Titel
Kaukasische
Sprachen. Die zahlreichen Sprachen des Kaukasus weichen größtenteils so entschieden nicht nur voneinander, sondern auch von allen sonstigen Sprachen ab, daß man in ihnen wahrscheinlich die letzten noch übrigen Trümmer untergegangener Sprachstämme [* 2] zu erblicken hat, die, wie das Baskische ¶
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der Pyrenäen, aus den nördlichen und südlichen Tiefländern in das Gebirge versprengt worden sind. Sieht man von den zum
Teil erst in der neuesten Zeit eingedrungenen indogermanischen Sprachen: Russisch, Deutsch, Ossetisch, Armenisch, und von den
nur in der Ebene im Norden
[* 4] gesprochenen tatarischen Sprachen: Nogaisch, Kumükisch, ab, so sind folgende
Sprachen bis jetzt näher bekannt: a) im Norden 1) die östliche oder lesghische
Gruppe in Daghestan, darunter namentlich Awarisch,
Kürinisch, Kasikumükisch, Udisch;
2) westlich und nordwestlich hiervon die mittlere Gruppe, die Sprachen der Khisten oder Mizdscheghen, darunter namentlich Tschetschenzisch und Thusch, umfassend;
3) die westliche oder tscherkessische Gruppe, darunter namentlich Abchasisch und Tscherkessisch; b) im
Süden das Georgische (s. d.), die wichtigste der kaukasischen
Sprachen und die einzige, die eine alte Litteratur aufzuweisen
hat, nebst Mingrelisch, Lasisch und Suanisch. Nur diese südliche Gruppe besteht aus entschieden verwandten Sprachen und läßt
sich zugleich mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einem anderweitigen Sprachstamm
[* 5] vermitteln, indem sie
nach Lenormant, Sayce und Fr. Müller mit dem Alarodischen, der anscheinend in den armenischen Keilinschriften erhaltenen Ursprache
Armeniens, zusammenhängt.
Alle kaukasischen
Sprachen besitzen einen großen Reichtum an grammatischen Formen, namentlich an Kasus; aber die Versuche, sie
deshalb mit den indogermanischen (Bopp) oder den uralaltaischen Sprachen (M. Müller) zu vermitteln, scheitern
daran, daß sie sehr vielfach Präfixe und Infixe gebrauchen, während die uralaltaischen Sprachen ausschließlich, die indogermanischen
vorherrschend Suffixe verwenden. Unter sich stimmen fast alle kaukasischen
Sprachen in der auf dem Vigesimal- (Zwanziger-)
System beruhenden Zählmethode überein, die sich indessen auch bei ganz entlegenen Völkern findet.
Daher drückt sich gerade der beste Kenner dieser Sprachen, Schiefner (s. d.), dessen zahlreiche Abhandlungen die Hauptquelle für ihre Kenntnis bilden, über ihre Verwandtschaftsverhältnisse am zurückhaltendsten aus.
Vgl. außerdem G. Rosen, Ossetische Sprachlehre nebst einer Abhandlung über das Mingrelische, Suanische und Abchasische (»Abhandlungen der Berliner [* 6] Akademie«, 1845);
Derselbe, Über die Sprache [* 7] der Lazen (Lemgo 1844);
v. d. Gabelentz, Tscherkessische Grammatik (im 3. Bd. von Höfers »Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache«);
Hübschmann, Etymologie und Lautlehre der ossetischen Sprache (Straßb. 1887).