Kafiristan
(»Land der Ungläubigen«), im engern Sinn eine 12,950 qkm (235 QM.) große Landschaft nordöstlich von Kabul; im weitern Sinn Sammelname für die Gebirgsstaaten am Südabhang des Hindukusch, östlich von Kaschmir, sonst von Provinzen Afghanistans begrenzt, 51,687 qkm (939 QM.) groß mit ca. 500,000 Einw. Kafiristan ist durchgehends ein Alpenland von großer landschaftlicher Schönheit mit stellenweise vergletschertem Hintergrund. Sämtliche Flüsse sind Zuflüsse des Kabul (s. d.); der längste, ein gewaltiger Bergstrom, ist der bei Dschelalabad mündende Kunar. Das Klima ist von dem indischen völlig verschieden und im ganzen gemäßigt. Reis und stellenweise Zuckerrohr gedeihen in den untern, Indien zugekehrten Teilen, sonst sind die Abhänge bis zum Gipfel mit Bäumen, meist Nadelholz, bewachsen; im Thal stehen Platanen, Feigen-, Apfel- und Birnbäume; die Weinrebe findet ausgedehnten Anbau, Bienenzucht ist allgemein. Höher hinauf folgen Maulbeerbäume, Walnuß und Getreide; erst nahe dem Hauptkamm des Gebirges reifen Cerealien nicht mehr. Der Flora entspricht die Fauna. Kafiristan ist reich an Wild; das lohnendste Haustier ist das dickschwänzige Schaf. Die Bewohner waren Arier, ihre Nachkommen, Hindki genannt, sitzen unter dem Hauptkamm des Gebirges; sie haben den Islam nicht angenommen. Im 5. Jahrh. wandten sich hierher von Indien, als sie von dort und aus Kaschmir wieder verdrängt worden waren, die weißen Hunnen oder kleinen Juetschi (vgl. Ostindien, Geschichte), d. h. türkisch-tatarische Stämme; sie sitzen jetzt hauptsächlich in Tschitral und sind der schönste, kräftigste Menschenschlag unter diesen Bergbewohnern. Im untern Teil der Thäler sind die Bewohner Afghanen vom Stamm der Jusufzai, die sich hier im 8. Jahrh. n. Chr. ansiedelten. Kafir, d. h. Ungläubige, nennen die spätern Einwanderer, die alle Mohammedaner sind, die Reste der alten Bewohner; davon übertrug sich bei den Anwohnern der Name auf das ganze Gebiet. Staatlich zerfällt in so viele Ländchen, als es Thäler und Gebirgsstöcke gibt. Die wichtigsten sind von O. nach W.: Ghor, Dareil, Kaial, Tschilas, Dschalkot, Palas, sämtlich gegen Kaschmir; Swat, schon von Alexander d. Gr. durchzogen, jetzt Sitz des geistlichen Oberhaupts dieses Bergvolkes, des Akhund, Ghor, Dareil, Kaial; Tschitral, zur Zeit in die zwei Fürstentümer Tschitral oder Kaschkar und das nördliche, kleinere Mastudsch geteilt, und die Landschaft Kafiristan. Alle diese völlig selbständigen Staaten leben in beständiger Fehde untereinander; vor einer Unterwerfung durch Afghanistan sichert sie trotz ihrer ungenügenden Bewaffnung mit Pfeil und Bogen und schlechten Flinten die Rauheit ihres Landes. Europäern ist noch immer unzugänglich. Vgl. Downes, Kafiristan (Lahor 1873).