Katharer
(grch.,
d. i. die
Reinen), eine vom Ende des 10. bis zur Mitte des 15. Jahrh. in den
meisten
Ländern des südl. und westl. Europas unter verschiedenen
Namen verbreitete Sekte. Katharer
nannten sie sich selbst, weil
sie die reine, ursprüngliche
Lehre
[* 2] Jesu wiederherstellen wollten. Daraus ward in der
Lombardei Gazzari, woraus das deutsche
Wort
Ketzer entstand. Wegen der Verwandtschaft ihrer
Lehre mit der der
Manichäer wurden sie häufig
Manichäer
genannt; wegen ihres ersten Auftretens in
Bulgarien
[* 3] hießen sie
Bulgaren, woraus das franz. Schimpfwort bougre entstand. In
Italien
[* 4] hießen sie
Patarener oder Patariner, Publikaner oder Popelitaner, in den
Niederlanden Piphles. Zuerst finden sie sich
gegen Ende des 10. Jahrh. unter den slaw.
Völkern der Balkanhalb-
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.] ¶
mehr
insel, besonders Bulgariens (s. Bogomilen). Dann drangen sie nach Dalmatien und von hier aus nach Italien vor, wo sie in der Lombardei zahlreiche Anhänger fanden, vereinzelte sogar in Florenz, [* 6] Rom und [* 7] Neapel; [* 8] namentlich aber hatten sie in Südfrankreich einen Hauptsitz und gingen dort meistens in die Albigenser (s. d.) über. Die Inquisition und vor allem die Albigenserkriege brachen ihre Kraft [* 9] und im 14. Jahrh. wurden sie hier völlig vernichtet. Nur vereinzelte Anhänger hatten die in England, im Norden [* 10] Spaniens und in Deutschland [* 11] (am Niederrhein), wo sie sich Apostoliker (s. d.) nannten.
Die Lehre der Katharer
war ein dem Manichäismus ähnlicher Dualismus; doch giebt es strengere
und mildere Dualisten. Beide lehrten zwei einander entgegenstehende göttliche Wesen, während aber jene den bösen Gott
für gleich ewig hielten wie den guten, sahen diese in ihm einen gefallenen Engel. Der gute Gott schuf die himmlische Welt
mit den himmlischen Menschen; der böse Gott schuf die materiellen Elemente und aus ihnen alle sichtbaren
Dinge. Der gute Gott hat sich im Neuen Testament geoffenbart, der böse im Alten.
Die Sünde hat ihren Grund in der Berührung der Seele mit dem Körper. Deshalb ist es die höchste Pflicht des Menschen, in
peinlicher Ascese sich jeder Befleckung durch den Körper zu entziehen. Zur Kirche der Katharer
gehörten streng
genommen nur die «Vollkommenen» (lat. perfecti), die die Weihe des Consolamentum (Geistestaufe) erhalten haben. Sie erhielten
durch Handauflegung den Heiligen Geist und waren verpflichtet, sich von jeder Sünde, d. h. jeder Berührung mit der Welt, frei
zu halten.
Den weitern Kreis
[* 12] bildeten die «Gläubigen» (lat.
credentes), die das Consolamentum noch nicht empfangen hatten. Sie durften Güter besitzen, Krieg führen, heiraten und Fleisch
essen. Die religiösen Gebräuche der Katharer
waren höchst einfach und ihr Gottesdienst bestand wesentlich aus der
Predigt. –
Vgl. Ch. U. Hahn, [* 13] Geschichte der Ketzer im Mittelalter, Bd. 1 (Stuttg. 1845);
Katharer
Schmidt, Histoire et doctrine de la secte des Cathares ou Albigeois (2 Bde., Par. 1849);
Raĉki, Bogomili i Patareni (Agram [* 14] 1869);
Lombard, Pauliciens, Bulgares et Bons-hommes en Orient et Occident (Genf [* 15] 1879);
Döllinger, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters (2 Bde., Münch. 1890).