Titel
Karpathen
(Karpathisches Gebirgssystem), im weitesten Umfang der zusammenhängende Gebirgswall, welcher, Ungarn und Siebenbürgen im NW., O. und SW. von Österreich, Mähren, Schlesien, Galizien und Rumänien in einer Länge von 1200 km abgrenzend, einen großen Bogen bildet, der an der Donau bei Preßburg beginnt, sich wieder bis zur Donau bei Orsova erstreckt und ihr auch seine offene Seite zukehrt. S. Karte »Ungarn«.
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[Ausdehnung und Höhe.]
Die horizontale Ausdehnung der Karpathen umfaßt, je nach der angenommenen Basis, 93,000-245,000 qkm (1700-4450 QM.). Die Breite beträgt an den Ausläufern nur 12, anderwärts 70-370 km. Die größte Breite fällt mit ihrer größten Erhebung zusammen, so auf dem Meridian der Tátra, wo sie sich bis zu den Donauniederungen hinziehen, und im siebenbürgischen Hochland. Mit den Alpen treffen sie an zwei Punkten, und zwar bei Preßburg und Hainburg mit dem Leithagebirge und bei Gran mit dem Bakonyer Wald, zusammen; im S. begegnen sie den Verzweigungen des Balkangebirges im Engthal der Klissura.
Gegen die Nachbarländer fußen sie überall im Tiefland, von den Sudeten werden sie durch die Einsenkung bei Oderberg getrennt, und im Innern Ungarns grenzen ihre Ausläufer an die Donautiefebene. In diesem weiten Umfang sind die Karpathen, welche als zweites Hauptgebirge Europas die Wasserscheide zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer bilden, nur ein geographischer Begriff. In Wirklichkeit bestehen sie aus mehreren orographisch und geologisch gesonderten Gruppen, die einerseits als fortlaufender Gebirgszug mit der höchsten Erhebung in der Mitte, anderseits aber als ausgedehntes Hochland auftreten.
Auf große Strecken steigen sie zwar bis über die Waldgrenze, allein nirgends bis zur Hochalpenhöhe auf, und mit ihren bedeutendsten Gipfeln in der Tátra und in Siebenbürgen erreichen sie nur 1200-2659 m. Bis zur Schneegrenze ragen nur einige Spitzen empor, und weil an den schroffen Felswänden größere Schneemassen sich nicht halten können, überdies auch die atmosphärischen Niederschläge gering sind, so kommen daselbst keine Gletscherbildungen vor, und bleibt der Schnee nur in den Schluchten liegen. Deshalb stehen auch die Karpathen trotz der großartigen Gebirgsnatur und trotz vieler wildpittoresker Felsthäler den Alpen weit nach.
[Thäler, Flußsysteme, Pässe.]
Man findet wegen der konzentrischen Bildung vieler Gebirgsketten nur sporadisch jene bedeutenden Längenthäler, deren Entwickelung in den Alpen die Kommunikationen so wesentlich begünstigt, und die in den östlichen Karpathen ganz fehlen. Desto häufiger sind die Querthäler. Gegen Galizien zu sind die Karpathenthäler infolge des jähen Abfalls der Gebirge viel kürzer als in Ungarn, wo sie sich mit ihren breiten, kultivierten Thalsohlen in die Ebene verlaufen.
Die Wasserscheide zwischen Donau, Weichsel und Dnjestr fällt in den Karpathen mit dem bogenförmigen Kamm des Sandsteingebirges zusammen, und dieser wird nur im N. der Tátra vom Dunajec und Poprád unterbrochen. Aus dem weiten Karpathengebiet strömen überall zahlreiche ansehnliche Gewässer den genannten drei Hauptflüssen zu, von denen die Donau alle Flüsse aus den ungarischen Thälern, die Weichsel, der Dnjestr und Pruth hingegen jene aus den galizischen Thälern aufnehmen.
