Titel
Kanäle
,
künstlich hergestellte Wasserläufe, welche verschiedenen
Zwecken dienen.
Ihrer Bestimmung
nach unterscheidet man hauptsächlich Kanäle
für Wasserzu- und Abfuhr und Kanäle für Verkehrszwecke. Kanäle für
Wasserzufuhr und Wasserabfuhr dienen der
Bewässerung trockner Ländereien als Bewässerungskanäle
, der
Entwässerung nasser
Ländereien als Entwässerungskanäle
, der Wasserversorgung von bewohnten Ortschaften, dem Betrieb von
Mühlen
[* 2] und Fabrikwerkstätten
als Mühlgräben und Fabrikkanäle
, der
Ableitung des
Wassers aus natürlichen Wasserläufen als Flutgräben,
der Abfuhr von
Wasser und Unratstoffen aus städtischen Wohnstätten als
Kloaken etc. Die systematische
Anlage unterirdischer
Kanäle
zur
Ableitung von Abfallstoffen aus bewohnten
Orten bezeichnet man als
Kanalisation (s. d.).
Bei den Kanälen
für Verkehrszwecke dient das
Wasser als Beförderungsmittel für den
Transport von
Menschen
und
Gütern; man unterscheidet: Triftkanäle
zur Beförderung von
Holz,
[* 3] Flößkanäle
zum
Flößen,
Schiffahrtskanäle für den
Betrieb der
Schiffahrt und zwar sowohl der
Binnen- als der Seeschiffahrt. Die der letztern dienenden maritimen Kanäle
können von
Seeschiffen befahren werden. Kanalisierung nennt man die Schiffbarmachung natürlicher Wasserläufe durch künstliche
Mittel.
[Geschichtliches.]
Die Kanäle
dienten in der ältesten Zeit mehr dazu, die
Bewässerung des
Landes zu fördern,
als den
Verkehr zwischen einzelnen
Ländern zu vermitteln. Jenen
Zweck hatten namentlich die Kanäle
im alten
Ägypten,
[* 4] mittels deren
das Nilwasser in die höher gelegenen dürren Gegenden des
Landes geleitet ward. Dergleichen Kanäle
finden sich noch
jetzt in den meisten
Ländern. So bewässert der oberhalb
Lingen abzweigende Emskanal zugleich einen Teil des sogen. Ochsenbruchs;
der
Canal de l'Ourcq versorgt
Paris
[* 5] mit
Wasser und trägt gleichzeitig kleinere
Schiffe;
[* 6] der
Naviglio Grande und der
Kanal
[* 7] von
Pavia nach
Mailand
[* 8] dienen gleichzeitig der
Schiffahrt und Wiesenbewässerung, während die in den
Torfmooren
Hollands,
Ostfrieslands und
Oldenburgs sowohl für die
Schiffahrt als auch für die
Entwässerung bestimmt sind.
Jedoch hatten auch die Alten schon eine hohe Meinung von der Wichtigkeit der Kanäle
für Schiffahrtszwecke.
Schon unter den ägyptischen
Pharaonen und den
Ptolemäern wurden große
Arbeiten zur
Verbindung des
Nils mit dem
Roten
Meer ausgeführt.
In
Griechenland
[* 9] wurde schon in alten
Zeiten ernstlich das
Projekt eines Durchstichs des
Isthmus von
Korinth
[* 10] in Erwägung gezogen.
Die
Römer
[* 11] nahmen zwar keine Kunstbauten für
Binnenschiffahrt vor, aber die riesigen
Wasserleitungen, welche zur Wasserversorgung
der
Städte erbaut wurden, legen
Zeugnis von dem hohen
Stande der Kanalbautechnik unter ihrer Herrschaft
ab. In
China
[* 12] existieren schon seit alten
Zeiten sowohl
Bewässerungs- als
Schiffahrtskanäle. Der berühmteste der letztern ist
der
Kaiserkanal, welcher eine
Verbindung zwischen
Peking
[* 13] und
Kanton
[* 14] herstellt.
In
Europa
[* 15] hatte
Italien
[* 16] seit dem 11. Jahrh. Kanäle
zu Handelszwecken.
