Kautschuk
(nach alter unrichtiger Benennung
Gummi elasticum, jetzt richtiger
Resina elastica, Federharz, frz.
résine elastique, engl. Caoutchouc oder Indian-rubber). Dieses wichtige Pflanzenprodukt hat
zwar vieles mit den
Harzen gemein, zugleich aber auch so Eigentümliches, daß man in wissenschaftlichen Aufstellungen gewöhnlich
eine besondre Gruppe neben den
Harzen annimmt, in welcher K.,
Guttapercha und was dem ähnlich unter dem Gemeinnamen Kautschuk
körper
zusammengefaßt werden.
Sie stammen alle aus den Milchsäften gewisser Bäume, sind in denselben in der Form feinster Kügelchen
wie die Butterfettkügelchen in der
Milch aufgeschwemmt und verteilt, und bilden, wenn abgeschieden, zusammenhängende, in
Wasser nicht wieder verteilbare Massen. Es sind mit der Zeit eine größere Anzahl tropischer Gewächse bekannt geworden,
welche dergleichen Milchsäfte führen, und es sind dies hauptsächlich Angehörige der Familien der
Euphorbiaceen (Wolfsmilcharten), Urticeen (Nessel
gewächse), Apocineen und Artocarpeen (Brotfrüchtler, Feigenbäume).
Während die beiden ersten bei uns nur durch einige Kräuter vertreten sind, zählen sie in der heißen Zone stattliche Bäume zu den Ihrigen. Im südlichen und mittlern Amerika, welches der hauptsächliche Lieferant der Ware ist, sind verschiedne Arten der Gattung Siphonia, namentlich S. elastica, brasiliensis, lutea etc. die Stammpflanzen oder vielmehr -Bäume, denn es sind große, bis 30 m hohe Waldbewohner, gehören aber dennoch zu den Wolfsmilcharten. Dem Vernehmen nach werden aber noch ab und zu neue Gummibäume entdeckt. In den nördlich von Brasilien gelegenen Staaten scheint Castilloa elastica, eine Artocarpee, hauptsächlich benutzt zu werden. In Ostindien, der zweiten gummiliefernden Weltgegend, hat man dafür den Gummifeigenbaum, Ficus elastica, aber auch noch verschiedne andre dazu. In neuerer Zeit sind auch an der Westküste Afrikas von den Franzosen Gummibäume gefunden worden und ist von dorther einige Ausfuhr in Gang gekommen; die Ware ist indes bis jetzt von geringer Beschaffenheit. -
Die jetzt so vielseitige und massenhafte Verwendung des K. liefert einen glänzenden Beleg für die Strebsamkeit der heutigen Industrie. Es gibt kaum einen andern Stoff, der sich in dem kurzen Zeitraum von einigen 30 Jahren von einem wenig gebrauchten, fast wertlosen Dinge zu einem Artikel erhoben, der in vielfacher Beziehung geradezu unentbehrlich geworden, dessen Verarbeitung zu den mannigfachsten Zwecken großartige Etablissements und unzählige Hände beschäftigt. Die erste Bekanntschaft des Stoffes in Europa scheint durch den französischen Gelehrten Condamine vermittelt worden zu sein, der 1736 bis 1745 in Brasilien und Peru reiste und über diese Neuigkeit unter Einsendung von Proben ¶
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an die französische Akademie der Wissenschaften berichtete. Die Eingeborenen Brasiliens kannten und benutzten denselben für ihre verschiednen kleinen Bedürfnisse, z. B. zu Beuteln, Stöpseln für Kürbisflaschen, besonders auch zu Fackeln. Der Name K. stammt aus der Sprache der Eingeborenen. In Europa blieb das Naturerzeugnis lange Zeit unbeachtet und eine Kuriosität für Sammlungen, man benutzte es nur zum Entfernen von Bleistiftstrichen. Erst später, seit 1828, erhielt man denselben Stoff auch aus Ostindien und zwar hier ganz besonders als Kuriosität, denn er war häufig in merkwürdige Tier- und Götzengestalten geformt.