Die wichtigsten Thäler sind: in den eigentlichen Karpathen das Waag-, Neutra-, Gran- und Eipelthal, welche sich gegen die Donau öffnen;
im Theißgebiet die Thäler der Theiß, des Sajó und Hernád;
im N. das Weichsel-, Dunajec-, Poprád-, San-, Dnjestr- und Pruththal;
im siebenbürgischen Hochland die Thäler der Maros, Aluta und des Sereth mit seinen rechten Zuflüssen.
Die westlichen Karpathen sind reich an bequemen Pässen, die sich im O. und SO. seltener vorfinden. Von Natur aus fast unwegsam sind nur das Gebiet der Hochkarpathen und der östliche Gebirgsrücken zwischen Galizien und Ungarn. Die wichtigsten Übergänge sind: im W. die Pässe Hrozinkau (435 m), Wlara (420 m) und Lissa nordwestlich von Trentschin, der Jablunkapaß (601 m), durch den die Kaschau-Oderberger Bahn von Schlesien nach Ungarn eintritt, der Jordanowpaß (802 m) im N. der Tátra und der Durchlaß für die Tarnow-Leluchower Bahn am Poprád;
in den Zentralkarpathen die Kunststraßen von Neumarkt nach Käsmark und über die Kralowa Hora;
in den Ostkarpathen der Duklapaß, der Durchlaß für die Ungarisch-Galizische Bahn an der Laborcza sowie die Pässe Uszok, Vereczke an der Latorcza und Körösmezö an der Schwarzen Theiß (1037 m);
endlich in Siebenbürgen die Pässe Radna (959 m), Borgo Prund (1196 m), Tölgyes, Gyimes, Uz und Oitoz im Ostrand, Bodza, Tömös oder Predeal (1028 m), Törzburg, der tiefe und lange Engpaß am Rotenturm (352 m) und Vulkan (944 m) im S. sowie Teregova und das Eiserne Thor in der Südwestecke Siebenbürgens.
[Geologisches.]
In Bezug auf den geologischen Bau der Karpathen finden sich im westlichen Teil (bis zum Hernádfluß) mehrere zentrale Granitkerne nebst Gneis und kristallinischem Schiefergebirge, um welche sich das mesozoische Gebirge, vom Verrucano (unterste Buntsandsteinbildung) mit seinen Konglomeraten und roten, sandigen Schiefern durch Muschelkalk, durch die verschiedenen Glieder des alpinen Keuper und unter ihnen zu oberst durch die Kössener Schichten bis in den Lias, gruppiert.
Über letzterm ist das obere Grenzgebilde des Jura mächtig erschlossen, und noch höher liegt die Kreide direkt dem Tithon auf. Die Kreide ist teils untere (neokomer Sandstein, Kalk; Gault als Thon und Sand), teils obere (mächtige Hippuritenbänke nebst Sewenkalk und darüber die Gosaubildungen). Über ihr folgen das Nummulitengebirge und der Flysch, großenteils sandig (Karpathensandstein), den eocänen und oligocänen Tertiärgebilden angehörend, dann die jüngern Tertiärgebilde, mehr randlich aufgelagert.
Vom Hernád bis zur Marmaros und zur Bukowina fehlen alle ältern kristallinischen Gebirge, welche erst in Siebenbürgen gleichzeitig mit den ältern Sedimenten zu Tage treten. Das verbindende Glied zwischen Hernád und Marmaros bildet ein einförmiges waldiges Sandsteingebirge aus Kreide und Nummulitengesteinen, welches sich in gleicher Einförmigkeit auch um den ganzen Außenrand der Karpathen (Walachei bis Schlesien) erstreckt, und aus dem nur in einzelnen Klippen und Klippenreihen die Kalke des Tithon (daher Klippenkalke) hervorsehen.
Diesem Sandstein gehören die ergiebigen Erdölquellen Galiziens an, dem neogenen Tertiärgebirge aber die reichen Steinsalzablagerungen am Fuß der Ostkarpathen in Ungarn und im Innern Siebenbürgens, wo sich auch Erdöl und Braunkohlen finden. Der ungarische Innenrand enthält ferner ausgedehnte trachytische Gesteine, auch Andeite, Quarztrachyte nebst Bimsstein, Perlstein, Obsidian und geringere basaltische Gesteine. Die grünsteinartigen Trachyte sind wichtig durch ihre edlen Erzlagerstätten (Gold und Silber).