Verkehrs- und Bewässerungszwecken zugleich dienen die zahlreichen
Kanäle der
Niederlande,
[* 17] insofern man sie, da sie meist höher liegen als das Weideland, im
Winter übertreten
und
letzteres überschwemmen läßt. Die bedeutendsten in neuerer Zeit vollendeten Kanäle dieser Art sind der Zuyd-Willemskanal
(1822-26), von
Maastricht
[* 18] nach
Herzogenbusch, der großen Seeschiffen zugängliche Nordkanal (1810-24), von
Amsterdam
[* 19] nach dem
Texel, der
Kanal von
Voorne (1827-30), von
Rotterdam
[* 20] nach
Helvoetsluys. In Rußland wurde 1732 der von
Peter
d. Gr. angelegte, 110 km lange Ladogakanal vollendet, welcher die
Verbindung zwischen der
Ostsee und dem
Kaspischen
Meer herstellt,
indem er die mit der
Wolga vereinigte
Wolchow von Neu-Ladoga ab mit
Schlüsselburg verbindet.
Ein sehr ausgebildetes Kanalsystem entstand in Frankreich. Der älteste der dortigen Kanäle ist der von Briare, welcher zur Verbindung der Seine mit der Loire dient, von 1604 bis 1642 gebaut ist und mit dem 1675 begonnenen Kanal von Orléans [* 21] in Verbindung steht. Der bei weitem wichtigste ist der Kanal von Languedoc oder du Midi, welcher das Mittelmeer mit dem Atlantischen Ozean verbindet und 1667-81 nach Andréossys Plan mit einem Aufwand von 33 Mill. Frank erbaut worden ist. Er ist 244 km lang, 20 m breit, 2 m tief und trägt Fahrzeuge bis zu 2400 Ztr. Last.
Bei Béziers durchschneidet er auf eine Länge von 250 m und 6 m Breite [* 22] den Berg Malpas, und auf dem höchsten Punkte desselben, bei St.-Ferréol, ist ein Reservoir durch Führung einer Riesenmauer zwischen zwei Bergen [* 23] gebildet, aus welchem die Schleusen, deren Zahl gegen 100 beträgt, mit Wasser versehen werden. Andre bemerkenswerte Kanäle Frankreichs sind: der Canal du Centre oder Charolais, welcher die südlichen Provinzen des Reichs durch den Rhône, die Saône, Loire und Seine mit Paris und der Nordsee verbindet, 1782-90 erbaut wurde und 81 Schleusen besitzt;
der Kanal von St.-Quentin, der die Somme mit der Schelde verbindet, erst mittels 6 Schleusen 12 m steigend, später wieder durch 18 Schleusen 42 m fallend und teilweise unterirdisch geführt;
der Kanal des Doubs, der, über 300 km lang, in 4 Abteilungen den Rhône, die Ill, den Doubs u. die Saône verbindet u. 1852 vollendet wurde (vgl. die weitern Angaben im Art. »Frankreich«, S. 529).
Eine 1872 veranstaltete parlamentarische Enquete hat ergeben, daß das in den französischen Kanälen (5037 km) niedergelegte Anlagekapital 818,467,912 Frank oder 654,774,329 Mk. beträgt, daß dieses Kapital durch die Kanalabgaben aber nur zu kaum ½ Proz. verzinst wird. Dieses ungünstige Finanzergebnis erklärt sich einesteils aus einem äußerst niedrigen Tarif, hauptsächlich aber aus dem Umstand, daß die meisten auf Linien angelegt sind, auf denen es seit der Entstehung der Eisenbahnen an der nötigen Fracht mangelt.
Englands erster Kanal war der 84 km lange Kanal zwischen dem Sankeybach und Merseyfluß, 1755 angelegt, den bald der Bridgewaterkanal (s. d.) folgte, von Brindley im Auftrag des Herzogs von Bridgewater 1758-72 ausgeführt und durch den Manchesterkanal mit den Kohlenwerken von Worsley, durch einen andern Arm mit Liverpool [* 24] in Verbindung gebracht. Gleichfalls nach Brindleys Plan wurde 1766 bis 1777 der Grand-Trunkkanal ausgeführt, welcher, 145 km lang, die Verbindung zwischen Liverpool, Hull, [* 25] London, [* 26] Oxford [* 27] und Bristol vermittelt. Darauf ward der große Kaledonische Kanal (s. d.) in Angriff genommen, welcher das Atlantische Meer mit der Nordsee verbindet. Eine große Anzahl der in England ist mit zu geringem Tiefgang und zu engen hölzernen Schleusen ausgeführt und verfiel deshalb, als die Eisenbahnen dem Bedürfnis des Verkehrs ¶
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besser entsprachen. Seit 1830 sind überhaupt erhebliche Kanalbauten nur insoweit noch unternommen worden, als in Newcastle [* 29] am Clyde und für andre Häfen Wasserverbindungen zur Aufnahme von Seeschiffen hergerichtet wurden.
