei verschiedene Richtungen erkennen: die Thätigkeit selbständiger Kavalleriemassen, denen strategische Aufgaben gestellt sind (s. Kavalleriedivision) und die Thätigkeit kleiner Kavallerieabteilungen, welche den Infanterieverbänden zur Erfüllung bestimmter taktischer Aufgaben zugewiesen sind. S. auch Fechtart und Raids.
In Deutschland ist seit 1889 die ganze Kavallerie mit der Lanze, dem Karabiner und einem leichten Stichdegen bewaffnet und wird nach einheitlichen Gesichtspunkten ausgebildet; auch der Sattel (früher verschiedene Modelle, deutscher und Bock-Sattel) ist durchweg derselbe. Die Verschiedenheit der Uniformen stört die Verwendung der deutschen Kavallerie als Einheitskavallerie durchaus nicht, ist sogar für das schnelle Ralliieren der Regimenter in großen Reiterkämpfen, wo die Mannschaften zahlreicher Regimenter durcheinander gewürfelt werden, von Nutzen.
Dagegen erleichtert sie allerdings auch dem Gegner die Orientierung. Am umfassendsten ist der Begriff der Einheitskavallerie in Rußland durchgeführt, wo mit Ausnahme der verschieden uniformierten (aber ebenso wie die andere Kavallerie ausgerüsteten und bewaffneten) Garderegimenter die ganze reguläre Kavallerie aus Dragonern (s. d.) besteht. – Am weitesten von der Einheitskavallerie entfernt ist man in Frankreich, welches allein noch schwere Panzerreiterregimenter besitzt.
Litteratur. Graf Bismarck-Bohlen, Über die Aufgaben und die Verwendung der Reiterei im Kriege (Berl. 1870), Zur Taktik der Reiterei (2. Aufl., Freib. i. Br. 1870), Zeitgemäße Ansichten über Kavallerie (Berl. 1872), Betrachtungen über die Formation, Verwendung und Leistungen der Reiterei (ebd. 1872);
Jähns, Roß und Reiter (2 Bde., Lpz. 1872);
Kähler, Die Reiterei in der Schlacht bei Vionville (3. Aufl., Berl. 1874);
von Waldstätten, Über die Verwendung größerer Kavalleriekörper in den Schlachten [* 16] der Zukunft (Teschen 1874);
Beck, Studie über die Taktik der Kavallerie (Wien [* 17] 1875);
Denison, History of cavalry (Lond. 1877; deutsch von Brix, Berl. 1879);
von Haber, Die Kavallerie des Deutschen Reichs.
Ihre Entstehung u. s. w. (Hannov. 1877); Kähler, Die preuß. Reiterei von 1806 bis 1876 in ihrer innern Entwicklung (Berl. 1879); von Suttner, Reiterstudien. Beiträge zur Geschichte der Ausrüstung u. s. w. (Wien 1880);
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mehr
von Mühlwerth-Gärtner, Die österreichische in den Feldzügen des 18. Jahrh. und der neuesten Zeit (Wien 1881); von Haber, Geschichte der Kavallerie des Deutschen Reichs (Berl. 1881); Prinz Hohenlohe-Ingelfingen, Militär. Briefe. I. Über Kavallerie (2. Aufl., ebd. 1886), Die Thätigkeit der Kavalleriedivisionen im Kriege (ebd. 1884), Betrachtungen über die Treffentaktik der Kavallerie (ebd. 1884); von Schmidt, Instruktionen der Reiterei (2. Aufl., ebd. 1886).