Auch die kristallinischen Schiefer sind reich an Erzgängen und Erzlagern. Von Eruptivbildungen der Übergangs- und Flözzeit sind die mit dem Übergangsgebirge verknüpften Gabbros und Serpentine von Dobschau und die mit dem Verrucano verknüpften Melaphyre hervorzuheben. Die Thätigkeit der Mineralquellen, welche in der Tertiärzeit zur Ablagerung weitverbreiteter und mächtiger Kalktuffe und Kieselablagerungen, ausgezeichneter Opale, des Alaunsteins etc., Anlaß gegeben, dauert noch in zahlreichen Thermen und kalten Säuerlingen fort. Die Kalksteine sind höhlenreich, im
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Gömörer und Biharer Gebirge wurden auch Eishöhlen (Dobschau, Agtelek, Szilicze etc.) entdeckt, Sonstige merkwürdige Höhlen sind: die Tropfsteinhöhlen in der Liptau, die Höhlen in der Zips (Kapsdorf), die Schwefelhöhlen im Berg Büdös und die Veteranihöhle im Banater Gebirge.
[Einteilung.]
Was die Einteilung des Karpathengebirges betrifft, so zerfällt dasselbe in die eigentlichen Karpathen, einen fortlaufenden Gebirgszug mit der höchsten Erhebung in der Mitte, und in das Siebenbürgische Hochland. Erstere bestehen aus einem äußern Rand- und dem innern Gebirge. Der bogenförmig von der Donau bis an die Goldene Bistritza sich erstreckende, reichbewaldete Sandsteinzug wird durch den Durchbruch des Poprád und die Topla in die Westkarpathen und in die Ostkarpathen oder das Karpathische Waldgebirge geteilt.
Die Westkarpathen beginnen am Donaudurchbruch (Porta Hungarica) mit der niedern Gruppe der Kleinen Karpathen (Rachsturm, Bradlo 815 m), deren nordöstliche Fortsetzung nach ihren weißen Dolomitfelsen das Weiße Gebirge (Belagora) genannt wird. Ihre höchsten Gipfel sind die Javorina (967), die Wysoka (1020) und der Javornik (857 m). Dann folgen im NW. die West- oder eigentlichen Bieskiden bis zum Jablunkapaß (601) mit dem Beskid (947), der Magurka (1153), dem Smrk (1339), der Knicin, d. h. Fürstin (1252), dem Radhost (1135), der Lissa Gora (1320 m) und der Barania sowie die niedrigere Kette der Ostbieskiden, welche die Hochkarpathen in einem Bogen umfaßt und sich bis Bartfeld erstreckt, mit der Babia Gura (1722) und dem Lubjenberg (1264 m). Hieran schließt sich der in südöstlicher Richtung bis an Siebenbürgen hinabreichende breite Rücken des Karpathischen Waldgebirges an, im N. von kurzen Parallelketten, im S. von einigen vulkanischen Berggruppen begleitet. Die höchsten Spitzen dieses unfruchtbaren Grenzkammes sind in der mehr aufsteigenden östlichen Hälfte die Czerna Gora (2012), der Rusky (1303), die Bistra (1811), der Pop Ivan (1925) und der Dzumalau (1853 m). Die trachytische Vorlage führt den Namen Vihorlatgebirge (»ausgebranntes Gebirge«) und erreicht im Varlo 1058 m.
Zum innern Gebirge gehören die unterhalb der Ostbieskiden sich erhebenden Hoch- oder Zentralkarpathen und das innere karpathische Bergland, welches mit seinen die erstern im W., SW., S., SO. und O. teils parallel, teils fächerförmig umlagernden Gruppen gegen das Hochland zu an Höhe gewinnt und, sich an den äußern Karpathenkamm dicht anschließend, den größten Teil Nordungarns füllt. Die Zentralkarpathen erstrecken sich von W. nach O. hin, 122 km lang und 45,5 km breit, vom Zusammenfluß der Arva und Waagbis an den Poprád und bestehen im W. aus dem Arva-Liptauer Kalkgebirge, im O. aus der nur 900-1000 m hohen Zipser Magura und aus den in der Mitte gelegenen eigentlichen Zentralkarpathen oder der Hohen Tátra.
Die letztere ist ein mehrfach gebrochenes Rückengebirge, das sich mit seinen gewaltigen Granitmassen auf der Süd- und Ostseite ganz unvermittelt, wie eine Mauer, aus der fast 800 m hohen Popradebene bis zu 2467 m erhebt. Dieser großartige Wall, dessen 1700-1900 m hoher Bergrücken von 60 km Länge und 15-25 km Breite nur tief eingeschnittene steile Schluchten zeigt, bildet mit seinen schroffen Felswänden, seinen zahlreichen Kuppen und turmförmigen, kahlen, zackigen Spitzen den majestätischen Kern des ganzen Karpathengebirges.
Die wilde Romantik der Tátra wird noch erhöht durch 58 dunkelblaue und grüne, oft bis Juli eisbedeckte, tiefe Seen (sogen. Meeraugen), die in einer Höhe von 1400-2025 m an steilen Felswänden, von Trümmerhalden umgeben, oder in unwirtlichen Kesseln verborgen liegen. Die höchsten Gipfel sind im W. der dolomitische Rohatsch (2225 m), in der Mitte der granitische Große Kriván (2500 m), im O. die granitische Gerlsdorfer (2659 m), Schlagendorfer (2478 m), Eisthaler (2628 m), Lomnitzer (2635 m) und Käsmarker Spitze (2534 m). Zu jenen Seen, deren größter, der Fischsee, die Bialka zum Dunajec sendet, gehören die Fünfseen unter der Eisthaler Spitze und der 1558 m hoch gelegene Grünsee, an der Nordseite der Lomnitzer Spitze.
Dem innern karpathischen Bergland gehören folgende Gebirgsstöcke an. Südlich von der Hohen Tátra erstrecken sich, dieser parallel, die Liptauer Karpathen oder die Niedrige Tátra, mit den Gipfeln Djumbir (2043 m) und Kralowa Hola oder Königsalm (1940 m). Im W. erhebt sich die Kleine Fátra in der Arva mit dem Kleinen Kriván oder Krivánsátra (1667 m); daran schließen sich im SW. zwischen der Waag, Neutra und Thurocz das Innoveczer und das Freistadtler Gebirge mit dem Klak oder Nahenstein (1333 m) und dem Innovecz (1051 m), im S. dagegen zwischen der Waag, Thurocz, Neutra und Gran die Große Fátra mit der Großen Fátru (1776 m) und der Krina (1572 m) sowie das Neutraer Gebirge mit dem Zobor (1341 m). Östlich von der Gran bis zur Eipel dehnen sich zahlreiche, aus Trachyt und Trachyttuff bestehende, vulkanische Gruppen aus: die bis zu 1445 m aufsteigende Ostrowskygruppe mit dem Sitno (1030 m), wegen des Reichtums an edlen Metallen auch Ungarisches Erzgebirge genannt. Im N. und O. wird sie von den Sohler und Gömörer Gebirgen, mit der Polana (1445 m), der Fabova-Hola (1441 m) und der Revacka-Hola (1394 m) begrenzt.