In Amerika [* 30] hat Witt Clinton 1817-25 den Eriekanal als ein angestauntes Werk ausgeführt, dem New York seine Blüte [* 31] und die schnelle Überflügelung Philadelphias verdankte. Seitdem entstand rasch ein ausgebreitetes Kanalnetz, welches alle größern Stromgebiete der Vereinigten Staaten [* 32] mit der atlantischen Küste und der Region der Kanadischen Seen verbindet. Viele dieser Kanäle sind indes gleichfalls nur auf das notdürftigste und mit so mangelhafter Ausrüstung hergestellt worden, daß sie der Konkurrenz der Eisenbahnen unterlagen. Immerhin bestehen noch viele Kanäle, namentlich die, welche die reichen Kohlenfelder, Bergwerke und Wälder mit den Handelsplätzen an der Küste verbinden, in früherer Blüte fort und ergeben auch heute noch, ungeachtet der Konkurrenz der Eisenbahnen, eine gute Rente.
In Deutschland [* 33] war der erste Kanal derjenige, welcher die Elbe mit der Ostsee durch die Trave verband. Verhältnismäßig am meisten ist für in der Mark Brandenburg [* 34] geschehen. Der Finowkanal (s. Finow) und der Müllroser Kanal, an denen das 17. und 18. Jahrh. gearbeitet haben, verbinden das Stromgebiet der Elbe mit dem der Oder, aber in einer für die heutigen Anforderungen des Verkehrs ungenügenden Weise. Der Bromberger Kanal (s. Bromberg) [* 35] setzt wiederum das Stromgebiet der Oder mit demjenigen der Weichsel in Verbindung.
Was sonst bis Anfang dieses Jahrhunderts von Kanälen bestand, war von rein lokaler Bedeutung, wie der Stecknitzkanal, die Verbindung des Pregels mit dem Kurischen Haff und der Gilge etc. Napoleon faßte zur Zeit seiner Weltherrschaft den Gedanken, ein umfassendes Kanalnetz anzulegen, das sich von der Maas bis zur Ostsee erstrecken sollte. Er kam aber nicht über die Vorarbeiten zum Rhein-Maaskanal (sogen. Nordkanal) hinaus. Als im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts das Eisenbahnwesen sich zu hoher Bedeutung entwickelte, gab man sich wie in andern Ländern, so auch in Deutschland vielfach dem Glauben hin, daß die Zeit der Kanäle vorüber sei. Es kam nur ein bedeutendes Unternehmen zu stande, der Donau-Mainkanal, auch Ludwigskanal (s. d.) genannt, von Bamberg [* 36] nach Kelheim, dessen praktische Bedeutung indessen wegen seines geringen Tiefganges hinter den daran geknüpften Erwartungen zurückblieb.
Von weniger umfangreichen Unternehmungen, die im Lauf des Jahrhunderts zu stande kamen, nennen wir zwei, den Schiffahrtskanal bei Berlin, [* 37] welcher der Handelsbedeutung dieses Platzes in erheblicher Weise zu gute kam, und den Elbing-Oberländischen Kanal (s. d.), der mehreren Binnenseen Abfluß schafft und durch die Anwendung des neuen, zukunftsreichen Konstruktionsprinzips der schiefen Ebene für die Überwindung von Niveau-Unterschieden (als Ersatz für die Schleusen) die Aufmerksamkeit der Techniker verdient.
