[* 1] (franz.), Landbezirk, Unterabteilung eines größern
Bezirks, speziell in
Frankreich Bezeichnung für die aus
mehreren
Gemeinden bestehenden Unterabteilungen des
Arrondissements;
in der
Schweiz,
[* 2] wo der
Name seit der Mitte des 16. Jahrh.
den ältern
Namen
»Ort« allmählich verdrängte, Bezeichnung für die einzelnen (selbständigen) Bundeslandteile
der
Eidgenossenschaft;
daher Kantönligeist etc., s. v. w. engherziger Provinzialgeist
etc. Über in militärischer Beziehung s.
Kantonverfassung.
(Canton, chines.
Kuang-tschou-fu), Hauptstadt der chines. Küstenprovinz
Kuangtung, am
Perlfluß, etwa 144 km von
seiner Mündung entfernt. Die
Bevölkerung,
[* 3] von einigen auf 1½ Mill. geschätzt, beträgt wahrscheinlich kaum die Hälfte
dieser Zahl. Kanton ist die Wiege des europäischen
Handels in
China,
[* 4] indem hier vor dem großen Opiumkrieg mit den Engländern
(1841) sich der
Verkehr mit dem
Westen konzentrierte. Da der letztere sich jetzt auf eine große Anzahl Vertragshäfen verteilt,
so hat Kanton viel von seiner frühern Wichtigkeit verloren, wozu die
Existenz des blühenden englischen
FreihafensHongkong wesentlich beiträgt.
Trotzdem ist Kanton die wichtigste Stadt des südlichen
China. Die europäische Niederlassung befindet sich auf einer kleinen,
der südlichen Vorstadt vorgelagerten
Insel des Perlstroms,
Namens Schamien. Die dort ansässigen
Firmen sind jedoch seit einigen
Jahren nur noch
Filialen ihrer
Häuser inHongkong, von wo aus der größte Teil der kantonesischen
Produkte
verschifft wird. Ein eigentümliches Gepräge gibt Kanton das
Leben auf dem
Wasser des
Perlflusses. Derselbe ist breiter als die
Themse bei
London,
[* 5] bis 7 m tief und stets bedeckt mit
Schiffen aller Art. Die kleinen
Boote werden von armen
Familien von
Fischern, Wäschern,
Unterhändlern u. dgl. bewohnt, welche darauf
ihren ganzen Hausrat, sogar einen kleinen Götteraltar mitführen; die größern
Dschonken sind dagegen oft mehrere
Stockwerkehoch und an der Landungstreppe häufig mit
Zierpflanzen nett geschmückt.
Andre große, bunt gemalte, reichvergoldete
Boote werden
Blumenboote genannt;
Frauen und Freudenmädchen treiben darin ihrWesen. Zu den Hauptsehenswürdigkeiten
der Chinesenstadt gehören einige
Tempel,
[* 6] so jener der »fünf
Genien« und der »fünfhundert
Genien«, des
»Mondes« etc. Diese Tempel sind geräumige, nicht sehr hohe Gebäude, zu denen man durch mehrere schöne Vorhöfe und Vorhallen
gelangt; am Eingang befinden sich in großen Nischen zur Rechten und Linken riesenhafte Götter- oder Heldenstatuen in kriegerischem
Schmuck, während im Innern selbst die vergoldeten Bilder der Weisen und Wohlthäter des chinesischen Volkes
oder des Buddha und seiner Jünger mit ihren Attributen aufgestellt sind. Im ganzen befinden sich in der alten Stadt 124 Tempel
etc., eine mohammedanische Pagode und zahlreiche buddhistische Klöster mit Türmen.
Die mittlere Jahrestemperatur ist 26,7° C. Als Industriestadt nimmt Kanton unter allen
StädtenChinas den ersten Rang ein; es ist Hauptsitz der Seidenweberei und Seidenstickerei, Borten- und
Schnurenfabrikation, Färberei und Appretur, Glasbläserei, Glas- und Steinschleiferei, Lackwaren- und Papierfabrikation,
[* 8] Holz-
und Elfenbeinschnitzerei wie Möbelschreinerei; in den Umgebungen beschäftigt die Seiden-, Metall- u. Porzellanindustrie ganze
Dörfer, zur Zeit der Zuckerernte ist ein großer Teil der Bevölkerung in den Zuckermühlen beschäftigt.
Für den inländischen Handel ist ein hervorragender Markt; seine Kaufleute kennen seit langem die Waren, welche aus dem Westen
kommen, gründlich und genau sowie anderseits die Absatzquellen und den Geschmack im Innern des Reichs. In Kanton hat sich der
eigentümliche. Jargon des »Pidschin-Englisch« ausgebildet, der eine Verständigung
mit den Fremden ermöglicht. Die Kaufleute von Kanton sind als Zwischenhändler zuverlässig; aber in eignen
Handelsangelegenheiten erlangen sie über den Europäer große Vorteile durch einheitliches Vorgehen, das durch Vereinigungen
und staatliche Maßregeln begünstigt wird.
Über den Handelsverkehr mit fremden Ländern geben die Ausweise des dortigen unter europäischer Leitung stehenden Zollhauses
genauen Aufschluß. Alle unter chinesischer Flagge segelnden Schiffe
[* 9] und ihre Waren verzeichnet dagegen das
unter chinesischer Leitung stehende Binnenzollamt, und dieses veröffentlicht keine Berichte, der umfassende Küstenhandel
ist daher in nachstehendem nicht inbegriffen. Nur Dampfschiffe können bis nach Kanton selber hinaufgehen; die immer seltener
werdenden Segelschiffe müssen bei Whampoa, 50 km unterhalb der Stadt, Anker
[* 10] werfen.
Der Schiffsverkehr der Fahrzeuge europäischer Bauart im Hafen von Kanton (mit Whampoa) hat sich ungemein schnell gehoben und betrug 1885 im
Eingang: 1107 Dampfer von 1,029,390 und 1145 Segelschiffe von 1,046,145 T.;
auf die britische Flagge entfielen vom Tonnengehalt
82,9, auf die deutsche 6,5, auf die amerikanische
6,1, die chinesische 4,5, auf Segelschiffe nur 1 Proz.
Der Gesamtwert der Ein- und Ausfuhr betrug 1860: 87, 1869: 140 und 1885: 171 Mill. Mk. Davon entfielen
im letzten Jahr auf die Ausfuhr von Landesprodukten 78 Mill. Mk.; dieselbe besteht vornehmlich
in Seide
[* 11] und Seidenwaren, Thee, Zucker,
[* 12] Tabak,
[* 13] Matten, Feuerwerk, Papier, Kassie, Porzellan, Stöcken etc. Die
Einfuhr fremder Waren (33 Mill. Mk.) besteht in Baumwollwaren, Reis und Weizen, Opium, Metallen etc., fast ausschließlich aus
Hongkong. Doch wird Opium in namhaften Quantitäten eingeschmuggelt. Kanton ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls.