Titel
Karsten
,
1) Wenzeslaus Johann Gustav, Mathematiker, geb. zu Neubrandenburg, [* 2] ward Professor der Philosophie in Rostock, [* 3] 1760 der Mathematik zu Bützow und 1778 in Halle, [* 4] wo er starb. Seine Lehrbücher standen ihrer Zeit in hohem Ansehen.
2) Franz Christian Lorenz, Agronom, Bruder des vorigen, geb. 1751 zu Pohnsdorf in Mecklenburg, [* 5] wurde 1780 Professor der Kameralwissenschaften zu Bützow, später zu Rostock; errichtete die erste deutsche landwirtschaftliche Lehranstalt zu Neuenwerder bei Rostock, woselbst er starb.
3)
Karl
Johann
Bernhard, Mineralog,
Berg- und Hüttenmann,
Neffe von Karsten
1), geb. zu
Bützow, studierte in
Rostock die
Rechte, wandte sich aber dann der
Medizin und seit 1801 der
Metallurgie und Bergbaukunde zu. Er arbeitete
bis 1803 auf den Eisenhütten der
Mark, dann in
Schlesien,
[* 6] errichtete 1806 die Zinkhütte Lidognia, in der man zuerst aus
Galmei
Zink darstellte, wurde 1811 Oberhüttenrat und Oberhüttenverwalter für
Schlesien und hielt später auch Vorlesungen zu
Breslau,
[* 7] bis er 1819 als
Geheimer Oberbergrat in das
Ministerium des Innern nach
Berlin
[* 8] berufen wurde. Er gehörte
1850-51 der Ersten
Kammer an, trat 1851 in den
Ruhestand und starb in
Berlin. Karsten
zählte zu den ersten
Repräsentanten
der
Metallurgie und hat auf die
Entwickelung des
Bergbaues und Hüttenwesens in
Deutschland
[* 9] großen Einfluß
geübt. Er schrieb: »Handbuch der Eisenhüttenkunde«
(Halle 1816, 2 Bde.; 3. Aufl.,
Berl. 1841, 5 Bde.);
»Grundriß der Metallurgie und der metallurgischen Hüttenkunde« (Bresl. 1818);
»Metallurgische Reise durch einen Teil von Bayern [* 10] und Österreich« [* 11] (Halle 1821);
»Über die kohligen Substanzen des Mineralreichs« (Berl. 1826);
»Das erzführende Kalksteingebirge von Tarnowitz« [* 12] (das. 1826);
»Grundriß der deutschen Bergrechtslehre« (das. 1828);
»System der Metallurgie« (das. 1831, 5 Bde.);
»Lehrbuch der Salinenkunde« (das. 1846-47, 2 Bde.);
»Philosophie der Chemie« (das. 1843) und gab das »Archiv für Bergbau [* 13] und Hüttenwesen« (das. 1818-28, 20 Bde.),
fortgesetzt als »Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde« (1829-54, 26 Bde.) heraus.
4)
Hermann,
Physiker, Sohn des vorigen, geb. zu
Breslau, studierte
Mathematik und
Naturwissenschaft in
Bonn
[* 14] und
Berlin,
arbeitete 1829 in
Königsberg
[* 15] bei
Bessel, habilitierte sich 1830 in
Rostock und ward 1836 ordentlicher
Professor der
Mathematik
und
Physik daselbst, 1862 auch
Direktor der
Navigationsschule. Er starb zu
Bad
[* 16]
Reinerz in
Schlesien.
Karsten
schrieb: »Kleiner astronomischer
Almanach, vorzüglich für Seeleute«
(Rostock 1840-49);
»Beitrag zur Berichtigung der Sterblichkeitstafeln« (das. 1845);
»Lehrbuch der Kristallographie« (Leipz. 1861);
auch veröffentlichte er mehrere astronomische, meteorologische und mineralogische Beobachtungen.