Wenn Deutschland in der Ausbreitung des Kanalnetzes noch hinter andern Staaten, namentlich Frankreich und England, zurücksteht und erst jetzt im Begriff ist, den durch die Periode des Aufschwungs der Eisenbahnen unterbrochenen Ausbau der Kanäle fortzusetzen, so ist dieser Rückstand im Interesse einer gesunden Entwickelung der deutschen Binnenschiffahrt nicht zu bedauern, weil man, die Erfahrungen in andern Ländern benutzend und die durch die Eisenbahnen geschaffene Veränderung der Verkehrsverhältnisse berücksichtigend, jetzt die Vervollständigung des Kanalnetzes in weit vorteilhafterer Weise zur Ausführung zu bringen vermag, als dies noch vor wenigen Jahrzehnten möglich war.
Das Interesse für den Kanalbau ist daher in Deutschland in rascher Zunahme begriffen. 1868 bildete sich der Zentralverein für Hebung [* 38] der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt mit dem Sitz in Berlin, welcher für die Aufklärung über den Nutzen der weitern Herstellung künstlicher Wasserwege erfolgreich gewirkt hat. Eine umfassendere Thätigkeit zur Wiederaufnahme des Kanalbaues ist 1886 durch ein Reichsgesetz, betreffend die Herstellung des Nord Ostseekanals (s. d.) zur direkten Verbindung des Kieler Kriegshafens mit der westholsteinischen Küste, sowie durch ein preußisches Gesetz vom eingeleitet worden, welches die schon im J. 1883 ohne Erfolg vorgeschlagene Anlage eines Kanals von Dortmund [* 39] nach den Emshäfen unter zweckmäßiger Erweiterung des Projekts und zugleich den dem Verkehrsbedürfnis entsprechenden Ausbau der Wasserstraße von der mittlern Oder nach Berlin anordnet. Diese Kanalanlagen bilden einen Teil des geplanten umfassenden Kanalnetzes zur Verbindung der deutschen Ströme, auf dessen Projekt im nachstehenden noch näher eingegangen ist, und den Beginn zur Ausführung dieses Projekts.
Auch im internationalen Verkehr bricht sich die Erkenntnis von der wirtschaftlichen Bedeutung der Kanäle, deren Überlegenheit über die Eisenbahnen für den Transport von minderwertigen Massengütern und der Zweckmäßigkeit einer erneuten Aufnahme des Kanalbaues Bahn. 1885 tagte in Brüssel [* 40] ein erster internationaler Kongreß für Binnenschiffahrt, dessen Arbeiten durch eine von demselben ernannte internationale Kommission fortgesetzt werden.
Technik des Kanalbaues.
Bei Anlage von Kanälen handelt es sich zunächst um die Feststellung ihrer Situation und ihres Längenprofils sowie ihres Querprofils auf Grund sorgfältiger Vermessungen, Nivellements und Bodenuntersuchungen. Den Eingang des Kanals (Kanalmund) legt man an einem Punkt an, wo die Strombahn des Flusses, dessen Wasser man benutzen will, nahe am Ufer liegt, während das Ende oder der Ausfluß [* 41] so angelegt wird, daß die Strombahn des Flusses, in den man einmündet, thunlichst wenig Veränderung erleidet, also unter möglichst spitzem Winkel [* 42] stromabwärts.
Was den Kanalbau betrifft, so richtet man den Lauf desselben (Kanalzug) so ein, daß der erforderliche Erdabtrag und der nötige Erdauftrag sich möglichst ausgleichen, und daß der Querschnitt des Kanals (Kanalgröße) möglichst unverändert bleibt. Der Kanalzug muß bisweilen, um das Gefälle zu vermindern, so gekrümmt werden, daß das Wasser nicht zu schnell abfließt und dann fehlt; auch empfiehlt es sich, einen Kanal wegen des bei starkem Wind leicht entstehenden schädlichen Wellenschlags nicht über 300 m ganz gerade zu führen.