Vereinzelte Versuche, dem Stoffe mehr abzugewinnen, gehen allerdings bis in den Ausgang des vorigen Jahrhunderts zurück. So wurden 1790 zu Paris chirurgische Binden und wasserdichte Überzüge daraus gemacht, wie auch Röhren zu chemischen Zwecken. 1820 gelang es Stadler in Wien zum erstenmale das Gummi zu Fäden auszuziehen. Es erschienen die ersten plumpen Gummischuhe, die ebenso wenig Glück machten als nachgehends Macintosh mit seinen Regenröcken. Die Verwendungen des K. vermehrten sich in dem Maße, wie man mehr Mittel kennen lernte, der Masse andre Formen zu erteilen, wie sie der Rohstoff hat, und als sie ihr durch Zerschneiden, Zusammenkleben frischer Schnitte und durch Anwendung von Lösungsmitteln gegeben werden konnten.
Schmelzen aber wie Harz läßt sich bekanntlich das K. nicht; ist es in der Hitze so weit gebracht, daß es eine dicke Flüssigkeit bildet, so ist es auch schon zersetzt und bleibt für immer eine schmierige Masse. Lösungsmittel, die entweder eine wirkliche Lösung oder doch eine völlige Erweichung und Quellung bewirken und das Gummi nach dem Verdunsten unverändert hinterlassen, gibt es verschiedne, wie Steinkohlenbenzin, Terpentinöl, Schwefelkohlenstoff, Chloroform und dann auch das eigene flüchtige Öl, das durch trockne Destillation von K. und Guttapercha erhalten wird.
Einzelne dieser Mittel sind wegen ihrer Kostspieligkeit von der technischen Anwendung ausgeschlossen, andre werden benutzt.
Hauptsächlich aber dient zur Formgebung in der heutigen Kautschuk
technik nicht die Auflösung, sondern
die Erweichung der Masse durch gewaltsames Kneten oder Walzen, womit meistens zugleich die Verbindung mit Schwefel, das sog.
Vulkanisieren einhergeht, zwei Operationen, auf welchen die ganze jetzige Kautschuk
industrie wesentlich beruht. Bevor wir
auf diese etwas näher eingehen, sei zunächst noch einiges Nähere über die Herkunft und Gewinnung
des Rohstoffs angeführt.
Das wertvollste K. kommt von Brasilien und heißt im Handel Paragummi. Die Wälder Brasiliens, besonders am Amazonenstrom
und seinen Nebenflüssen, sind so angefüllt mit Gummibäumen, daß man ein Seltenwerden des Produkts für ganz unmöglich
hält. Noch 1849 war nach den Mitteilungen von Spruce die Gewinnung von Gummi auf die nächste Umgebung
von Para beschränkt, denn die Ware galt so wenig, daß die Eingeborenen zur Einsammlung keinen Antrieb fanden. Ein paar
Jahre später standen die Verhältnisse bereits ganz anders;
die Preise gingen rasch in die Höhe, da die Nachfrage sich
von allen Seiten her steigerte, besonders von Amerika, wo inzwischen der große Kautschukmann
Goodyear
seine ersten Erfolge errungen hatte. Es ziehen seitdem so viele Tausende in die Wälder, daß selbst die nötigsten Kulturen
liegen bleiben, und die Preise sind reichlich auf das Doppelte der frühern Höhe gestiegen.
Die Gewinnung des Saftes geschieht überall durch Einschnitte in den Stamm der Bäume und Auffangen in Gefäßen. Man darf die Bäume nur in einer Hälfte des Jahres, nach Eintritt der Fruchtreife in Anspruch nehmen, da die Stämme in der Blütezeit keine Milch fließen lassen, weil sie sich fast sämtlich nach der Krone zieht. Beim Stehen an der Luft scheidet sich das K. an der Oberfläche rahmartig ab und kann dann durch Waschen und Kneten in Kuchen, Blöcke, oder durch Ausrollen in Platten und Blätter geformt werden.
Zumischung von der vierfachen Menge Wasser zu dem Safte befördert die Ausscheidung, ebenso Aufkochen desselben, was in Ostindien
gebräuchlich ist. Aus den Gegenden, wo der Cartagenakautschuk
herkommt, verlautet, daß man dort die
Milch mit einem gewissen Pflanzensafte mische, der die Ausscheidung sogleich bewirke. In Brasilien wird meistens noch
die alte Weise befolgt, daß man den Saft in dünnen Lagen auf lufttrockne Thonkugeln streicht, die an einen Stock als Handgriff
gesteckt sind, sie zum raschen Trocknen vorsichtig und unter raschem Drehen an ein Feuer hält und dies
so oft wiederholt, bis die verlangte Dicke der Schicht erreicht ist.
