Kaukasische
Kriege. 1770 betraten die ersten Russen das kaukas. Gebiet. Der zwischen Rußland und der Türkei [* 2] 1768 entbrannte Krieg brachte ersteres durch den Frieden von Küčük-Kainardža in den Besitz der Kuban- und Tereklinie. 1785 wurde aus den Gebieten Jekaterinograd, Mosdok, Alexandrow und Stawropol die kaukas. Statthalterschaft gebildet. 1796 kamen die Städte Derbent, Kuba und Baku unter russ. Herrschaft. Während bereits 1783 der unter pers. Oberhoheit stehende christl. Fürst Iraklis II. von Georgien russ. Vasall geworden war, fiel unter dem Nachfolger desselben, Georg III., Georgien an Rußland und wurde 1801 ein russ. Gouvernement. 1802 erwarben die Russen Ossetien, 1803 Lesghien, und in den Kämpfen mit den Persern 1804–13 verloren letztere in dem Frieden von Gulistan den größten Teil ihrer kaukas.
Besitzungen: die Chanate Gandscha (Kreis [* 3] Jelisawetpol), Schirwan (Schemacha), Talisch (Lenkoran) und Karabagh (Schuscha), während 1804 schon Mingrelien und 1810 Imeretien unter russ. Herrschaft gekommen war. Fast ganz Transkaukasien war russ. Gebiet geworden; noch nicht unterworfen waren aber die Gorzen, die die Gebirge bewohnenden Bergvölker, mit welchen der Kampf erst 1816 durch den russ. General Jermolow aufgenommen wurde. Es kam darauf an, sie möglichst abzuschließen.
Infolgedessen legte man eine Reihe mit Kosaken besetzter kleiner Befestigungen zwischen dem Kaspischen und Schwarzen Meere an. Die «Kaukasische Linie» zog von der Labamündung den Kuban aufwärts, längs der Malka bis zum Terek und diesen abwärts bis Kisljar; die «Tschernomorsche Linie» lief vom Schwarzen Meer längs des Kuban bis zur Labamündung und die Laba aufwärts. 1817 wurden hier die Befestigungen Grosnaja, 1819 Wnesapnaja errichtet. Durch die Besetzung des Schamkalschen Gebietes, des Kurinschen und Kasikumuchschen Chanats, der Großen und der Kleinen Kabarda, Akuschas und durch die Verwüstung der Tschetschnja wurde einerseits die bis dahin nur durch die Grusinische, mitten über das Gebirge und die längs des Kaspischen Meers führende Straße vermittelte Verbindung von Cis- und Transkaukasien hergestellt und andererseits die Trennung der Bergvölker bewirkt. Persien [* 4] nahm 1826 den Krieg mit Rußland zur Wiedererwerbung seiner kaukas. Besitzungen wieder auf, mußte aber in dem Frieden von Turkmantschai Eriwan und Nachitschewan an Rußland abtreten. Auch der Russisch-Türkische Krieg 1828–29 verlief für Rußland günstig, sodaß es in dem Frieden zu Adrianopel den jetzigen Kreis Achalzych und die Festungen Anapa und Poti erwarb.
Während dieser Zeit entstand aber den Russen ein neuer, gefährlicher Feind in der von Mulla-Mohamed gepredigten Lehre [* 5] des Muridismus, zu dessen Haupt Schamyl an Stelle des 1835 ermordeten Hamsat-Beg gemacht wurde. Erst 1839 begannen die Russen ernstlich gegen die Bergvölker vorzugehen. Es wurden drei Kolonnen formiert, von denen die eine unter Generallieutenant Rajewskij sich nach Westen wenden sollte, um an der Ostküste des Schwarzen Meers weitere befestigte Punkte anzulegen; die andere, unter Generallieutenant Golowin, ging gegen den Süden Dagestans nach dem obern Samur vor.
Die dritte unter dem Generallieutenant Grabbe, in der Stärke [* 6] von 5613 Mann und 900 Pferden, sollte von Wnesapnaja aus gegen den Norden [* 7] Dagestans, wo sich Schamyl festgesetzt hatte, vorgehen. Am 2. Juni begann der Vormarsch von Wnesapnaja aus. Am 5. Juni traf man auf Schamyl, welcher etwa 5000 Streiter um sich versammelt hatte, und schlug ihn bei dem Aul Burtunai. Schamyl ging nach Arghuan und stellte sich hier mit 6000 Lesghiern den Russen entgegen. Trotz der fast unzugänglichen Lage dieses Dorfs erstürmten die Russen dasselbe 13. Juni; Schamyl floh nach seiner Felsenfeste Achulgo am Koi-su.
Erst 3. Sept. wurde die Feste von den Russen mit einem Verluste von 150 Mann an Toten und 494 Mann an Verwundeten genommen. Schamyl entkam, er flüchtete sich nach Weden, doch war der Muridismus noch nicht niedergeschlagen. Grabbe hatte seine Truppen nach Temir-Chan-Schura und Wnesapnaja zurückgeführt; und nach kurzer Zeit erhob sich wieder der ganze östliche Kaukasus, sodaß mehrere Jahre hindurch die Russen keine dauernden Erfolge hier erreichen konnten. 1843 eroberte Schamyl Awarien und das Land am Koi-su nebst neun russ. Forts, sodaß den Russen in Dagestan nur Nisowoje und Temir-Chan-Schura verblieben.