Bei Krümmungen des Kanals, welche von der Breite und Länge der ihn befahrenden Schiffe abhängen, soll dessen Krümmungsradius nicht unter 40 m angenommen werden. Die Breite der Kanalsohle beträgt bei geböschten Ufern etwa 1-1,25 m, bei gemauerten Seitenwänden etwa 2-2,5 m über zwei Schiffsbreiten von 4-14 m. Die Tiefe des Wassers muß den Tiefgang beladener Schiffe um 0,3-0,5 m übertreffen, also zwischen 1,5 und 2,5 m betragen. Das Gefälle muß stets so stark sein, daß der Kanal sich selbst reinigt; bei zu viel Gefälle gibt man dem Kanalbett eine Ausweitung ¶
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oder hilft sich durch Schleusen, welchen man ein Gefälle von höchstens 2 pro Mille gibt. Die Neigung der Böschungen hängt von der Beschaffenheit des Bodens ab und ist eine ein- bis zweifache, gewöhnlich eine anderthalbfache. Den Leinpfad legt man 0,5-1 m über den höchsten Wasserstand und gibt ihm eine Breite von 3-4 m. Die Speisung der Kanäle erfolgt, wenn es Seitenkanäle sind, durch den benachbarten Fluß selbst oder durch Seitenzuflüsse desselben, wenn es Verbindungskanäle sind, durch besondere Speisebassins, worin Regen-, Quell- oder Flutwasser angesammelt wird, oder durch Speisegräben.
Zur Ableitung von überflüssigem Wasser, wie es sich bei starken Regengüssen ansammelt, dienen die mit den Kanälen in Verbindung stehenden Flutgerinne oder Leerläufe. Die bei Anlage von Kanälen auf mehr oder minder geneigtem Terrain erforderlichen Kanalschleusen sind je nach der Lebhaftigkeit des Verkehrs entweder einfache, d. h. solche, welche nur ein Schiff, [* 44] oder Doppelschleusen und Parallelschleusen, welche zwei Schiffe auf einmal aufnehmen können. Kanäle von annähernd horizontaler Lage werden nur an ihren Endpunkten mit Schleusen (s. d.) versehen, um den Wasserstand des Kanals unabhängig von dem der anstoßenden Gewässer zu erhalten.
Bei Kanälen sowohl mit gleichartiger als auch mit entgegengesetzter Neigung sind die Schleusen ein Haupterfordernis, um, wo zwei Abteilungen der Kanäle von verschiedenem Niveau aneinander stoßen, die Schiffe beliebig heben und senken zu können. Diese Kanäle sind um so kostspieliger, je mehr Schleusen sie erfordern, wodurch zugleich der Schiffsverkehr verzögert und der Transportpreis erhöht wird. Die Wassermenge, welche zu einem Kanal erforderlich ist, richtet sich nach dem Bedarf der anzulegenden Schleusen.
Bei deren Bestimmung, besonders für Kanäle mit horizontaler Lage, ist die Wassermasse in Anrechnung zu bringen, welche versickert, an der Oberfläche verdunstet oder durch die Schleusenthore dringt. Für Kanäle mit gleichartiger Neigung kommt zu derselben Wassermenge die Füllung einer Schleuse aus dem Oberwasser für jedes durchgehende Schiff hinzu, welche ungefähr sechsmal so groß ist als das beladene Kanalboot, und für Kanäle mit entgegengesetzter Neigung die für Kanäle mit horizontaler Lage nötige Wassermasse und die doppelte Wassermasse für die zu füllende Schleuse, da das Schiff auf der einen Seite hinaufgehoben und auf der andern Seite hinabgelassen werden muß.
Diese Wassermenge muß dem Kanal auf dem Verteilungspunkt, dem höchsten Punkte desselben, von andern Orten her durch sogen. Speisekanäle zugeführt werden. Um aber stets über das nötige Quantum von Wasser verfügen zu können, legt man auf dem höchsten Punkte der Wasserscheide ein Reservoir an, welches geräumig genug sein muß, um die Schleusen zu beiden Seiten mit dem nötigen Wasser zu versehen. Bei Kanälen, welche eine Verbindung mit dem Meer vermitteln, werden Flutschleusen und Flutthore angelegt.
Wo Kanäle über andre Wasserläufe oder über Verkehrswege zu führen sind, erhalten dieselben steinerne, eiserne oder hölzerne Kanalbetten, von welchen die erstern auf Gewölben ruhen, die letztern bez. durch Eisen- oder Holzkonstruktion unterstützt werden. Bei der Kanalbrücke über den Calder bei Stanley hat man das aus Eisenblech konstruierte Kanalbett an Scharnierbogenträgern, bei dem Aquädukt des Pennsylvaniakanals über den Alleghany ein hölzernes, sorgfältig gedichtetes Kanalbett an Drahtseilen aufgehangen.
