Kautschuk
(frz.
Caoutchouc), elastisches
Gummi
(Gummi elasticum, Resina elastica), auch
Federharz, im
Englischen
India Rubber
genannt, der getrocknete geronnene
Milchsaft verschiedener
Baum- und Straucharten aus der Familie der Euphorbiaceen,
[* 2] Urticaceen,
[* 3] Apocynaceen u. a. m., deren
Heimat die Tropengegenden
Amerikas,
Afrikas und
Asiens sind. Das Kautschuk
ist eine
Substanz, welche sich in der Form mikroskopisch kleiner Kügelchen im
Milchsaft verteilt vorfindet und dessen Abscheidung beim
Stehen des Saftes von selbst erfolgt, häufig auch durch Zusatz einer Säure, von etwas
Alaun
[* 4] oder Salzwasser beschleunigt
wird.
Die chem. Beschaffenheit der Gummikügelchen ist noch nicht genügend bekannt, sie scheint aber bei den verschiedenen Pflanzenfamilien zu variieren, was aus der voneinander abweichenden Beschaffenheit der Handelssorten gefolgert werden kann, da man nicht gut annehmen kann, daß die verschiedene Art der Gewinnung einen so weitgehenden Einfluß auf den Ausfall des Produkts bildet. Im allgemeinen scheinen alle Gummiarten Kohlenwasserstoffe zu sein, welche durch ihre Zusammensetzung den ätherischen Ölen, durch ihre Nichtflüssigkeit, ihr Verhalten gegen Lösungsmittel und ihre Zersetzungsprodukte den Harzen nahe stehen.
In den milchenden
Pflanzen
Deutschlands,
[* 5] wie im Mohn, den
Cichoriaceen,
Campanulaceen, den Wolfsmilcharten, treten die Gummikörper
nur in verhältnismäßig geringer Menge auf, während sie in den
Milchsäften zahlreicher Tropenpflanzen einen überwiegenden
Bestandteil bilden. Im
Handel unterscheidet man folgende Hauptsorten von elastischem Kautschuk:
1) Südamerikanisches Kautschuk oder
Paragummi, welches hauptsächlich von
Siphonia elastica
Pers. (s.
Siphonia) stammt und aus
Brasilien
[* 6] zu Anfang des 18. Jahrh.
nach Europa
[* 7] gebracht wurde.
Die ersten
Notizen über Vorkommen und Gewinnung gab 1757 der berühmte Reisende Condamine. 2) Centralamerikanisches
Kautschuk
, von
Castilloa elastica Cerrant. (s.
Castilloa) abstammend, von Mexiko,
[* 8] Nicaragua
[* 9] und Guatemala
[* 10] hauptsächlich nach Nordamerika
[* 11] exportiert. 3) Afrikanisches Kautschuk
, von Vahea-, Landolphia- und Ficusarten abstammend und von der Ostküste
(Madagaskar,
[* 12]
Mozambique,
Mauritius) wie auch von der Westküste
(Gabun,
Kongo,
Benguella,
Kamerun,
Liberia)
[* 13] in den
Handel gelangend. 4) Ostindisches Kautschuk
, welches 1818 in
London
[* 14] auf den Markt kam und seit 1832 technische Verwendung fand. Zu seiner
Darstellung dienen
Ficus elastica
L. (s.
Gummibaum)
und Urceola elastica Roxb.,
und man klassifiziert das Produkt als
Assam-,
Borneo-, Rangun-,
Singapur-,
Pinang- und Javagummi.
Die Art der Gewinnung und Einsammlung weicht nach den verschiedenen Ländern sehr voneinander ab. Der frische Milchsaft, in Flaschen gefüllt, kommt nicht mehr zur Versendung, sondern nur der eingetrocknete Saft. In der Regel macht man behufs der Gummigewinnung Einschnitte in die Bäume und läßt den rahmähnlichen Saft über thönerne Formen, z. B. Flaschen, Schuhe u. s. w., ausfließen und über Holzfeuer eintrocknen, wobei er vom Rauche geschwärzt wird; hat sich auf diese Weise ein dünner Überzug gebildet, so wird die Form mit frischem Milchsaft begossen, der wieder eingetrocknet wird, und dies wird so oft wiederholt, bis eine Schicht von genügender Stärke [* 15] entstanden ist.
Der
Überzug wird dann entweder durch Aufschneiden und Abziehen von der Form entfernt oder es wird letztere
zerklopft und so beseitigt. Jetzt bedient man sich meist der drei Fuß langen ruderförmigen Formhölzer, die man in gleicher
Weise bis zu einem Gewicht von 10 bis 15 Pfd. bestreicht; dann schlitzt man mit einem scharfen
Messer
[* 16] das
auf und nimmt es
ab. Man erhält dadurch flache, etwas gekrümmte Klumpen, die man im
Handel
Biskuits nennt. In Salvador
[* 17] verdünnt man den
Milchsaft mit seinem vierfachen
Volumen Wasser, läßt ihn dann ruhig stehen, wobei sich das Kautschuk
als Rahmschicht
an der Oberfläche sammelt; das darunter befindliche schmutzige Wasser wird so oft durch frisches ersetzt, bis keine
Unreinigkeiten mehr aufgenommen werden; schließlich werden auf 100 l rohen Saftes 60 g
Alaun, in wenig Wasser gelöst,
zugefügt, wodurch sich das Kautschuk
absondert, das dann geknetet und getrocknet wird.
Das Kautschuk
kommt in den verschiedensten Formen und mehr oder weniger beschwert auf den Markt. Während das feine
Paragummi, die anerkannt beste Sorte, nur 12–15 Proz. beim Reinigen und
Trocknen an seinem Gewicht verliert
und dieser
Verlust hauptsächlich durch die Entfernung des in der rohen Ware befindlichen Wassers entsteht, verlieren andere
Sorten, hauptsächlich afrikanisches und ostindisches Kautschuk
, 30–80 Proz., je nachdem mehr oder weniger Sand,
Schlamm, Holz
[* 18] oder Wasser an den Produktionsplätzen in das Kautschuk
hineingeknetet wird.
Die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Kautschuk
haben besonders Faraday, Payen u. a. untersucht. Von
Bedeutung für die
Technik sind insbesondere die Elasticitäts- und Löslichkeitsverhältnisse. Bei mittlerer
Temperatur ist
das reine Kautschuk
(Federharz) ein höchst elastischer Körper; bei 0° jedoch verliert es diese Eigenschaft fast ganz, ohne indes
brüchig zu werden. Die gewöhnlichen Lösungsmittel wirken auf das reine Kautschuk
gar nicht. In heißem Wasser erweicht
es, tritt aber bei dem
Trocknen in seinen frühern Zustand wieder zurück.
