Kammerlinge
(Foraminifera s. Thalamophora), Wurzelfüßer (s. d.), die sich durch den Besitz eines kalkigen Gehäuses auszeichnen und nur in sehr wenig Fällen ganz ohne Schale sind. Je nach der Beschaffenheit der von ihnen ausgestreckten Pseudopodien trennt man sie in zwei Unterordnungen:
1) Amöben (Amoebaeformes, Lobosa), die das süße Wasser und teilweise auch die feuchte Erde bewohnen, bei denen die Pseudopodien derber, lappig oder fingerförmig sind; ihr Spiel ist so charakteristisch, daß man diese Art der Beweglichkeit, wie sie auch vielen Teilen im Körper der mehrzelligen Tiere (namentlich der niedriger stehenden) erhalten geblieben ist (Darmepithelzellen, farblose Blutkörperchen [* 3] oder Leukocyten, Samen- und Eizellen u. s. w.), als amöboide Beweglichkeit bezeichnet hat.
Alle die amöboiden Zellen besitzen auch noch die Fähigkeit der Inkorporation fester Körper. Im weichflüssigen Entoplasma der Amöben liegt ein Kern und meist auch eine pulsierende Vacuole. Eine nackte Amöbe ist Aboeba proteus Auct.; andere tragen einfache, mit einer Öffnung zum Durchtritt der Pseudopodien versehene Gehäuse, wie z. B. Difflugia, Arcella u. s. w. Zu den unechten Amöben wurde auch der berühmte Bathybius Haeckelii Huxl., der sog. Urschleim, gestellt, der als einfache, noch nicht differenzierte, organische Masse in bedeutender Menge die Tiefen des Meers bedecken sollte. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß dieser als einfachstes Lebewesen gedeutete Schleim nur in gallertartigem Zustande aus dem Meerwasser ausgefällter Gips [* 4] ist, wie man ihn auch künstlich durch Zusatz von Alkohol zu Meerwasser erhält.
2)
Bei den Thalamophoren
(Reticularia) sind die Pseudopodien sehr fein, oft streckenweise zusammengeflossen
und kleine Protoplasmainseln bildend, und zeigen allgemein das
Phänomen der Körnchenströmung (feinste Körnchen bewegen
sich an der einen Seite der Pseudopodien nach deren
Spitze hin, um auf der andern Seite nach der
Basis zurückzukehren). Die
Gehäuse sind einfach (Monothalamien) oder mehrkammerig (Polythalamien); sie haben entweder nur eine
einzige große Öffnung für den
Austritt der Körpermasse (Imperforata, z. B. Gromia Duj.,
Miliola Lam.),
oder die
Wände sind neben der Hauptöffnung von außerordentlich zahlreichen feinen Poren durchbrochen, durch welche die
Pseudopodien nach außen hindurchtreten können (Perforata; z. B.
Globigerina D'Orb., Rotalia Lam.).
Große Bedeutung haben diese für die Geschichte unserer
Erdrinde, indem ganze große Kalkgebirge aus nichts
als den zu Milliarden angehäuften Schalen ausgestorbener Generationen von Foraminiferen gebildet werden; auch heute noch
besteht der stetig sich absetzende feine Meerschlamm großenteils aus Foraminiferenschalen.
Namentlich sind hier zu erwähnen Arten der Gattung Globigerina, deren Gehäuse den hauptsächlichsten Bestandteil der weißen Kreide [* 5] ausmachen. Sie bevölkern auch heute noch fast alle unsere Meere, deren Absatz, wie zuerst bei Gelegenheit der Kabellegung zwischen Europa [* 6] und Amerika [* 7] nachgewiesen wurde, zum großen Teile aus sog. Globigerinenschlamm (Globigerine-mud) besteht. Huxley hat über diese Verhältnisse u. d. T. «A piece of chalk» («Ein Stück Kreide») einen sehr lehrreichen Vortrag veröffentlicht. Durch ihre Größe (die meisten der sehr zahlreichen Arten der fossilen Foraminiferen sind mikroskopisch) interessant sind die Nummuliten [* 8] (s. d.), aus denen die sog. Nummulitenkalke der Tertiärzeit bestehen. Als einen riesigen Kämmerling deutete man auch das problematische Eozoon canadense Dawson (s. Eozoon). –
Vgl. M. Schultze, Über den Organismus der Polythalamien (Lpz. 1854);
ders., Das Protoplasma der Rhizopoden (ebd. 1863).