Die südlichsten Ausläufer der Karpathen sind zwischen der Eipel, Donau und Zagyva das trachytische Neográder Gebirge mit dem Hideg-Hegy (865 m), ferner zwischen der Zagyva und Erlau das malerische Mátragebirge, ein höchst interessanter, in die große ungarische Ebene absteigender vulkanischer Trachytstock mit dem Dasko (910 m), sowie zwischen der Erlau und dem Sajö das aus Grauwacke gebildete, dicht bewaldete Bikkgebirge. Nördlich von letzterm liegen bei Rosenau die höhlenreichen Kalkplatten, die Tornaer Gebirge und oberhalb des Hernád die Zipser Gebirge, welche im Repiszko bis 1250 m ansteigen. Die östlichste Gruppe der Westkarpathen ist die von Eperies südwärts sich erstreckende trachytische Hegvalja, welche im N. im Simonka das sogen. Sovárer Gebirge (1083 m) erreicht und im S. in das berühmte Tokayer Weingebirge oder die eigentliche Hegyalja (508 m) aus läuft.
Während so die Westkarpathen ein geschlossenes Ganze bilden, erheben sich im SO., mit ihnen durch das Karpathische Waldgebirge verbunden, die Südost- und Südkarpathen, welche, als hoher Gebirgswall Siebenbürgen in fast quadratischer Form umschließend, den Namen Siebenbürgisches Hochland führen. Zur nördlichen Kette gehören zwischen der Szamos und Theiß das Láposgebirge mit dem Gutin (1434 m) und Czibles (1826 m) und das Rodnaer Gebirge bis zum Borgo-Prundpaß mit dem Muncsel (1783 m), dem Felskoloß Pietrosza (2297 m) und dem Glimmerschieferstock Kuhhorn (walach. Ineu, 2281 m). Von hier an ziehen sich gegen S. hinab das
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Gyergyóer Gebirge mit dem Pietroszul (2107 m), das Csiker Gebirge mit dem vulkanischen Büdös (916 m) und das Bereczker Gebirge mit dem Lakocz (1764 m). Mit diesem äußern Ostrand laufen fast parallel das Görgényer Gebirge (Mezöhavas 1746 m), das Hargitagebirge mit der 1741 m hohen Hargila und das Baroler Gebirge mit dem Kukukhegy (1540 m). Den Südrand nehmen die Transsylvanischen Alpen, der höchste, schmälste und wildeste Teil der siebenbürgischen Randgebirge, ein.
Mit dem Bodzaer Gebirge im SO. beginnend (Csukás 1944 m), erfüllen sie unterhalb Kronstadt als Burzenländer Gebirge das Burzenland mit Felsplateaus, Felsgipfeln und 600-900 m hoch herausragenden Felswänden (der schroffe Königsstein 2243 m, Bucsecs 2519 m). In dem westlicher gelegenen Fogaraser Gebirge erheben sich der Verfu-Urli (2471 m), der Vunetara (2515 m) und der Negoi (s. d.) als der höchste Berg Siebenbürgens (2543 m). Nun folgen das Cibin-, das Schebescheller, das Paringul- und das Vulkangebirge, an welches sich im äußersten Südwesten das Hatszeger Gebirge mit dem Retjezat (2496 m) anschließt.
Der Westrand zeigt weniger den Charakter eines geschlossenen Randgebirges, wird häufig durch Flußthäler geschieden und erreicht nur eine geringere Höhe. Er beginnt im N. am Szamos mit dem Bück- oder Krasznagebirge (Varatyek 791 m), an welches sich südlicher das höhlenreiche Biharer Gebirge zwischen den Schnellen und Schwarzen Körös mit dem granitischen Bihar oder Kukurbeta (1846 m), das Aranyosgebirge mit dem Muntje le mare (1828 m), das längs derselben bis an die Maros hinabreichende goldreiche Siebenbürgische Erzgebirge mit dem Vulkan (934 m) und Dimboj (1368 m) bei Zalathna und der Basaltmasse der Detunata (s. d.), das Ruszkagebirge mit der Pajana Ruszka (1360 m) und der Burdu Piatra nächst dem Eisernen Thor (2192 m) sowie ganz im SW. das sich in der Klissura bis an die Donau erstreckende Banater Gebirge anreihen. Inmitten all dieser Randgebirge ragt das innere siebenbürgische Hügelland 300-500 m hoch empor.
[Klima etc. Kulturverhältnisse.]