Alkohol übt keine Wirkung aus; dagegen führen wasserfreier
Äther, ätherische Öle,
[* 19]
Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Petroleum,
Steinkohlenteeröl,
Benzin und besonders die flüchtigen Destillationsprodukte des Kautschuk
selbst zunächst
ein starkes Aufquellen, dann eine teilweise Lösung herbei. In diesem Zustande ist die
Masse leicht zerteilbar und kann in
den meisten Fällen eine vollkommene Lösung vertreten. Gegen starke chem. Agentien verhält
sich das Kautschuk
sehr indifferent; nur konzentrierte Schwefel- und Salpetersäure zersetzen dasselbe. Gegen wässerige
Flüssigkeiten ist Kautschuk
als undurchlässig zu bezeichnen, dagegen ist es nach Untersuchungen
von
Graham von
Gasen durchdringbar und zwar zeigen die einzelnen
Gase
[* 20] ein sehr verschiedenes Durchdringungsvermögen. Bei Temperaturerhöhung
ändert das Kautschuk seine chem. und physik. Eigenschaften. Bei 50° wird es etwas weicher,
bei 100–200° fängt es an
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
mehr
stark zu kleben, bei 200° geht es in eine braunschwarze, schmierige Masse über, welche durch Abkühlen nicht wieder in ihren frühern Zustand zurückkehrt. Noch weiter erhitzt, verbrennt es an der Luft mit rötlicher, stark rußender Flamme. [* 22] Mit geschmolzenem Schwefel verbindet sich Kautschuk zu eigenen Massen, die bei mäßigem Gehalt an Schwefel bei allen Temperaturen weich bleiben (vulkanisiertes Kautschuk), bei höherm Gehalt an Schwefel und längerm Erhitzen hornartige Beschaffenheit zeigen (Hartgummi, Ebonit). (S. Gummiwarenfabrikation.) Trockne Destillation des Kautschuk liefert reichliche Mengen eines farblosen, stark riechenden, ätherischen Öls, [* 23] welches durch fraktionierte Destillation in mehrere Kohlenwasserstoffe zerlegt werden kann, nämlich das Kautscheen, welches bei 14°, das Kautschin (s. d.), das bei 171°, und das Heveen, das erst bei 315° siedet. Doch sind diese und andere auf ähnliche Weise erhaltene Produkte noch sehr wenig untersucht. Sein spec. Gewicht ist 0,925. Seine chem. Zusammensetzung ist nach Payen C₄H₇, nach Soubeiran C₆H₁₀, nach Williamson C₁₀H₁₆.
Geschichtliches. Anfänglich benutzte man das Kautschuk (seit 1770 nach dem Vorschlage Priestleys) nur zum Ausreiben der Bleistiftstriche, teilweise auch zu elastischen Bällen und ähnlichen Spielwerken. Man zahlte damals in England für ein würfelförmiges Stück Kautschuk von kaum über 12 mm Größe 3 M. Seit 1790 machte man elastische Binden daraus und bereits 1791 verwendete es der Engländer Sam. Peal, um Leder und andere Stoffe wasserdicht zu machen. 1820 erfand Nadler die aus Gummifäden gewebten dehnbaren Stoffe, und 1823 nahm Mackintosh das Patent auf die nach ihm benannten wasserdichten Zeuge. Um die nämliche Zeit kam auch der Gebrauch des Kautschuk zu Verschlüssen und Röhrenverbindungen bei chem. Apparaten, zu elastischen chirurg. Verbänden, zu Bougies und Kathetern auf. 1830 machte Thomas Hancock die ersten Versuche mit der Herstellung von Überschuhen aus Kautschuk (Gummischuhe).
Der eigentliche Aufschwung der Gummi-Industrie begann jedoch erst 1836 mit den von Chaffee in Nordamerika und Nickels in England erfundenen Maschinen, welche das Kautschuk durch bloßes Kneten bei mäßiger Wärme [* 24] in einen erweichten, fast unelastischen Körper umwandeln, der mit Leichtigkeit jede erwünschte Gestalt annimmt. Bald darauf folgte die Erfindung des Vulkanisierens des (S. Gummiwarenfabrikation.) –
Vgl. auch Semler, Tropische Agrikultur (3 Bde., Wism. 1886–88).
In der Höhe der Produktion steht das Paragummi, die geschätzteste Sorte, obenan. Der Export hat sich innerhalb der letzten 25 Jahre verfünffacht; er betrug 1865: 3½ 1875: 7, 1885: 13, 1889: 15, 1892: 19 Mill. kg;
letztere Menge ist mehr als die Hälfte des überhaupt produzierten Kautschuk Afrika [* 25] produziert 7 Mill. kg, Ostindien [* 26] und Centralamerika je 3 Mill. kg.
Eingeführt wurden 1892 in den freien Verkehr des deutschen Zollgebietes 4,692 Mill. kg im Werte von 25 808 000 M. Als Herkunftsländer stehen Großbritannien, [* 27] Westafrika, Britisch-Ostindien und Brasilien obenan. Englands Einfuhr betrug 1891 gegen 14 Mill. kg im Werte von 3⅓ Mill. Pfd. St. –