Karyatiden
[* 2] (griech.), in lange, faltenreiche Gewänder gekleidete weibliche Gestalten,
welche, auf einer meist gegliederten
Plinthe stehend, eine Art
Kapitäl tragen und so das Gebälk einer Vorhalle oder
eines sonstigen Vorbaues unterstützen. Nach Vitruv waren die Karyatiden
Nachbilder griechischer
Frauen aus der Stadt Karyä im
Peloponnes,
die zur
Strafe für ihre Unterstützung der
Perser in Gefangenschaft abgeführt,
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zu öffentlichen Arbeiten gebraucht und dann von den Architekten zur Hindeutung auf ihre Dienstbarkeit als Lastträgerinnen
dargestellt wurden. Lessing dagegen leitet ihren Ursprung von den Jungfrauen ab, welche am Feste der Diana im Tempel
[* 4] zu Karyä
tanzten. Noch andre identifizieren sie mit den Kanephoren (s. d.) der Panathenäen. Übrigens haben schon
die Ägypter menschliche Figuren zu Säulen
[* 5] verwendet, wie denn später auch männliche, zu gleichem Zweck dienende Figuren Karyatiden
, richtiger
aber Atlanten, Telamonen oder persische Bildsäulen genannt werden.
Die künstlerisch vollendetsten Karyatiden
des Altertums sind die sechs weiblichen Statuen, welche das Gebälk der aus der Südseite
des Erechtheions zu Athen
[* 6] in ionischem Stil erbauten Vorhalle tragen (s. diese auf Tafel »Baukunst
[* 7] IV«,
[* 8] Fig.
7; außerdem vgl. Tafel »Bildhauerkunst
[* 9] VI«,
[* 10] Fig. 10, und die nebenstehende Abbildung). Daher karyatidische Ordnung die Bauart,
bei welcher statt der Säulen weibliche Figuren zum Tragen der Decke
[* 11] oder des Gebälks angebracht werden.