Titel
Kapital
,
ein erst seit dem
Mittelalter in der deutschen
Sprache
[* 2] eingebürgertes
Wort, unter welchem man
eine zum Ausleihen bestimmte, eine
Einnahme von
Zinsen versprechende Geldsumme verstand (capitale, caput pecuniae als Übersetzung
des griechischen
Wortes kephaleion ^[κεφαλειον] früher im
Deutschen »Hauptgeld«; als
Gegensatz hierzu: tokos ^[τοκος]
»das Geborne«, usurue,
»die
Zinsen«). Der Sprachgebrauch hält an dieser Auffassung noch vielfach fest und betrachtet die
Begriffe Kapital
, Geldkapital
,
Leihkapital
als gleichbedeutend.
Man nennt einen Kapital
isten denjenigen, dessen
Einnahmen ganz oder überwiegend aus
Zinsen bestehen. Unter
Kapitalisierung
versteht man die Umrechnung von
Renten, welche in verschiedenen Zeitpunkten eingehen, in eine auf einmal fällige
Summe (Diskontierung
von zeitlich begrenzten oder von ewigen
Renten). Doch kapital
isiert man auf diese
Weise nicht allein Leihzinsen
und feste Geldrenten, sondern auch
Erträge von
Grund und
Boden,
Häusern etc. Die durch die Rechnung gefundene
Summe stellt dann
die Kapital
größe dar, zu welcher der die
Rente abwerfende Gegenstand zu veranschlagen ist.
Auch wendet man den
Ausdruck
Kapitalisierung (oder Kapital
isation) oft dann an, wenn eine Geldsumme erspart
und durch zinsbare Anlegung nutzbar gemacht wird. Und infolge davon, daß im
Geld als Preismaßstab alle Vermögensgegenstände
wirtschaftlich beziffert werden, hat man sich auch daran gewöhnt, die
Begriffe
Geld und als einander schlechthin deckend zu
betrachten. In der
Nationalökonomie ist es üblich geworden, unter Kapitalien
, als
Gegensatz zur
Arbeit,
alle preiswürdigen
Güter zu bezeichnen, welche als Hilfsmittel des Wirtschaftsbetriebs dienen. In diesem
Sinn wären
Roh- und
Hilfsstoffe,
Werkzeuge,
[* 3] Geräte,
Maschinen etc. Kapitalien
und zwar nur, wenn sie wirklich produktiv verwertet werden.
Über die
Frage des Kapital
seins würde dann teils die
Beschaffenheit des Gegenstandes (als
Genußmittel sind manche
Dinge überhaupt
nicht zu benutzen, wie z. B.
Guano, oder sie lassen nur eine unvernünftige, unwirtschaftliche Verwertung zu), teils auch
der
Wille des Besitzers (der
Ochs kann als Zugtier verwendet, aber auch verzehrt werden) entscheiden. In erweiterter Bedeutung
nennt man auch Kapitalien
alle
Güter, welche einer produktiven Anwendung fähig sind, und spricht insofern
von totem, brach liegendem Kapital, von der Kapitalverzehrung etc. Die meisten Kapitalgegenstände
sind unter Mitwirkung menschlicher
Arbeit entstanden.
Man hat deshalb auch, indem man gleichzeitig die Kapitalgröße durch die auf die Erzeugung verwendete Arbeit bemessen wissen wollte, das Kapital schlechthin »angesammelte Arbeit« genannt. Doch ist die Gesamtheit der Arbeitsleistungen, aus welchen ein Gut hervorgeht, keineswegs immer gleich der Summe, zu welcher wir letzteres beziffern. Auch können ohne menschliche Hilfe entstandene Naturobjekte als wertvolle Kapitalien Verwendung finden, wie z. B. Holz, [* 4] landwirtschaftliches Gelände.