5)
Hermann, Naturforscher und Reisender,
Vetter des vorigen, geb. zu
Stralsund,
[* 17] studierte in
Rostock
und
Berlin, bereiste 1843-47 und, nachdem er sich an der
Berliner
[* 18]
Universität für
Botanik habilitiert hatte, 1848-56
Venezuela,
[* 19] Neugranada und
Ecuador. Nach seiner Heimkehr lehrte er in
Berlin
Botanik, übernahm als
Professor die Leitung des von ihm begründeten
physiologischen
Laboratoriums daselbst, folgte 1868 einem
Ruf als
Professor der
Botanik nach
Wien,
[* 20] wo er ebenfalls
ein
Laboratorium
[* 21] gründete, trat aber 1872 von seinem
Amt zurück und lebt seitdem in der
Schweiz.
[* 22] Karsten
leitete aus seinen anatomischen
Untersuchungen der Tropenvegetation die allen
Gewächsen zu
Grunde liegende Einheitlichkeit des
Baues ab, er gelangte zu dem
Resultat, daß nicht die chemischen Verwandtschaftskräfte der im Zellsaft gelösten
Substanzen, sondern
vielmehr die der Zellmembran innewohnende chemisch-physiologische Thätigkeit die organischen
Verbindungen erzeuge.
Die Kontagienzellen sind nach seiner Ansicht nicht Pilze [* 23] oder Algen, [* 24] sondern pathologische Entwickelungsstufen normaler Zellen. Er schrieb: »Die Vegetationsorgane der Palmen« [* 25] (Berl. 1847);
»Auswahl neuer und schön blühender Gewächse Venezuelas« (das. 1848, mit 12 kolorierten Tafeln);
»Die geognostischen Verhältnisse Neugranadas« (Wien 1856; Berl. 1858);
»Florae Columbiae terrarumque adjacentium specimina selecta in peregrinatione duodecim annorum observata« (Berl. 1857-69, 2 Bde., mit 200 kolorierten Tafeln);
»Die medizinischen Chinarinden Neugranadas« (das. 1858);
»Das Geschlechtsleben der Pflanzen und die Parthenogenesis« (das. 1860),
»Histologische Untersuchungen« (das. 1862);
»Entwickelungserscheinungen der organischen Zelle« [* 26] (Leipz. 1863);
»Anatomie und Entwickelungsgeschichte [* 27] des Sandflohs« (1864);
»Gesammelte Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pflanzen« (Berl. 1865);
»Chemismus der Pflanzenzelle« (Wien 1869);
»Zur Geschichte der Botanik« (Berl. 1870);
»Fäulnis und Ansteckung« (im Anhang die »Darstellung meiner Erlebnisse an der Wiener Universität«, Schaffh. 1872);
»Studie der Urgeschichte des Menschen in einer Höhle des Schaffhauser Jura« (Zürich [* 28] 1874);
»Deutsche [* 29] Flora, pharmazeutisch-medizinische Botanik« (Berl. 1883);
»Géologie de la Colombie« (das. 1886).
Auch redigierte er die »Botanischen Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium in Berlin« (Berl. 1865-67, 6 Hefte). ¶
mehr
6) Gustav, Physiker, Bruder von Karsten
4), geb. zu Berlin, studierte Mathematik und Naturwissenschaft, habilitierte sich 1845 in
Berlin, folgte 1848 einem Ruf als Professor der Physik nach Kiel,
[* 31] wurde 1859 Direktor des Eichungswesens für die Elbherzogtümer
und 1869 Mitglied der Normaleichungskommission des Deutschen Reichs. Er schrieb: »Lehrgang der mechanischen
Naturlehre« (Kiel 1851-53, 3 Tle.),
»Denkschrift über den großen norddeutschen Kanal« [* 32] (das. 1865). 1856 begann er die Herausgabe der auf 21 Bände berechneten »Encyklopädie der Physik«, für welche er mit Harms und Weyer die »Einleitung in die Physik« (Leipz. 1870) bearbeitete; auch redigierte er die »Fortschritte der Physik« (Berl. 1847 bis 1853) und veröffentlichte außer mehreren Arbeiten in den Berichten der Ministerialkommission zur Untersuchung der deutschen Meere: »Untersuchungen über das Verhalten der Auflösungen des reinen Kochsalzes in Wasser« (1846) und »Hygrometrische Tabelle zur Anwendung bei Gebläsen und Gradierwerken« (1847);
»Beiträge zur Landeskunde der Herzogtümer Schleswig [* 33] und Holstein« (Kiel 1869-72, 2 Tle.).
1878-81 gehörte als Mitglied der Fortschrittspartei dem deutschen Reichstag an.