Kabliau
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s. v. w. Kabeljau.
Kabliau
3 Seiten, 1'693 Wörter, 11'449 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Kabliau,
s. v. w. Kabeljau.
Kabliau
(lat. Gadus Morrhua, frz. cabillaud, engl. cod, holl. und norw. babelau); der Riese in der Familie Gadiden oder Schellfische, von 1-1½ m Länge, oberhalb graubraun und gelblich gefleckt, unten rötlich weiß, mit 3 Rücken- und 2 Bauchflossen ausgestattet, ist ein Produkt der nördlichen Meere, das an Wichtigkeit für die menschliche Ernährung, für Handel und Seefischerei sich dem Hering wenigstens gleichstellt. Gleich diesem zu vielen Millionen alljährlich seinem Element entrissen (man schätzt die Menge des jährlichen Fangs auf 400-600 Millionen), ist er in einzelnen Gegenden zwar seltener geworden, während er sich an den Hauptstationen, an den Küsten von Nordamerika und Norwegen, noch immer in den gewohnten ungeheuren Mengen zeigt, Dank der großen Fruchtbarkeit dieses Tieres, von welchem das Weibchen eine Anzahl von 7-9 Mill. Eiern enthalten soll.
Der K. verliert mit dem Tode seinen Namen, und erscheint, wenn er einfach an der Luft getrocknet wurde, als der bekannte Stockfisch, teilt aber dann diesen Namen noch mit mehreren andern, ebenso behandelten Arten seiner Verwandtschaft, dem Dorsch, Schellfisch etc. Wird der Gefangene auf frischer That zerlegt und eingesalzen so heißt er Laberdan; erst gesalzen und dann zum Trocknen der Sonne oder Luft ausgesetzt, wird er zum Klippfisch, weil die Norweger ihn dazu auf die Klippen der Küsten hinzulegen pflegen. Der Stockfisch wird, wenn ganz aufgeschnitten und breit gelegt, weiter bezeichnet als Breitfisch, bloß ausgenommen und sonst ganz gelassen als Rundfisch. -
Der K. lebt wie der Hering im Tiefwasser und drängt sich in der Laichzeit, die in den Winter fällt, scharenweise nach den seichten Wässern der Küsten, Inseln und Bänke, wo er dann am leichtesten in Massen gefangen wird. Doch ist auch im Sommer der Fang, der dann mit Grundangeln geschieht, in der Regel lohnend, da das Tier bei seiner großen Gefräßigkeit auf jedweden Köder anbeißt. Übrigens ist die Lebensweise des Fisches ebenso wenig ganz aufgeklärt wie die des Herings; sein periodisches Erscheinen an manchen Küsten geschieht auch nur der Nahrung wegen, und die Züge stellen sich ein, wenn gewisse kleine Fischarten sich recht stark ¶
vermehrt haben. Von den zahllosen Scharen, welche bei Neufundland und überhaupt an den Küsten und Bänken des englischen Nordamerika gefunden werden, geben englische Naturforscher an, daß dort ihre eigentliche Heimat sei und sie von dem Seegewürm leben, welches in unendlicher Fülle auf dem sandigen Grunde jener Seegegenden lebt. Gegen den Winter aber verschwänden sie, um in dem benachbarten Polarmeere zu laichen, was sie dort in aller Ungestörtheit thun können.
Mangel an Unterhalt triebe sie dann wieder in ihre frühern Standquartiere zurück, sobald die See wieder offen werde. Dagegen hält man in Norwegen den K. für einen Zugfisch in umgekehrter Richtung, dessen Hauptarmee des Laichens halber gegen Mitte Januar von Norden komme und sich in verschiedne Kolonnen teile, deren jede sich nach einer gewissen besondern Richtung weiter begebe. Die Fische gehen an der Küste herab bis Christiansand; weiter südlich liegen die Felder für die Heringsernten.
Sie erscheinen in solchen Mengen und in so tiefgehenden Zügen, daß man öfter mit dem Bleilot sondieren muß, um zu wissen, wie tief die Netze zu versenken sind. Die Netze werden nur bei Nacht geworfen, während man bei Tage mit Angeln fischt. Die hauptsächlichsten Fischgründe Norwegens sind die Lofodden und das gegenübergelegene große Westfjord; doch gewinnt man einen ziemlichen Anteil des Erträgnisses weiter nördlich an der Küste von Finnmarken, wo die Fischerei auch einige Monate länger dauert und sich auf mehrere Thranfischarten erstreckt.