Nach der erwähnten Auffassung ist auch Geld als Kapital zu betrachten und zwar sowohl von privatwirtschaftlichem (Erwerbs-, Zahlmittel) als auch von volkswirtschaftlichem Standpunkt aus, indem dasselbe für Erhaltung des Tauschgetriebes und des ganzes Ganges der gesamten Produktion unentbehrlich ist. Oft spricht man auch vom Kapitalwert des Menschen, indem man darunter die Summe seiner Erziehungs- und Bildungskosten begreift; doch ist der Ausdruck unzutreffend, weil die Kapitalien nicht immer nach ihren Herstellungskosten bemessen werden. Allerdings kann je nach Sitte und Recht auch der Mensch als Sklave und Handelsartikel den sachlichen Mitteln des Wirtschaftsbetriebes ganz gleichgestellt sein; doch sind für unsre heutigen Anschauungen und Rechtszustände die Begriffe Mensch und Arbeiter auf der einen, Maschine [* 5] und Arbeitsvieh auf der andern Seite voneinander streng gesondert zu halten. ¶
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In der Nationalökonomie spricht man von fixem und beweglichem, gebundenem und flüssigem, stehendem und umlaufendem, Anlage- und Betriebskapital, Begriffe, die sehr verschieden definiert werden:
1) Stehendes und umlaufendes Kapital. Zu ersterm gehören nach A. Smith die Dinge, welche ihrem Besitzer, ohne ihn zu verlassen oder in andre Hände zu geraten, ein Einkommen abwerfen; das umlaufende Kapital aber wirkt erst dadurch für ihn werbend, daß er es weggibt. Hierher würden alle zum Verkauf bereiten Produkte, so auch Maschinen, gehören. Der Typus des umlaufenden Kapitals ist das Geld, indem es vorzüglich dadurch, daß es von Hand [* 7] zu Hand geht, seinen Zweck erfüllt.
2) Flüssiges und gebundenes Kapital. Ersteres (insbesondere das Geld) steht seinem ganzen Betrag nach zur freien Verfügung, letzteres ist nicht beliebig verwendbar und zwar entweder anderweit überhaupt nicht oder nur mit Verlust. Die Bindung kann bedingt sein durch Rechtsverhältnisse oder auch durch die Form des Kapitals (Immobilisierung, Fixierung, in der Umwandlung begriffenes Produkt); Grad und Dauer derselben sind von großer Bedeutung für den Erfolg der Unternehmung, deren Hauptkunst darin besteht, die Verflüssigung und Bindung am rechten Ort, zur rechten Zeit und in richtiger Menge zu bewirken. Die privatwirtschaftliche Verflüssigung (Umsatz in Geld durch Verkauf) ist nicht immer der volkswirtschaftlichen (Ersetzung des Aufwandes bei der Ernte) [* 8] gleichbedeutend.
3) Fixes und bewegliches Kapital. Viele Güter werden bei einmaliger Verwendung zur Produktion vollständig aufgebraucht, indem sie entweder, wie die Rohstoffe, in andre verwertbare Formen umgewandelt werden (Flachs, Garn, Leinwand, Hemden, Lumpen, Papier, Zierat), oder indem sie, wie die Hilfsstoffe, ganz oder teilweise unnutzbare Formen annehmen (Steinkohlen und Holz, gasförmige Substanzen und Aschenrückstände beim Verbrennen). Dieselben sind nach Hermann bewegliche Kapitalien.
Andre werden nicht verbraucht, sondern gebraucht, sie lassen sich zu mehreren Produktionen verwenden und heißen fixe Kapitalien (absolut fix nur der Boden als Standort). Diese Unterscheidung ist zunächst von Bedeutung für die Kostenrechnung. Das bewegliche Kapital ist seinem ganzen Betrag nach mit Einschluß der Zinsen, berechnet für die Dauer der Produktion bis zur Feilstellung des Produkts, im Preis des letztern zu ersetzen. Vom fixen Kapital sind nur Zinsen und Abnutzung unter die Kosten zu stellen.