Das kaukas. Korps erhielt 1844 durch Zuweisung des ganzen 5. Armeekorps einen Zuwachs von 40 000 Mann. Dennoch verlor Fürst Woronzow 1844 mehrere feste Plätze an die Muriden und vermochte den Sitz Schamyls, die Feste Dargo, nicht zu gewinnen. Der Orientkrieg 1853–56 steigerte die Schwierigkeiten der Russen, deren Truppen im Kaukasus zwar auf 270 000 Mann verstärkt, aber durch die Bergvölker in solchem Umfange in Anspruch genommen wurden, daß gegen die Türken auf dem armenischen Kriegstheater nur wenig ausgerichtet werden konnte.
Die Forts am Schwarzen Meere mußten geräumt werden und fielen in die Gewalt der Tscherkessen, denen die Türkei Waffen [* 8] und Geld zusandte. Nach Beendigung des Krieges übernahm Fürst Barjatinskij den Oberbefehl im Kaukasus, und diesem gelang es, den Muridismus zu unterdrücken. Im Aug. 1856 wurden fünf Militärkommandos errichtet, und die Hauptmacht der Russen wurde im östl. Kaukasus versammelt. Von Süden und Osten her drangen russ. Kolonnen in die hohen Grenzgebirge und die Tschetschnja unter General Jewdokimow und Fürst
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Orbeliani ein, schlugen die Bergvölker in vielen Gefechten, unterwarfen 1857 die Große Tschetschnja und Kachetien, nahmen 1858 den Argunpaß und erbauten dort, am Haupteingange des Gebirgslandes, die Festung [* 10] Argunskoje. Im Juni drangen drei russ. Kolonnen weiter vor, während Schamyl gegen Wladikawkas marschierte und den Centralkaukasus zum Aufstande zu bringen versuchte. Aber er wurde vom General Mischtschenko zurückgetrieben, und General Jewdokimow eroberte inzwischen Warandi und Schatoj, worauf die Tschetschenzen bis auf einen Stamm von Schamyl abfielen.
Anfang 1859 vereinigten sich drei russ. Kolonnen unter Jewdokimow am Baßflusse, erstürmten die feste Stellung bei Tausen und bezogen unweit des Schlosses Weden, Schamyls Zufluchtsort, ein Lager. [* 11] Das stark befestigte Weden, in dem Itschkerischen Bezirk gelegen, wurde von dem Sohne Schamyls, Kasi Mahroma, mit 7000 Mann verteidigt. Am begann die Belagerung und am 13. April nahm der General Jewdokimow Weden mit Sturm, dessen Besatzung in die Gebirge geflohen war.
Schamyl war nun lediglich auf Dagestan beschränkt, in welches nunmehr 40000 Russen unter Oberleitung des Fürsten Barjatinskij vordrangen. Schamyl stand in fast unangreifbarer Stellung am Koi-su, wo er aber geschlagen wurde. Der Berg Gunib war seine letzte Zufluchtsstätte. Am 4. Sept. begannen die Angriffsarbeiten der Russen, und bereits 6. Sept. ergab sich Schamyl. Der Osten des Kaukasus lag nun zu den Füßen Rußlands, man konnte sich jetzt gegen den Westen wenden. Die Operationen (Frühjahr 1864-65) endeten hier mit der Unterwerfung der Tscherkessen.
Wenn sich auch nun in der Folge die russ. Herrschaft im Kaukasus immer mehr befestigte, so bedurfte es doch nur eines Anstoßes, um das alte Unabhängigkeitsgefühl der kaukas. Völkerschaften wieder erwachen zu lassen. Einen solchen Anstoß bot der Russisch-Türkische Krieg von 1877 bis 1878. Schon 1876 waren türk. Aufwiegler unter den Bergvölkern aufgetaucht. Es war ihnen ein Leichtes, Unruhen unter den Tschetschenzen, in Abchasien, in Dagestan anzufachen, die durch Landungsversuche der Türken zu hellen Flammen emporloderten. So beschoß ein türk. Schiff [* 12] Poti; 16. Mai wurde Suchum-Kale beschossen, und einige türk. Truppen landeten hier; 23. Mai fand eine größere Landung ausgewanderter Tscherkessen bei Adler [* 13] (116 km nordwestlich von Suchum-Kale) statt.
Nur durch die Besetzung der aus Abchasien nach den Tschetschenzen-Ansiedelungen führenden Pässe gelang es den Russen, einen allgemeinen Aufstand der Bergvölker zu verhindern. Gegen die unter Taski-Pascha eingedrungenen 14000 Mann mußten die Russen Truppen aus dem Innern heranziehen. Am 27. Juni wurden die vereinigten Türken und Abchasen bei Aschanodschir geschlagen und 30. Juni der Hauptsitz der Aufständischen, das Dorf Assacho, gewonnen. Die Abchasen und Tschetschenzen waren niedergeworfen. Die flüchtigen Führer zettelten aber von neuem in Dagestan einen Aufstand an, der erst nach der Sprengung einer Bande von 6000 Mann und der Niederwerfung 4000 Aufständiger 30. Sept. und 4. Okt. unterdrückt wurde.