Bei dieser großen Ausdehnung der Karpathen sind die klimatischen Verhältnisse selbstverständlich sehr verschieden. Während im SW. eine mittlere Temperatur von +9,6° C. herrscht und die Unterschiede zwischen Sommer- u. Winterkälte sich von +35,1 bis -21,4° erstrecken, fällt erstere im NW. und N. bei 374-623 m auf 7,5-5,8° und schwankt die Temperatur zwischen +31,9 und -20,5,° in Arva-Váralja sogar zwischen +34,25 und -34,38°. In Siebenbürgen beträgt die mittlere Temperatur am Quellengebiet des Maros- und Altflusses 6,7,° im allgemeinen bei 340 m Höhe 8,8° und im Flußgebiet der Maros 10,3° C. Die mittlere jährliche Feuchtigkeit kann bei einem Maximum von 100 im N. mit 81,5, im SW. und in Siebenbürgen mit 76,5 angenommen werden.
Die mittlere Höhe des jährlichen Niederschlags, welche im SW. bei 86 Regentagen 617,5 mm erreicht, steigt im Hochgebirge (Kronstadt und Arva) bei 180 Regentagen aus 840-900 mm. In den Zentralkarpathen bestehen vier meteorologische Stationen und zwar in Käsmark, Poronin, Schmecks und Zakopane. Die erwähnten klimatischen Veränderungen sind auch für den Charakter der Vegetation bestimmend. Während am Südfuß der Karpathen der Weinstock gedeiht, erheben sich die höchsten Rücken und Gipfel in die Region der echten Alpenflora, wo selbst das Edelweiß auftritt. Im SO. herrscht die Stein-, Stiel- und Zerreiche, letztere jedoch nur im SO.; die Grenze der erstern liegt in Bihar bei 820 m. Am häufigsten tritt die Buche und zum Teil noch in ausgedehnten dichten Waldungen auf; aber während sie im N. nur die Ebenen und Vorhöhen bis 900 m bedeckt, bildet sie im SO. einen von 800-1100 m reichenden Waldgürtel und steigt noch bis 1400 m empor.
Den gewöhnlichen Pflanzen des Buchenwaldes gesellen sich ausgezeichnete Pflanzen der östlichen Flora bei. Über der Buche folgt der dichte Nadelwald, meist aus Rottannen bestehend, welche zwischen 1200 und 1450 m die herrschenden Waldbäume sind. Die Weißtanne reicht an den nördlichen Karpathen nur so weit als die Buche, höher in Bihar. Die Krummholzvegetation, in den Nordkarpathen zwischen 1450 und 1770 m die Gebirgsjoche bedeckend, findet sich auch im SO. aus der Krummholzkiefer, dem Zwergwacholder und der Grünerle, welche in der Tatra fehlt, zusammengesetzt; der Schmuck der Rhododendren mangelt gänzlich.
Bis 2085 m reichen in der Tátra noch Krautweiden, höher finden sich nur Kräuter, Moose und Flechten auf dem öden Fels; doch reichen die weiße Eisranunkel, der kälte liebende Enzian (Gentiana frigida) u. a. bis zu den höchsten Felsspitzen. In der Tátra, im Karpathenwaldgebirge und in den höhern Gebirgsketten Siebenbürgens, wo der Wald noch den Charakter des Urwaldes trägt, sind Bären, Wölfe und der Luchs häufig anzutreffen. Die Gemse ist in der Tátra in letzter Zeit schon seltener geworden.
Die Bevölkerung der Karpathen ist im SO. rumänisch, im übrigen Teil vorherrschend slawisch, und zwar wohnen im W. Slowaken, Hornyaken, Wasserpolacken und die Goralen (von den Bieskiden bis zur Tátra), im O. Ruthenen. Die Ungarn haben sich in Siebenbürgen (Szekler) und am innern Gebirgsrand angesiedelt, die deutschen Einwanderer hingegen meist auf größern Sprachinseln im W. zwischen den Slawen, in der Zips, in den Bergstädten, in Siebenbürgen und im Banat niedergelassen.
Erwerbszweige sind fast überall Ackerbau und Viehzucht, in den höhern Regionen Alpenwirtschaft und Schafzucht, im S. teilweise Weinbau und in vielen Gegenden der Bergbau. Die Karpathen sind das erzreichste Gebirge Europas und bergen in Oberungarn, in der Bukowina, im siebenbürgischen Randgebirge und im Banat fast unerschöpfliche Lagerstätten nutzbarer Mineralien, insbesondere Gold, Silber, Kupfer: Salz und Kohlen, überdies auch Quecksilber, Blei, Galmei, Kobalt, Nickel, Zink, Marmor, Schiefer, Petroleum, Edel-, Halbedelsteine und Bergkristalle (Opal, Amethyst, Chalcedon, Marmaroser Diamanten etc.). Die vorzüglichsten Fundorte mineralischer Schätze sind unter »Galizien«, »Siebenbürgen« u. »Ungarn« angeführt.
Die Karpathen werden nach allen Richtungen hin, insbesondere in den Flußthälern und Pässen, durch zahlreiche Hauptstraßenzüge und Bahnen gekreuzt. Von letztern sind die wichtigsten die Kaschau-Oderberger, Waagthal-, Ungarische Staats-, Eperies-Tarnower, Ungarisch-Galizische und die Ungarische Nordostbahn. Unter den Kurorten gibt es viele sehr bedeutende. Die bekanntesten Thermen und Mineralquellen sind: in Galizien Krynica (Eisensäuerling bei Neu-Sandec), Szczawnica (muriatische Natronquelle am Nordabhang der Tátra), Ivonice (Jodquelle im Sanoker Kreis);
in Ungarn die Schwefelquellen Alvácza (Siebenbürgen), Erlau, Herkulesbäder (bei Mehadia), Pistyán (Komitat Neutra), Trentschin-Teplitz und Stubnya (bei Kremnitz), die Natron- und Magnesiaquellen in Altsohl, die Eisenquellen in Bartfeld, Borszék (Siebenbürgen am Paß Tölgyes),
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Buzias (Temes), Elöpatak (Siebenbürgen), Kovászna (Siebenbürgen), Lucski (Liptau), Lublau (Zips), Szliács (bei Altsohl), Tatzmannsdorf (Eisenburg), Tusnád (Siebenbürgen) und Vihnye (bei Schemnitz), die gashaltigen Thermen in Szkleno (bei Kremnitz), die Stahl-, Schwefel- und Alaunquellen in Parád (Heves), die Solquellen in Alsó-Sebes (bei Eperies), die Glaubersalzquellen in Iynda (bei Temesvár) und der Luftkurort Schmecks in der Hohen Tátra.
Vgl. Hildebrandt, Karpathenbilder (Glog. 1863);
Fuchs, Die Zentralkarpathen (Pest 1863);
Koristka, Die Hohe Tatra (Gotha 1864);
Scherner, Tatraführer (Bresl. 1875-76, 2 Bde.);
Derselbe, Neuer Tatraführer für Vergnügungsreisende (das. 1881);
Kolbenheyer, Die Hohe Tatra (6. Aufl., Teschen 1884);
Heksch, Illustrierter Führer durch die Karpathen (Wien 1881);
Siegmeth, Kaschau etc. und die ungarischen Ostkarpathen (Kaschau 1886);
Wahlenberg, Flora Carpathorum (Götting. 1814);
Ascherson u. a., Karpathenreise (naturwissenschaftliche Beobachtungen, Berl. 1866);
Krones, Geschichte des deutschen Volkstums im Karpathenland (Graz 1879);
Kohut, Aus dem Reich der Karpathen (Stuttg. 1886);
die »Jahrbücher« des Ungarischen Karpathenvereins (Kaschau 1874 ff.),
des Galizischen Tátruvereins (1876 ff.) und des Siebenbürgischen Karpathenvereins (Hermannst. 1881 ff.).
Ein »Orohydrographisches Tableau der Karpathen« (1:750,000) erschien in 6 Blättern (Wien 1886).