Infolgedessen kann die privat- oder auch volkswirtschaftliche Umwandlung von beweglichem in fixes von Wichtigkeit für die Rentabilität werden. Sie bedeutet die Ersetzung vieler kleiner Ausgaben durch eine einmalige größere. Dazu ist das fixe Kapital oft weit leistungsfähiger und gibt zu vielen Ersparungen Veranlassung. Insofern sind wirtschaftliche Fixierungen ein gewaltiger Hebel [* 9] für den Fortschritt. Nur durch solche (wie Schaffung von Wegen, Bahnen, Häfen, Bau von Schiffen, Fabriken, Maschinen) wird es möglich, unsre Aufwandsfähigkeit zu steigern, während man ohne fixes Kapital nur von Hand zu Mund lebt.
Insbesondere sind es die Maschinen und unter diesen vorzüglich diejenigen, bei welchen Kohle und Eisen [* 10] verbunden wirken, durch welche der Mensch ungeheure Erfolge erzielt hat. Dieselben liefern bessere Erzeugnisse von größerer Gleichmäßigkeit, Genauigkeit, Feinheit als die Handarbeit, oder sie verrichten Dienste, [* 11] welche für Auge [* 12] und Hand viel zu groß oder zu klein und ohne Maschine ganz unmöglich wären. Außerdem gestatten sie große Ersparungen an Arbeit und Kapital. Zu diesen Vorteilen kommen noch andre hinzu, welche die Einführung von Maschinen zumal in Zeiten begünstigten, in welchen das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeiter durch Streitigkeiten und absichtliche Arbeitsunterbrechungen getrübt wurde.
Die Maschine, welche nie müde wird, ist ein willfähriges Instrument; der Unternehmer, welcher durch dieselbe Arbeiter ersetzt, ist infolgedessen weniger durch die Gefahren der Kontraktbrüche und der Arbeitseinstellung bedroht und leichter im stande, etwanigen Lieferungsbedingungen vollständig nachzukommen. Nicht jede Fixierung ist übrigens volkswirtschaftlich nützlich oder gleich vorteilhaft für alle Klassen und Glieder [* 13] der Gesellschaft. Das in verfehlte große Anlagen gesteckte Kapital ist meist vollständig verloren, dann ist jede größere Fixierung mit wirtschaftlichen Verschiebungen verknüpft, indem Kapital- und Arbeitsübertragungen, Änderungen in der Nachfrage etc. an der einen Stelle Einnahmeerhöhungen, an der andern dagegen wirtschaftliche Schwierigkeiten, größere Kosten und Einnahmeminderungen hervorrufen. Häufig werden auch Arbeitskräfte, wenn auch nur vorübergehend, entbehrlich gemacht, und es wird so die Erhöhung des allgemeinen Wohlstandes nicht ohne Opfer für einzelne Personen und Klassen erkauft.
4) Anlage- und Betriebskapital. Unter dem Anlagekapital versteht man die Gesamtheit derjenigen Güter, welche zur Herstellung einer gewerblichen Anlage (im weitesten Sinn) erforderlich oder in einer solchen dauernd enthalten sind, also Grund und Boden, Gebäude, Dampfkessel, [* 14] Maschinen etc. Den Gegensatz zu demselben bildet das Betriebskapital. Dasselbe wird oft als gleichbedeutend mit dem beweglichen Kapital aufgefaßt. Im Geschäftsleben wird als Betriebskapital die Summe Geldes, bez. geldwerter Forderungen betrachtet, welche für dauernde Unterhaltung des Geschäfts durchschnittlich verfügbar sein muß.
Ebenso werden im Finanzwesen als Betriebskapital diejenigen flüssigen Hilfsmittel für die Bestreitung des Staatsaufwandes bezeichnet, welche vorhanden sein müssen, um den Bedürfnissen bis zum regelmäßigen Eingang der Einnahmen gerecht werden zu können, welche für die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung mit bestimmten Beträgen in das Ausgabebudget eingestellt zu werden pflegen und im Einnahmebudget durch die vorhandenen oder angenommenen Kassenbestände beglichen werden.