Etwa 4000 Schiffe mit einigen 20000 Fischern sind in der dreimonatlichen Fangzeit an den Lofodden und im Westfjord versammelt. Der gesalzene Fisch heißt in Norwegen Salzdorsch; es werden dazu die stärksten und fettesten Tiere genommen und das Einsalzen geschieht besser als bei den großen amerikanischen Fischereien, daher auch die norwegische Ware jener vorgezogen wird. Stockfisch kann nur auf den Lofodden bereitet werden, da anderwärts die zur Lufttrocknung nötigen trockenen Winde nicht vorhanden sind. Die Trocknung dauert mehrere Monate. Die gesalzene Ware ist entweder definitiver Salzfisch oder wird durch späteres Auslegen an die Luft zum Klippfisch. -
Außer Norwegen gibt es in Europa keine so reich gesegnete Fischregion weiter. Die Briten haben viele Fischereigründe um Schottland und die benachbarten Inselgruppen, Shetlandsinseln, Hebriden, Orkaden, Faröer, Orkneys, die aber alle nicht mehr die frühern reichen Erträge geben, zum Teil ganz verlassen sind. An den Shetlands und Orkneys wird noch am meisten gefangen, wie auch an den Küsten von Essex, Suffolk, Norfolk, Lincoln etc. Alle diese nähern Fischereien senden ihre Erträge frisch ins Land, besonders nach London. Zu den nahezu schon erschöpften Fischgründen gehört auch die sonst so reiche Doggerbank, eine große Sandbank und Untiefe zwischen Jütland und England. Im Jahr 1860 wurde ein neuer fabelhaft reicher Fischgrund entdeckt, die große Sandbank um die kleine Felsinsel Rockall zwischen Island und den Hebriden, wo die in ungeheurer Zahl vorhandenen Tiere zugleich solche Größen hatten, wie sie sonst gar nicht bekannt waren. Einzelne Exemplare waren bis zu 50 kg schwer. Natürlich wurde ein solches Eldorado bald von Fischerflotten überschwemmt und so konnte es denn nicht fehlen, daß im Laufe einiger Jahre auch hier das Meiste fortgenommen war und von der reichen Fundgrube von Rockall jetzt keine Rede mehr ist. -
In alten Zeiten, vor der Entdeckung von Neufundland, waren die größten bekannten Fischgründe an den Süd- und Westküsten Islands; dort versammelten sich die Fischerflotten aller seefahrenden Nationen. Gegenwärtig kommen von fremden Schiffen nur noch eine Anzahl französischer und holländischer dorthin und die Eingebornen betreiben die Fischerei in Anzahl von etwa 10000 Mann. Gefischt wird von März bis in den August. Die Ausfuhr von Island ist beständig gesunken und betrug 1865 noch circa 25000 Ztr., meistens Klipp- und wenig Stockfisch.
Eine Erschöpfung der Fischbestände ist dort wenig wahrscheinlich und es mag der Rückgang mehr daher rühren, daß der Fang in dem sich verschlechternden Klima schwieriger wird. Zudem sind die Isländer unbemittelt und können den Fang nur in kleinern Fahrzeugen betreiben. Die reichsten und ausgedehntesten Fischfelder liegen jenseit des Oceans an den Küsten von Neufundland, Neuschottland und Neuengland. Die „große Bank“ östlich von Neufundland bildet hier das Hauptquartier der Stockfische.
Gegen 300 Jahre schon wird in diesen Gegenden von Schiffen mehrerer Nationen der Fischfang betrieben und derselbe ist noch immer der großartigste der Welt. Bei der Wichtigkeit der hier zu machenden See-Ernten gab es früher öfter Streit unter den Teilnehmenden und regulierende Staatsverträge, nach welchen jetzt folgende Ordnung gilt: Außer England als Besitzer von Neufundland, Kanada etc. dürfen sich nur noch die Nordamerikaner und Franzosen am Fange beteiligen.
