Kamisarden
(franz. Camisards), Name der Hugenotten in den Cevennen, welche Abkömmlinge der Waldenser waren und sich im 16. Jahrh. der Reformation angeschlossen hatten; der Name Camisards ¶
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bedeutet eigentlich Blusenmänner, von camise, s. v. w. chemise, Hemd, Bluse (daher auch camisade, nächtlicher Überfall).
Als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes
[* 3] zurückgenommen hatte (vgl. Hugenotten, S. 770 f.), erhoben sich die Kamisarden
zur Verteidigung
ihres Glaubens. Die Aussendung von Soldaten und Mönchen zu ihrer gewaltsamen Bekehrung entzündete nur um
so mehr ihren Glaubenseifer, der sich bis zum Fanatismus steigerte. Propheten und Verzückte standen unter ihnen auf, welche
die Menge in schwärmerische Begeisterung versetzten, so daß sie allen Angriffen eine rücksichtslose Todesverachtung, allen
Peinigungen die größte Standhaftigkeit entgegensetzten.
Die Wut des Volkes richtete sich zuerst gegen die Steuereinnehmer, viele wurden ermordet und ihre Häuser
niedergerissen. Nachdem schon 1689 eine Empörung der Kamisarden
mit den Waffen
[* 4] unterdrückt worden war, kam es zum allgemeinen Aufstand
durch die Grausamkeit des Abbé du Chaila, der die Zufluchtsörter der Kamisarden
aufspürte, sie daselbst beim Gottesdienst überfallen
und zum Teil hängen, zum Teil einkerkern ließ. Wegen dieser Gewaltthaten wurde 1702 der Abbé mit den
Seinigen erschlagen.
Bald schwoll die begeisterte Schar der Aufständischen zu Tausenden an, und die gebirgige Beschaffenheit des Landes mit seinen Höhen und Schlupfwinkeln erleichterte ihnen den Kampf. Ihre Bekriegung war um so schwieriger, als Ludwig XIV. zugleich durch den spanischen Erbfolgekrieg in Anspruch genommen war und seine Gegner alles thaten, um die in ihrem Widerstand zu bestärken. Bereits hatten dieselben mehrere königliche Heere geschlagen und zum Teil vernichtet, als der König endlich 1703 den Marschall Montrevel mit 60,000 Mann gegen sie sandte.
Dieser, ein ehemaliger Hugenotte, verfuhr auf das empörendste gegen seine frühern Glaubensgenossen.
Massenweise wurden sie niedergemetzelt oder hingerichtet und das Land in eine Wüste verwandelt; 436 Dörfer waren zerstört
worden. Die Kamisarden
vergalten Gleiches mit Gleichem, in der Diözese Nîmes allein erwürgten sie 84 Priester und brannten gegen 200 Kirchen
nieder. An ihrer Spitze stand ein 20jähriger Bäckerbursche aus Ribaute bei Anduze, Jean Cavalier. Die Kühnheit
und Geistesgegenwart dieses Führers, die Schwierigkeit des Kampfes, die immer weitere Verbreitung des Aufstandes und Cavaliers
Plan, sich in der Dauphiné mit dem Herzog von Savoyen zu vereinigen, drohten die höchste Gefahr.
Die Einwohner von Nîmes, Montpellier, [* 5] Orange, Uzes etc. standen mit den in Verbindung und unterstützten sie mit allem Notwendigen; alle Glocken der zerstörten Kirchen waren zu Kanonen etc. umgegossen worden. Da ersetzte Ludwig XIV. im April 1704 den unfähigen Montrevel durch den Marschall Villars. Dieser versuchte den Weg der Güte. Er verkündigte für alle, welche die Waffen niederlegen würden, Amnestie und ließ Gefangene, welche Treue gelobten, frei. Dagegen ließ er jeden, welcher mit den Waffen in der Hand [* 6] gefangen ward, sofort töten und organisierte bewegliche Kolonnen, die nach allen Seiten hin operierten.
Infolge davon ging eine Gemeinde nach der andern auf seine Anträge ein, und Cavalier selbst schloß endlich zu
Nîmes einen Vergleich mit Villars; er trat als Oberst in die Dienste
[* 7] des Königs. Die Fanatischen unter den Kamisarden
setzten den Kampf
allerdings fort, wurden aber wiederholt besiegt und bis Ende 1704 unterworfen. Die Gewaltthaten Berwicks, der 1705 als Nachfolger
Villars' den Oberbefehl erhielt, riefen einen neuen Aufstand hervor, zumal die Kamisarden
von den
Engländern und
Holländern mit Geld und Waffen unterstützt wurden.
Aber im April 1705 war auch dieser bewältigt und endeten die letzten Aufständischen zu Nîmes auf dem Scheiterhaufen. Das
ganze Gebiet der Cevennen war aber entvölkert und verödet. Ein Teil der Kamisarden
trat unter Cavalier, der Reue
über seinen Abfall fühlte und den Dienst Ludwigs XIV. wieder verließ, in englische Dienste und focht auf seiten der Verbündeten
in Katalonien, wo die meisten in der Schlacht bei Almansa den Untergang fanden. Cavalier ging nach England und starb
als Gouverneur von Jersey 1740.
Vgl. Court de Gébelins, Histoire des troubles des Cévennes ou de la guerre des Camisards (Villefr. 1760, 3 Bde.);
Hofmann, Geschichte des Aufstandes in den Cevennen (Nördl. 1837), und die neuern Darstellungen von Lamothe (1868, 3 Bde.), Bonnemère (1869), La Baume (2. Aufl. 1875).
Novellistisch behandelten den Stoff L. Tieck in seinem »Aufruhr in den Cevennen« und Sue in dem Roman »Jean Cavalier, ou les fanatiques des Cévennes«.