Scharf zu unterscheiden von der oben erwähnten, in der Volkswirtschaftslehre üblichen Auffassung des Begriffs Kapital ist die des Kapitals im historisch-rechtlichen Sinn oder als Kapitalbesitz, welcher als Stamm ökonomischer Machtmittel seinem Inhaber, auch wenn derselbe sich nicht an der Güterproduktion beteiligt, Anteile an dem Gesamteinkommen in Form von Zinsen und Renten (Kapitalgewinn) sichert und zwar auf Grund der sogen. kapitalistischen Produktionsweise, d. h. derjenigen, bei welcher Unternehmer, Grundbesitzer und Geldverleiher den Lohnarbeitern gegenüberstehen.
Diesen Begriff haben die Sozialisten im Auge, wenn sie vom Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit und von einer Beseitigung des Kapitals sprechen. Sie wollen die heutige kapitalistische Einrichtung der Gesellschaft (Kapitalismus, Kapitalherrschaft) durch eine sozialistische (s. Sozialismus) ersetzen. Dagegen fassen andre, wenn sie von Klassengegensätzen sprechen, den Begriff Kapital wieder in einem engern Sinn auf. Die Kapitalherrschaft ist ihnen gleichbedeutend mit einer wirklichen oder vermeintlichen Beherrschung des ¶
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staatlichen und gesellschaftlichen Lebens durch die Besitzer von Leihkapital (Schuldtitel mit Einschluß der Aktien), überhaupt durch Kapitalisten im engern Sinn, im Gegensatz zu den Interessen des Grundbesitzes und des kleinen Handels- und Gewerbestandes. Der Verwechselung der Begriffe Kapitalbesitz und Kapitalobjekt sind viele Mißverständnisse, zumal hinsichtlich der Entstehungsweise des Kapitals, entsprungen. Das gesamte volkswirtschaftliche als Summe aller Hilfsmittel der Produktion kann sich nur bilden und vermehren auf dem Weg der Erzeugung und zwar solcher Güter, welche als Kapitalien ihre Verwendung finden.
Eine solche Kapitalisierung schließt den Begriff des Sparens auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus in sich. Denn es wird der Produktion eine solche Richtung gegeben, daß im ganzen weniger Genußmittel erzeugt und weniger persönliche Dienstleistungen während der Kapitalbildung verrichtet werden, als ohne die letztere möglich sein würde. Der Kapitalbesitz, insbesondere der private Kapitalbesitz, kann sich vergrößern durch produktive Thätigkeit seines Inhabers, ebenso aber auch ohne eine solche durch günstige Gestaltung der Konjunkturen.
Die private Kapitalisierung erfolgt entweder durch Fixierung oder durch Umwandlung in Geld und bei genügend entwickeltem Kreditsystem in zinstragende Forderungsrechte. Sie ist im letztern Fall nicht immer einer Mehrung des volkswirtschaftlichen Kapitals gleichbedeutend, sondern nur wenn der Schuldner die ihm überlieferten ökonomischen Machtmittel wirtschaftlich als Kapital verwendet. Dies ist, da heute der Produktivkredit den Konsumtivkredit überwiegt, meist der Fall. Insofern kann man sagen, daß die genannte Art der Kapitalisierung nicht allein die Wirkung privaten Sparens ist, indem auf Genüsse, die augenblicklich hätten erzielt werden können, zu gunsten eines zukünftigen Konsums oder auch im Interesse einer Erhöhung der ökonomischen Machtstellung verzichtet wurde, sondern daß sie auch eine Vergrößerung des volkswirtschaftlichen Kapitals zur Folge hat.
Aus diesem Grund ist die Kapital bildende Ersparung von großer Wichtigkeit für den Einzelnen wie auch für die Gesamtheit. Der Trieb zum Sparen ist bedingt durch die Möglichkeit einer vorteilhaften Anlegung des Ersparten (Kassen, gesunder Kredit), durch die Gewißheit, seinen Zweck zu erreichen (Rechtssicherheit), durch die Notwendigkeit, späterer Not vorzubeugen (Familie), durch den Stand der intellektuellen und moralischen Bildung, Volkscharakter, Sitte, religiöse Anschauungen, Familiensinn, Verantwortlichkeitsgefühl etc.
Vgl. Umpfenbach, Das in seiner Kulturbedeutung (Würzb. 1879).