Erstere haben das Recht, in den englischen Territorien überall bis auf 3 engl. Meilen von der Küste zu fischen und auf allen unbewohnten Inseln Fische zu trocknen; die gleichen Rechte sind den Engländern an den Küsten der Vereinigten Staaten zugestanden, wo aber nicht viel zu fangen ist. Die Franzosen haben sich von ihrer ehemaligen Herrschaft in diesen Gegenden nur so viel gerettet, daß sie an den Küsten nicht, sondern nur noch auf den Bänken fischen, keine Häuser am Lande, sondern nur Schuppen zum Behuf des Trocknens und Einsalzens anlegen dürfen und zwar lediglich auf zwei kleinen, bei Neufundland gelegenen Felsinseln St. Pierre und Miquelon, die einzigen nordamerikanischen Besitzungen der Franzosen, die ihnen speziell zu diesem Zweck belassen wurden. Aber trotzdem die Engländer die eigentlichen Hausherren sind, hat sich ihr Anteil seitdem immer mehr reduziert und die Amerikaner, durch die größere Nähe, durch Unternehmungsgeist und Maßregeln ihrer Regierung begünstigt, haben sich zu Hauptnutznießern gemacht, und die Franzosen, die etwa 200 Schiffe mit 3000 Mannschaften senden, tragen den entsprechenden kleinern Anteil davon. Englische Fischerei existiert eigentlich nur noch um die ¶
Neufundlandküsten, von der dortigen Bevölkerung betrieben als Bootfischerei; die meiste und beste Ware aber wird auf den Bänken gewonnen, wozu Schiffe gehören. Der Fang in jenen Gegenden beginnt Anfangs Juni und dauert bis Ende August. Man benutzt größtenteils Grundangeln. Der Mann an der Angel sperrt das Maul des gefangenen Fisches mit einem eingestemmten Stückchen Holz auf und wirft ihn Andern zu; diese schneiden zuerst die Zunge aus, welche als Lohnmarken für die Fischer dienen; dann werden die Köpfe ab-, die Eingeweide herausgenommen, die Lebern besonders gelegt.
Zum Behuf des Einsalzens werden die Fische breit gelegt und gewöhnlich der größte Teil des Rückgrats herausgeschnitten. Je nach Umständen erfolgt das Ausnehmen und vorläufige Einsalzen gleich auf den Schiffen oder, und zwar häufiger, am Lande. Der Fang der Engländer und Amerikaner in der Nähe von Neufundland wird an den Küsten dieser Insel verarbeitet, großenteils in den Umgebungen des Hauptortes St. John, welche auf weite Strecken mit Gerüsten zum Aufhängen bedeckt sind.
Die hier getrocknete Ware wird vorher erst gesalzen, vieles aber auch als wirklicher Salzfisch eingelegt. Die 60000 Einwohner der Insel Neufundland selbst haben ihre Existenz fast ausschließlich vom Fange und der Zubereitung des Fisches, der von hier teils nach südlichern Gegenden Amerikas, teils nach Europa geschafft wird. Die Ware hat mehr Bedeutung als bei uns in Ländern, wo Fasten geboten sind. Italien, Spanien, Portugal nehmen viel und werden durch England und Frankreich versorgt. Der gleiche Fall ist es mit Rußland, das an seinen eigenen Küsten nicht hinreichend fängt und hauptsächlich von Norwegen aus versorgt wird. -
Der K. ist ein sehr nutzbarer Fisch, und es wird von ihm, wenigstens in Norwegen, nichts mehr weggeworfen. Außer dem Fleisch zur Speise benutzt man die Leber zu Thran;
die Zungen gelten als Leckerbissen;
die Blasen geben Fischleim;
Köpfe und Eingeweide werden getrocknet resp. gekocht als Viehfutter benutzt und die ausgeschnittenen Rückgratstücke dienen in holzarmen Gegenden zur Feuerung.
Trotzdem gab es namentlich auf den Lofodden immer noch Unmassen von Abfällen, die der Verwesung überlassen blieben, die jedoch schon seit einer Reihe von Jahren zu Fischguano (s. d.) verarbeitet werden. Noch zu erwähnen ist der Rogen, welcher, so weit es das norwegische Erträgnis angeht, weniger zum Verspeisen als dazu dient, an den französischen und spanischen Küsten als Köder beim Fange der Sardellen und Anchovis verbraucht zu werden. Man bestreut mit den Fischeiern die Netze, mit denen man diese Fischchen aus dem Wasser schöpft. Es ist dies eine sehr alte Praxis und gehen alljährlich bedeutende Mengen von Fässern mit gesalzenem Rogen nach Frankreich. Ferner liefert der K. noch Thran, vergl. diesen und Leberthran. - Zoll: Frischer K. zollfrei, getrocknet oder eingesalzen (Stockfisch, Laberdan) gem. Tarif im Anh. Nr. 25 g 2. Thran Nr. 26 c 3.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Kabliau,
s. Kabeljau.