Kambodscha
(richtiger Kambodia), franz. Schutzstaat in Hinterindien, [* 2] zwischen Siam im W. und N., ¶
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Anam im O., Kochinchina im SO. und dem Meerbusen von Siam im SW., hat ein Areal von 83,861 qkm (1523 QM.) mit (1874) 945,954 Einw.,
worunter 106,764 Chinesen. Das Land wird in seinem Westteil von Hügelketten durchzogen; der östliche Teil ist eine vom Mekhong,
dem der Abfluß des Sees Tulesab rechts zufließt, durchzogene, reichbewässerte und überaus fruchtbare
Niederung, die Kornkammer Ostasiens für seinen Bedarf an Reis. Das Klima
[* 4] von Kambodscha
ist mild und angenehm; nur in den Regenmonaten
(Mai bis September) herrscht drückende Schwüle.
Von Metallen finden sich Gold, [* 5] silberhaltiges Blei, [* 6] Kupfer [* 7] und Eisen. [* 8] Das letztere wird vom Stamm der Kui gewonnen und bearbeitet. Die Pflanzenwelt ist außerordentlich reich an wertvollen Handelsprodukten: Pfeffer, Kardamomen, Harzen, Lack u. a., die aber bisher wenig ausgebeutet wurden. Die Tierwelt ist ebenso reich, sie liefert Elfenbein, Rhinozeroshörner, Büffelfelle und -Hörner, sehr schöne Seide, [* 9] die nebst Baumwolle [* 10] zu vortrefflichen Geweben verarbeitet wird, namentlich aber Fische [* 11] aus dem Tulesab.
Außer der enormen einheimischen Konsumtion liefert dieser See jährlich für 7½ Mill. Frank Fische zur Ausfuhr. Die Bevölkerung
[* 12] ist in der Niederung dieselbe wie in Siam, in den Bergen
[* 13] haben sich noch Reste der alten Bewohner (Kui, Penong, Stieng) erhalten.
Die alte Sprache
[* 14] ist jetzt mit zahlreichen Fremdwörtern bereichert und nähert sich dem Siamesischen und
dem Anamitischen; Schrift und Litteratur sind dem indischen Pâli entlehnt (vgl. Aymonier, Dictionnaire français-cambodgien,
Par. 1875). In Sitten und Gebräuchen gleichen die Bewohner ihren Nachbarn. Der König hat absolute Gewalt über seine Unterthanen
und ist alleiniger Herr alles Grund und Bodens. Ihm zunächst steht der abgedankte König (eine regelmäßige
Institution), der nächste Prinz von Geblüt und die erste Prinzessin (gewöhnlich die Königin-Mutter), dann folgen die fünf
Minister. - Kambodscha
war in alter Zeit ein mächtiges Königreich.
Damals erstanden die jetzt in Ruinen liegenden großartigen Bauten in und um Angkor, am Nordrand des jetzt siamesischen Teils des Tulesab; seit dem 16. Jahrh. verlor an Siam und Anam seine Grenzprovinzen und mußte sich 1867 unter das Protektorat der seit 1862 in Kochinchina angesiedelten Franzosen stellen. Seitdem schwindet die einstige Selbständigkeit des Staats mehr und mehr. Hauptstadt war früher Udong, seit 1864 ist es Pnom-Penh an einem linken Arm des Mekhong, mit 30,000 Einw. S. Karte »Hinterindien«.
Vgl. Bastian, Die Völker des östlichen Asien, [* 15] Bd. 4 (Jena [* 16] 1868);
Garnier, Voyage d'exploration en Indo-Chine etc. (Par. 1873);
Bouillevaux, L'Annam et le Cambodge, voyages et notices historiques (das. 1875);
Moura, Le [* 17] royáume du Cambodge (das. 1882, 2 Bde.);
Bouinais und Paulus, L'Indo-Chine française, Bd. 1 (2. Aufl. 1885).