Kabbala
»Überlieferung«, »empfangene
Lehre«,
[* 2] in der talmudischen Zeit die neben dem schriftlichen
Gesetz der
Juden hergehende
Tradition, die halachische
Überlieferung, das mündliche
Gesetz, dann auch die Gesamtheit der prophetischen
Verordnungen und
Aussprüche in der
Bibel.
[* 3] Jetzt versteht man unter Kabbala
hauptsächlich die mystische
Religionsphilosophie des
jüdischen
Mittelalters, die aus der ältern
Geheimlehre hervorging und sich vom 13. Jahrh.
n. Chr. an zu
einem eignen
System ausbildete.
Letztere, aus dem Streben, die tiefsten Fragen über Gott und Welt zu lösen, entstanden, vereinigt sowohl Elemente der jüdisch-hellenistischen Geistesrichtung (Schriften Philos, s. d.) als auch der litterarischen Forschung in Palästina [* 4] und Babylonien. In phantastischen Bildern und Ausdrücken wurden früh schon metaphysische Betrachtungen (über Gott, sein Wesen und Wirken, seinen Thron [* 5] und Hofstaat [Maasse merkaba]) und physische (über Welt und Schöpfung [Maasse bereschit]) angestellt; aber diese Lehre, welche leicht gefährlich werden konnte, ward nicht dem großen Haufen preisgegeben, sondern geheimgehalten. In den Bereich dieser alten Geheimlehre zog man später auch persische Geisterlehre, Wahrsagekünste, den Glauben an geheime ¶
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Naturkräfte, Sympathie und Astrologie.
[* 7] Erst im Mittelalter, hauptsächlich in Spanien
[* 8] und der Provence, rivalisiert mit der auf
Aristotelischen Grundlagen aufgebauten jüdischen Religionsphilosophie die Kabbala
, die Tochter der alten Geheimlehre, als eigner
Zweig jüdischen Wissens; sie dringt ein in die Schriften jüdischer Gelehrten und macht sich in einer Reihe selbständiger Werke
geltend, deren Verfasser sich nicht nennen, aber zur Erhöhung des Wertes ihrer Schriften irgend einen großen Gelehrten als
deren Autor ausgeben. So war es bereits mit den ältern kabbalistischen Büchern, Jezirah (s. d.), Rasiel, Bahir, geschehen,
und so geschah es nun auch mit dem Buch Sohar (s. d.), dem Hauptwerk der Kabbala
, welches
dem Simon ben Jochai zugeschrieben, aber wahrscheinlich von Mose de Leon (ca. 1300 n. Chr.) verfaßt wurde.
Wie in diesem Buch, so zeigt sich die Kabbala
überhaupt als eine religionsphilosophische Exegese, die in haggadischer Form mit
Buchstaben- und Zahlenspielerei und neben den Erörterungen natürlicher und übernatürlicher Fragen auch mit Moral
und mit den jüdischen Legenden, Allegorien und Sentenzen sich beschäftigt. Nach der Kulturepoche der jüdischen Litteratur
des Mittelalters (15.-16. Jahrh.) verflachte sich, zuerst in Palästina (s. Sabbatäer) und Italien,
[* 9] das litterarische Leben im
Studium der Kabbala
, die dann in Deutschland
[* 10] und bis auf unsre Zeit in Polen (s. Chasidäer) begeisterte Anhänger
fand. Die Theorien der Kabbala
suchte man auch praktisch zu verwerten und glaubte durch Amulette, Aussprechen und Schreiben gewisser
Worte, Namen und Bibelstellen Außerordentliches verrichten zu können. Auch Christen, durch den Scholastiker Raimund Lullus (geb.
1253) auf die Kabbala
hingewiesen, wie Papst Sixtus IV., Reuchlin, Knorr v. Rosenroth u. a., machten sie zum
Gegenstand der Forschung, so daß die Kabbala
auch in nichtjüdische Litteraturkreise eindrang.
Vgl. Jellinek, Beiträge zur Geschichte
der Kabbala
(Leipz. 1851-52);
Derselbe, Auswahl kabbalistischer Mystik (das. 1852);
Jost, A. Jellinek und die Kabbala
(das. 1852);
Frank,
Die Kabbala
(deutsch von A. Jellinek, das. 1844);
Steinschneider in Ersch und Grubers Encyklopädie, Sekt. II, Bd.
27, § 5c und § 13. Die kabbalistischen Schriftsteller s. Jüdische Litteratur. - Kabbala
heißt auch die dem Schächter (Schochet)
nach abgelegter Prüfung von dem Rabbiner erteilte Autorisation zum Schächten (Schlachten
[* 11] des Viehs nach jüdischer Vorschrift).