Kannstatt
[* 1] (Cannstatt, Canstatt), Oberamtsstadt im württemberg. Neckarkreis, zu beiden Seiten des Neckar, 4 km von Stuttgart, [* 2] mit dem es durch ein besondere Pferdebahn verbunden ist, in fruchtbarer, lieblicher Gegend, Knotenpunkt der Linien Bretten-Friedrichshafen und Kannstatt-Nördlingen der Württembergischen Staatsbahn, 220 m ü. M., hat in den neuern Stadtteilen schöne Straßen, eine evangelische (von 1471) und eine kath. Pfarrkirche, 2 Brücken [* 3] über den Neckar, schöne Anlagen um den Kursaal mit einem Reiterstandbild des Königs Wilhelm und (1885) 18,031 meist evang. Einwohner.
Die
Industrie ist ziemlich lebhaft. Kannstatt
besitzt eine große Eisenbahnreparaturwerkstätte,
mehrere
Eisengießereien und Maschinenfabriken, eine
Fabrik für Blechwaren, Feuerrequisiten, elektrotechnische
Apparate,
Stühle,
eine mechanische
Weberei,
[* 4] Wollspinnerei,
Tuch-,
Tabaks- und Korsettfabrikation, Ziegeleien und vortrefflichen
Obst- und Weinbau.
Besondere Bedeutung erhält Kannstatt
durch seine
Mineralquellen (etwa 30 an der Zahl) und Heilanstalten. Von den erstern
sind der Wilhelmsbrunnen, der Sprudel und die Inselquelle die wichtigsten. Es sind kohlensäurereiche, eisenhaltige Kochsalzwässer,
sogen. muriatische
Eisensäuerlinge. In 10,000 Gewichtsteilen enthalten:
Wilhelmsbrunnen | Sprudel | Inselquelle | |
---|---|---|---|
Chlornatrium | 20,104 | 20,447 | 24,980 |
Schwefelsaures Natron | 3,850 | 2,925 | - |
" Kali | 0.425 | 0.622 | 0.820 |
Schwefelsaure Magnesia | 5,007 | 3,902 | 4,777 |
: | 9,282 | 7,449 | 5,597 |
Schwefelsauren Kalk | 8,509 | 9,399 | 12,946 |
Kohlensauren Kalk | 10,574 | 10,690 | 9,296 |
: | 19,083 | 20,089 | 22,242 |
Kohlensaures Eisenoxydul | 0.173 | 0.122 | 0.148 |
Feste Bestandteile: | 48,642 | 48,107 | 52,967 |
In einem Volumen Mineralwasser (bei einem Barometerdruck von 27'' und 17° C. Temperatur) enthält der Wilhelmsbrunnen 0,846, der Sprudel 0,908 und die Inselquelle 0,964 Kohlensäure, die Temperatur beträgt 15-17° C. Die Quellen sind besonders gegen Katarrhe der Schleimhäute, Unterleibsleiden aller Art, fehlerhafte Blutmischung und Schwächezustände des Nervensystems zu empfehlen und werden innerlich und äußerlich gebraucht, auch zu 31-34° C. erwärmt getrunken.
Daneben werden vielfach
Molken angewendet.
Schon die
Römer
[* 5] kannten und benutzten die
Quellen, wie die
Ausgrabung
eines römischen
Bades und andrer
Altertümer in der
Nähe von Kannstatt
bezeugen. Den heutigen Aufschwung und zahlreichen Fremdenbesuch
verdankt der
Ort dem König
Wilhelm. Von den Heilanstalten sind die Veielsche Flechtenheilanstalt und eine
Wasserheilanstalt,
verbunden mit Sanatorium für Nervenkranke, bemerkenswert. Kannstatt
ist Sitz eines Amtsgerichts, eines
Hauptsteueramtes, hat ein
Lyceum, eine Realanstalt, eine höhere Töchter- und eine Musikschule, zahlreiche Töchterpensionate und
ein Sommertheater. Bei Gelegenheit des auf dem Wasen zwischen
Berg und Kannstatt
alljährlich 28. Sept. gefeierten
Volksfestes finden
auch
Pferde-
[* 1]
^[Abb.
Wappen
[* 6] von Kannstatt.]
¶
mehr
rennen statt. Außerdem ist das Kannstatter
Maienfest mit dem Umzug maskierter Kinder merkwürdig. Bemerkenswert sind die
in dem Kalktuff häufig vorkommenden Höhlen, oft von 10 m Länge, mit fossilen Mammut- und andern Tierknochen. In der Nähe sind
besonders erwähnenswert: die königlichen Lustschlösser Rosenstein und Wilhelma, jenes 1824-1830 erbaut, in edlem
Stil, mit Bildergalerie und Park, dieses 1842-51 erbaut, in maurischem Stil, mit prachtvollen Gärten und reichen Gewächshäusern.
Östlich von der Stadt liegt der 410 m hohe Rothenberg, welcher ehedem das Stammschloß der württembergischen Fürsten (Rothenburg)
[* 8] trug, an dessen Stelle jetzt ein griechischer Tempel
[* 9] mit den Grabstätten König Wilhelms (gest. 1864) und
seiner Gemahlin Katharina (gest. 1819) steht. - Kannstatt
wird zuerst in einer Urkunde von 708 erwähnt. Im 11. Jahrh. soll der Ort
Mauern und Stadtrechte erhalten haben.
Kaiser Ludwig der Bayer verlieh ihm 1330 die Rechte und Freiheiten der Reichsstadt Eßlingen.
[* 10] Bis zur Mitte des 14. Jahrh. war
hier das Landgericht für die Grafschaft Württemberg.
[* 11] Große Einbuße erlitt Kannstatt
mehrfach durch Überschwemmungen,
durch den Dreißigjährigen Krieg und die Einfälle der Franzosen 1688, 1693 und 1707. Am siegten hier die Franzosen
unter Moreau über die Österreicher unter Erzherzog Karl.
Vgl. Veiel, Der Kurort Kannstatt
und seine Mineralquellen
(Kannst. 1875).