Kapitōl
(lat. capitolium), die
Burg der Stadt
Rom
[* 2] (s. d.) und als solche sowie als Platz des röm.
Nationalheiligtums, des
Tempels der kapitol
inischen Göttertrias
(Jupiter, Juno, Minerva), der religiös-polit.
Mittelpunkt des ganzen
Römischen
Reichs,
lag auf dem
Kapitolinischen Hügel (mons Capitolinum), der sich nordwestlich vom
Palatin
über der Niederung des
Forums zu einer Höhe von 46 m ü.d.M. erhebt. Er ist mit etwa 1000 m
Umfang der kleinste unter den
sieben Hügeln
Roms und gliedert sich in zwei durch eine Einsattelung geschiedene
Höhen, deren nördliche
jetzt von der
Kirche Sta. Maria in Araceli, die südliche vom
Palast
Caffarelli (jetzt deutsche
Botschaft) eingenommen ist.
Schon in frühester Zeit war der nach allen Seiten schroff abfallende und im ganzen Altertum nur durch einen fahrbaren Weg (den clivus Capitolinus auf der Südostseite nach dem Forum [* 3] hin) zugängliche Berg befestigt. Dem König Servius Tullius schreibt die Tradition den Mauerring zu, von dessen Unterbau an der Nordwestseite noch Reste zu sehen sind. Der südl. Gipfel, das Capitolium im engern Sinne, trug den Tempel [* 4] des Jupiter. König Tarquinius Priscus begann den Bau, der, von etrurischen Baumeistern geleitet, von Tarquinius Superbus vollendet ward.
Mehrmals durch Feuer zerstört, wurde er 69 v.Chr. durch Quintus Lutatius Catulus, 70 n.Chr. von Vespasian, endlich zehn Jahre später von Domitian wiederhergestellt, immer unter Beibehaltung des alten Plans von 74 m Länge und 51 m Breite. [* 5] Der Tempel hatte drei Cellen; in der mittlern stand das Bild des Jupiter, links der Juno, rechts der Minerva; die Vorhalle bestand aus drei Reihen von je sechs 9 m voneinander abstehenden Marmorsäulen. Das Dach [* 6] bestand aus vergoldeten Bronzeplatten.
Überreich war der Schmuck an Weihgeschenken, Statuen und andern Kostbarkeiten. Der Tempel litt sehr bei der Plünderung Roms durch die Vandalen (455 n.Chr.), doch standen bedeutende Reste noch im 13. Jahrh. Der Platz um den Tempel (Area Capitolina) enthielt zahlreiche kleinere Heiligtümer, Denkmäler und Weihgeschenke; außerhalb dieses mit einer Mauer umschlossenen geweihten Raums lag am westl. Abhange der Felsvorsprung, von dem in älterer Zeit die Staatsverbrecher hinuntergestürzt wurden (Tarpejischer Felsen, saxum Tarpeium).
Die nördl. Höhe (46 m), der anfänglich am stärksten befestigte Punkt (die eigentliche Citadelle, arx), trug seit 344 v.Chr. den Tempel der ratenden Juno (Juno moneta), mit dem später das Münzamt verbunden wurde. Die zwischen beiden Gipfeln liegende Niederung gilt als die Stelle des von Romulus bei Gründung der Stadt eingerichteten Asyls. Nach der Forumsseite zu war der Platz begrenzt durch den gewaltigen, von Lutatius Catulus 78 v.Chr. errichteten Bau des Tabulariums, welcher das Staatsarchiv enthielt.
Beträchtliche in das Untergeschoß des Senatorenpalastes verbaute Reste sind noch erhalten. Im frühern Mittelalter
trug der
Kapitolinische Hügel nur ein monumentales
Gebäude, die
Kirche Sta. Maria in Araceli auf dem nördl. Gipfel. Seit
der Wiederherstellung des röm. Senats 1143 gewann das Kapitol
von neuem eine
Stellung als ideeller und administrativer Mittelpunkt
der Stadt; der Kapitol
platz diente lange Zeit (bis 1477) als Hauptmarkt, über den Trümmern des Tabulariums
erhob sich der festungsartige Senatorenpalast; ein Hauptaufgang von Norden
[* 7] her, die große
Treppe
[* 8] von Araceli, wurde 1348 angelegt.