Meist werden, wie bei der Kanalbrücke über die Garonne bei Agen, die Betten der Kanalbrücken für den Durchgang nur eines Schiffs bemessen, während an deren Enden eine solche Erweiterung angebracht ist, daß sich zwei Schiffe bequem ausweichen können. Die Überführung von Straßen oder Eisenbahnen über Kanäle wird teils durch feste, teils durch bewegliche Brücken [* 45] entweder mit Einschränkung oder besser mit Beibehaltung ihres vollen Profils bewirkt. Kanalhäfen werden an den Stellen von Schiffahrtskanälen angelegt, wo häufig Güter ein- oder auszuladen sind.
Die Größe der Häfen richtet sich nach dem Umfang des Verkehrs. Die kleinsten Häfen erhalten die Länge und Breite eines Schiffs, die größern eine Länge von fünf bis zehn Schiffen und mindestens eine Schiffslänge zur Breite, damit die Schiffe wenden können. Zwischen dem Mauerwerk von Kanalbrücken und Kanalhäfen und dem Erdkörper muß eine sorgfältige Dichtung durch Thonschlag oder Sandbeton hergestellt werden, damit der Wasserverlust auf ein Minimum eingeschränkt wird. Aus demselben Grund werden die Böschungen von Kanälen, welche durch wasserdurchlässiges Terrain, wie Sand- und Kiesboden, führen, gewöhnlich mit einem 40-80 cm starken Thonschlag bekleidet, worauf wieder Deckschichten von urbarer Erde zu liegen kommen. In Frankreich ersetzt man den Thonschlag nicht selten durch eine Lage sandigen Bodens, welchen man mit Kalkmilch tränkt.
Vgl. Hagen, [* 46] Wasserbaukunst, Teil 2, Bd. 3 (3. Aufl., Berl. 1874);
Gräff, Construction des canaux et des chemins de fer (Par. 1861);
Stevenson, Principles and practice of canal and river engineering (Edinb. 1858);
Malézieux, Travaux publics des États d'Amérique en 1870 (Par. 1873);
»Handbuch der Ingenieurwissenschaften«, Bd. 3: »Der Wasserbau« (hrsg. von Frantzius und Sonne, [* 47] 2. Aufl., Leipz. 1882).
Volkswirtschaftliche Bedeutung.
Vor der Zeit der Eisenbahnen war der Antrieb zum Kanalbau sehr stark, und Kanäle erschienen auch da noch zweckmäßig, wo sie mit vielen Krümmungen, mit geringer Fahrtiefe und vielen Schleusen angelegt werden mußten, und unter solchen für die heutigen Anforderungen der Binnenschiffahrt ungünstigen Bedingungen der Nutzbarkeit sind fast alle gegenwärtig bestehenden Kanäle ursprünglich angelegt worden. Nachdem der Bau der Eisenbahnen begonnen hatte, mußte sich deren Überlegenheit gegenüber den bestehenden Kanälen bald herausstellen.
Die Eisenbahn bringt die Ladungsgegenstände in vier- bis sechsmal kürzerer Zeit ans Ziel, als es durch Kanäle möglich ist. Sie befördert die Güter zu jeder Zeit, während die Kanäle durch Wintereis, Wassermangel, Reparaturen etc. einen Teil des Jahrs unbenutzbar sind. Für den Osten Deutschlands [* 48] ist beispielsweise die Fahrzeit auf den Kanälen mit Sicherheit nur auf etwa 250 Tage im Jahr anzunehmen. Die Eisenbahn vermag auch kleinere Warenmengen leichter zu verladen und abzufertigen und trifft in der Spedition einzelner Stückgüter Einrichtungen, welche jedermann bequem zugänglich sind.
Sie kann ihre Stationen in die nächste Nähe der Bezugs- und Absatzorte legen, während die an das Terrain, Wasserversorgung und andre Hindernisse gebunden sind. Dagegen können bei dem Kanal die Frachten an jeder Stelle ein- und ausgeladen werden; die Verladung von Massenfrachten auf Flußschiffe (ein einziges Schiff von 4000 Ztr. faßt soviel wie ein ziemlich schwerer Eisenbahnzug) bietet größere Einfachheit, und manche Güter, welche feuergefährlich sind oder das Schütteln der Eisenbahnwagen nicht vertragen können, eignen sich ¶