Die auf solche Art gebildeten Flaschen werden dann von dem Thon befreit, nachdem man diesen durch Einlegen in Wasser erweicht hat. In gleicher Weise wurden sonst auch die dicken naturellen Gummischuhe über thönerne Formen gebildet. Durch den Rauch des Feuers erscheint die Gummimasse geschwärzt, während sie sonst hell bräunlich oder gelblichweiß aussieht. Zuweilen läßt man in Brasilien die Milch, statt sie durch Feuer einzudicken, in Kästen oder Gruben freiwillig eintrocknen; es gehören aber zehn und mehr Tage dazu, bis die Masse konsistent genug ist, und sie muß dann auch in dünne Schnitte zerteilt und stark gepreßt werden, um Luft und Wasser daraus zu entfernen.
Auf kaltem Wege erhaltenes K. ist immer wasserhaltiger als am Feuer getrocknetes, sieht auf dem Schnitte speckig aus und
wird daher auch Gummispeck oder Speckgummi genannt. Aus Brasilien kommen außer Flaschen und Speck in
runden Scheiben und viereckigen 4½-7 cm dicken Tafeln auch dünn ausgerollte Blätter. Unter Cartagenagummi wird die Ware
begriffen, welche aus Cartagena, Guatemala, Venezuela, Neugranada kommt und der Menge nach etwa halb so viel austrägt als
das Erzeugnis Brasiliens. Diese Ware heißt auch Ule- oder Castilloa-Kautschuk.
Sie erscheint in kleinern Kuchen
und größern Blöcken bis zu Centnerschwere, die auf dem Durchschnitt sehr dunkel gefärbt aussehen. Die Ware steht in Qualität
der brasilischen nach, wird aber in letzter Zeit besser und reiner als früher geliefert. Ostindisches K., von Ficus
elastica und
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Urceola elastica abstammend, erscheint in regellosen Brocken und Klumpen sowie auch in dicken Platten, ist dem Wesen nach nicht sehr vom amerikanischen unterschieden, nur, weil in der Sonne, nicht am Feuer getrocknet, hellfarbiger, lichtbraun oder weißgrau. Durch das Zusammenkneten kleinerer Stücke zu größeren zeigt die Schnittfläche einen Wechsel von helleren und dunkleren Stellen. Die Ware ist meist sehr unrein durch beigemengte Fragmente von Rinden, Holzsplitter, Sand und selbst ansehnlichen Steinen.
Sie ist auch in der Güte geringer und die Hälfte wohlfeiler als die Paraware, der sie an Festigkeit und Elasticität wesentlich nachsteht. Es finden sich als Handelssorten gewöhnlich Pulo Penang und Singapore genannt; die größten Mengen jedoch werden auf Java gewonnen. Das ganze ostindische Erzeugnis aber hat für Deutschland geringe Bedeutung und geht hauptsächlich nach England und Amerika. Auch Madagaskar liefert jetzt K., es stammt von der Vahea gummifera und wird zu ungefähr 50000 kg jährlich gewonnen.
Die Jahresproduktion sämtlicher Produktionsländer an K. wurde schon 1862 auf 4000000 kg angegeben, ist aber jedenfalls jetzt bedeutend höher. Die gegenwärtig allein aus Indien exportierte Menge beträgt 800000 kg jährlich, im Werte von 2300000 Mk., hiervon gehen 600000 kg nach England, der Rest nach Nordamerika. Weit größere Mengen exportiert Südamerika; aus dem Hafen von Para allein wurden schon 1865 an 3500000 kg K. ausgeführt; 1874 empfing England allein 2829000 kg K. aus Brasilien, im Werte von 15 Mill. Mk., ferner 1214300 kg Ule oder Carthagenasorte im Werte von 6 Mill. Mk. und zusammen 2414850 kg aus Britischindien, Afrika, Madagaskar und Borneo, in England also 1874 im ganzen: 6458150 kg. -
Nordamerika ist der stärkste Konsument unter allen Fabrikationsländern, dann folgen der Reihe nach England, Frankreich, Deutschland, welche zwei letztere ungefähr gleichviel verbrauchen. Zur Verarbeitung solcher Massen gibt es in allen genannten Ländern Fabriken, meist in großartigem Maßstabe. In Deutschland sind deren namentlich in Berlin, Wien, Prag, Breslau, Harburg, Leipzig, Hannover und Hamburg. -
Die Verarbeitung des sonst so eigensinnigen Stoffs ist jetzt bei besserer Kenntnis desselben wie gesagt sehr leicht. Die Erfahrung, daß das Gummi sich durch bloßes mechanisches Kneten oder Walzen unter Anwendung gelinder Wärme in einen weichen, fast aller Elasticität beraubten Zustand überführen läßt, in welchem man ihm jede mögliche Form geben kann, also einer Auflösung ganz überhoben ist, brachte die ganze Angelegenheit auf eine neue Grundlage und die Erfindung des Vulkanisierens gab ihr diejenige Vollendung, in welcher sie gegenwärtig dasteht.