Kurz vor 1540 entwarf
Michelangelo einen
Plan für die Umgestaltung des Kapitol
, der in den folgenden hundert Jahren nicht ohne
mancherlei
Abweichungen ausgeführt
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C auszusuchen. ¶
mehr
wurde und dem Kapitol
sein jetziges Aussehen gab. Michelangelo selbst schmückte den Platz mit der im Mittelalter beim Lateran
stehenden Bronzestatue des Kaisers Marc Aurel (1538) und begann den Umbau der Façade des Senatorenpalastes; später arbeiteten
Tommaso dei Cavalieri, Giacomo della Porta, Girolamo Rainaldi nach seinen Plänen weiter.
Man steigt zum Kapitol
vom Marsfelde (Piazza di Araceli) auf einer breiten Flachtreppe (cordonnata) empor,
die unter Pius Ⅳ. (1559‒65) erbaut und am obern Abschluß mit den kolossalen Marmorstatuen zweier Dioskuren
[* 10] geschmückt
ist. Der Platz, dessen Mitte das genannte Reiterbild des Marc Aurel einnimmt, ist begrenzt links von dem Palast des Kapitolinischen
Museums (erbaut 1644‒55 von Rainaldi), der eine der bedeutendsten Statuensammlungen (Eigentum der Stadt Rom) enthält; rechts
von dem Konservatorenpalast (von T. de Cavalieri 1564‒68), worin sich städtische Amtslokale, Festsäle und Museumsräume
(in diesen viele nach 1870 auf städtischem Terrain gefundene Statuen, aber auch manches aus älterm Besitz, z. B. die Wölfin
und der Dornauszieher aus Bronze,
[* 11] die Konsular- und Triumphalfasten u. s. w.; ferner eine Sammlung von Büsten berühmter Männer
der Wissenschaft [Protomoteca] sowie eine Gemäldegalerie) befinden.
Dem Aufgang gegenüber liegt der Senatorenpalast (vollendet 1592 von Rainaldi), mit stattlicher Doppeltreppe und hohem Glockenturm
von Martino Lunghi 1579). Der Hauptsaal dieses Palastes dient für die Sitzungen des röm. Stadtrats. Die
nördlichste Spitze des Kapitol
ist neuerdings bestimmt worden, das Nationaldenkmal des Königs Victor Emanuel zu tragen. Der
Grundstein des kolossalen Baues wurde gelegt. Die Leitung liegt in den Händen des Architekten Sacconi. Das Kloster
von Araceli und mehrere Straßen am Fuße des Kapitol
haben demoliert werden müssen.
Zur Topographie des Kapitol
vgl. Jordan, Kapitol
, Forum und Sacra Via (Berl. 1881); C. Re und G. B. de Rossi im «Bullettino archeologico
comunale», Bd. 10 (Rom 1882); Jordan, Topographie der Stadt Rom, Bd. 1, Abteil. 2 (Berl.
1885). Über das moderne Kapitol:
Righetti, Descrizione del Campidoglio (2 Bde.,
Rom 1835‒50);
Michaelis in Lützows «Zeitschrift für bildende Kunst» (Neue Folge, Bd. 2, 1891).
Nach dem Vorbild des römischen finden sich Kapitol
als municipaler und religiöser Mittelpunkt einer Stadtgemeinde
auch in andern Städten Italiens
[* 12] (Benevent, Fiesole, Verona),
[* 13] in Köln,
[* 14] Besançon,
[* 15] mehrern Städten Numidiens (Cirta, Lambäsis,
Thamugadi) und andern röm. Provinzen; der Kultus der kapitol
inischen Göttertrias (Jupiter, Juno, Minerva) ist an mehrern dieser
Orte ausdrücklich bezeugt. Den Namen Kapitol
führt auch der Kongreßpalast der Vereinigten Staaten
[* 16] in Washington.
[* 17] –
Vgl. Kuhfeldt,
De Capitoliis imperii Romani
(Berl. 1883).