Kastrat
(Hämmling, lat. Castratus, ital. Castrato), ein im Knabenalter
der Mannheit Beraubter. Die
Operation der Kastration
, d. h. der Ausrottung beider
Hoden, hemmt die geistige und körperliche
Entwickelung, also auch das
Mutieren der
Stimme, und erhält dem Mann die Knabenstimme. Das mosaische
Gesetz verbot
die Kastration
an
Menschen wie an
Tieren. Bei einigen asiatischen Völkern war sie dagegen in
Gebrauch, wie z. B. die
Priester
der
Kybele
[* 2] sich selbst mittels eines steinernen
Messers oder scharfer
Scherben entmannen mußten.
Bei den Griechen war sie in der frühern Zeit nicht gebräuchlich, später aber fand sie besonders bei
den kleinasiatischen Griechen Eingang. Bei den
Römern verboten
Cäsar, Domitian,
Nerva und
Konstantin d. Gr. die Kastration;
im oströmischen
Reich aber ward sie besonders unter Justinian sehr gebräuchlich, und christliche Fanatiker, wie z. B.
Origenes, nahmen sie aus übertriebenem asketischen
Eifer
an sich selbst vor.
In den mohammedanischen
Ländern dienen Kastraten
(s.
Eunuch) allgemein als Haremswächter.
Das
kanonische Recht verbietet die Kastration
, und in mehreren päpstlichen
Bullen wird sie bei
Strafe des
Kirchenbanns untersagt.
Gleichwohl wurde sie in
Italien
[* 3] behufs der Erzielung guter Diskantsänger häufig ausgeübt, und noch im 18. Jahrh.
rechnete man mehr als 4000
Knaben, welche in
Italien, namentlich im
Kirchenstaat, jährlich kastriert wurden;
ja bis in die neuere Zeit
gab es in
Rom und
[* 4] allen großen
Städten
Italiens
[* 5] zahlreiche Kastraten
, welche zur
Messe sangen sowie
in
Opern und
Konzerten auftraten.
Die
Stimme des Kastraten
vereinigt mit dem
Timbre der Knabenstimme die entwickelte
Brust und
Lunge
[* 6] des
Mannes, so daß
der
Sänger endlos scheinende
Passagen auszuführen und das
messa di voce erstaunlich auszudehnen vermag. Auch nach
Frankreich,
England und
Deutschland
[* 7] wurden die Kastraten
mit der italienischen
Oper eingeführt, bezogen zum Teil (zu
Händels
Zeiten) enorme
Honorare, sind jedoch auch mit derselben verschwunden. In
Dresden
[* 8] fungierten sie auch als Kirchensänger. Besonders
berühmte Kastraten
waren:
Farinelli, Senesino, Cusanino,
Ferri, Momoletto, Gizziello,
Bernacchi,
Caffarelli,
Crescentini, Pacchierotti,
Manzuoli,
Marchesi, Salimbeni, Velluti. - In medizinischer Hinsicht wird die Hinwegnahme eines oder beider
Hoden bei
Menschen
notwendig, wenn der
Hoden der Sitz einer durch andre
Mittel nicht zu heilenden Erkrankung, namentlich Geschwulstbildung, ist.
Auch die
Entfernung der häufig erkrankenden
Eierstöcke wird als Kastration
bezeichnet (s.
Ovariotomie).
Die
¶
mehr
Haustiere werden zu ökonomischen Zwecken häufig kastriert. Wird die Operation bei männlichen Tieren in der Jugend ausgeführt,
so nähern sich dieselben mehr dem Typus der weiblichen Tiere; sie sind leichter ernährungs- und mastfähig, zahmer und verträglicher;
auch das Fleisch wird zarter und schmackhafter. Ältere Hengste kastriert man, um sie ruhiger und zur Arbeitsleistung
geeignet zu machen. Männliche Schafe
[* 10] und Schweine
[* 11] sind am bequemsten im ersten halben Jahr, männliche Kälber im zweiten Jahr
zu kastrieren. Von den weiblichen Schweinen ist die Operation nur bei den groben Rassen zweckmäßig, bei welchen die Funktion
der Eierstöcke stark entwickelt ist. Die Mastung junger Hähne und Truthähne wird durch die Kastration
(das Kapaunen) wesentlich gefördert.
Vgl. Ableitner, Die Verschneidung (Kastration
) der Haustiere (Brem. 1879).