Das Vulkanisieren besteht bekanntlich in einer Einverleibung von Schwefel in die Masse, die sich mit demselben chemisch verbindet und dadurch wesentlich veränderte, für den Gebrauch höchst günstige Eigenschaften annimmt. Denn während das K. im natürlichen Zustande durch Kälte so erhärtet, daß es ganz unelastisch wird, behält das geschwefelte unter allen gewöhnlichen Temperaturen seine volle Elasticität, wird nicht mehr klebrig, hat in der Wärme seinen natürlichen, sonst beharrlich anhangenden Geruch verloren, und ist unempfindlich geworden gegen Terpentinöl und andre Lösungsmittel.
Bei der maschinellen Verarbeitung des K. werden die Flaschen und Blöcke zunächst in siedendem Wasser erweicht und durch Schneidemaschinen, deren Messer durch einen Wasserstrahl immer naß erhalten werden, in kleine Brocken geteilt. Amerikanisches K. kann dann gleich den Knetmaschinen oder Walzen übergeben werden, wogegen das viel unreinere ostindische eine gründlichere Behandlung erfordert. Man läßt dasselbe entweder zwischen Walzenpaaren unter Zufluß von Wasser, das die Unreinheiten wegspült, so oft durchgehen, bis die Masse die Gestalt eines dünnen braunen, vielfach durchlöcherten Papiers angenommen hat, oder man läßt die Stücke, die dann vorher nicht gebrüht sein dürfen, auf einem Holländer gleich in dünne Späne reißen, die auf dem Wasser schwimmen, indes die fremden Stoffe meistens zu Boden sinken.
Die weitere Verarbeitung geschieht nun warm, entweder in Knetmühlen oder neuerdings öfter auf Walzwerken, wobei der Arbeiter die Masse beständig vor Augen und in Händen hat. Durch den Druck, welchen die Masse beim Kneten oder mehrmaligem Passieren der Walzen erleidet, wird sie wie gesagt bald weich, unelastisch und bildsam. Wird das Vulkanisieren beabsichtigt, so hat die Einverleibung von Schwefel nunmehr stattzufinden. Man braucht aber auch Platten, Tafeln, Blätter von natureller Masse, und hierfür formt man zunächst Blöcke, indem man die weiche Masse in eiserne Formen füllt und einen allmählich wachsenden Druck darauf ausübt, so stark wie ihn eine hydraulische Presse nur erzeugen kann.
Aber dieses Maximum von Druck muß nicht bloß momentan, sondern eine Woche und länger wirken, weshalb man die Formen fest verschraubt aus der Presse nimmt und an einem möglichst kühlen Orte so lange hinstellt. Dieser anhaltende Druck ist unerläßlich, da nur hierdurch die Masse ihren frühern elastischen Zustand wieder annimmt. Aus würfelförmigen Blöcken schneidet man dann auf Maschinen, die mit nassen Messern arbeiten, z. B. die zum Bleistiftlöschen gebrauchten Täfelchen und größere Platten.
Sollen dünnere Tafeln und Blätter von beträchtlicher Länge hergestellt werden, so preßt man cylindrische Blöcke und übergibt sie einer Schneidemaschine, auf welcher der Block vom Messer an der Mantelfläche angegriffen und, indem er sich beständig langsam der Schneide entgegendreht und entsprechend hebt, endlich durch den hiermit entstehenden Spiralschnitt in einen einzigen langen Streifen verwandelt wird. Solche Bänder werden dann auch zum Teil weiter in Fäden zerschnitten, die dann natürlich vierkantig erscheinen. Ostindisches K. ist zu solchen Blättern und Fäden nicht verwendbar wegen seines Mangels an Festigkeit. Auch das amerikanische hat nach der gewaltsamen Umwalkung und Pressung ein wenig an seiner ursprünglichen Schnellkraft eingebüßt, dagegen an Gleichförmigkeit seiner Masse gewonnen und ¶