Die einzelnen
Zellen sind hohl, dickwandig, mit häufigen
Verengerungen des
Lumens (s. Figur), an der
Spitze
abgerundet und fast immer stark verdickt. J. färbt sich mit schwefelsaurem
Anilin intensiv goldgelb bis orangegelb und wird
an der
Luft, besonders bei Einwirkung der
Feuchtigkeit, dunkler, bisweilen tiefbraun (wahrscheinlich stammt die sich schnell
bräunende J. von ältern, ausgereiftern
Pflanzen her). Bei der Gewinnung der J. vollzieht sich auch ein
Zerfall der Bastbündel, so daß das
Produkt einen mehr oder minder feinfaserigen
Charakter erhält; an den feinsten Jutesorten
erscheinen einzelne Bastzellen zum größten Teil isoliert.
Frische, fast weiße J. enthält im lufttrocknen Zustand 6 Proz.
Wasser und kann bis 23,3 Proz., gebräunte bis 24 Proz.
Wasser aufnehmen. Getrocknete J. gibt 0,9-1,74 Proz.
kristallfreie
Asche. - J. wird in den Heimatsländern der Stammpflanze seit alter Zeit gewonnen.
Ein großer Teil der
Produktion wird von den
Hindu zu
Geweben,
Seilen,
Stricken verarbeitet. Die bessern
Sorten der
Gewebe
[* 6] nennt
man Megila, die geringern, welche nur als Packleinen verwendet werden können,
Tat oder
Choti (davon der
Name J.),
Cuttings. Die schlechteste
Sorte dient unter anderm auch zur Papierfabrikation.
[* 7] Der größte Teil der gewonnenen J.
wurde bisher zu
Säcken für
Reis und
Zucker
[* 8] benutzt, diese bilden als Gunnybags und Gunnycloth einen wichtigen Exportartikel
Indiens und dienen besonders zum Verpacken des Javakaffees und der amerikanischen
Baumwolle.
[* 9] In
Europa
[* 10] wird
die J. durch Besprengen mit
Wasser und
Thran oder
Petroleum und schichtweise
Lagerung eingeweicht und dann zwischen geriffelten
Walzen stark gequetscht.
Hat die
Faser harte Wurzelenden,
oder soll sie zu feinern Garnen verarbeitet werden, so wird sie schließlich noch auf der Schnippmaschine von allen gröbern
Teilen befreit. Die so vorbereitete J. wird auf Karden bearbeitet, um die Fasern voneinander zu trennen, von anhaftenden Oberhautzellen,
Staub und kurzen Fäserchen zu befreien, möglichst gleichmäßig zu zerreißen und zu einem endlosen
Band
[* 12] zu vereinigen. Letzteres wird auf Streckmaschinen, die denen bei der Flachsspinnerei gebräuchlichen ähnlich sind, gestreckt,
dubliert und auf Vorspinnmaschinen vorgesponnen, worauf das Feinspinnen auf Trockenspinnmaschinen folgt.
Das Weben
[* 13] erfolgt in derselben Weise wie bei andern Gespinsten. Die J. läßt sich sehr schön bleichen und färben, sie ist
aber sehr empfindlich gegen Chlor und Mineralsäuren, und das Bleichen erfordert daher besondere Vorsichtsmaßregeln. Die hauptsächlichsten
der in Europa dargestellten Jutegewebe sind die losen, groben Baggings, die als billigstes Packmaterial dienen;
Twilld Sackings, ein sehr festes und dauerhaftes Drilch- oder
Zwilchgewebe zu Säcken für gepreßte Waren;
Hessians, das feinste und schönste Packmaterial für feinere Artikel, Futterleinen,
Matratzen etc. In neuerer Zeit, seitdem die Verarbeitung der J. einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht hat und auch feinere
Garne gesponnen werden, fertigt man aus J. viele Gewebe, die zu Möbelstoffen, Vorhängen, Tischdecken,
Stickereigrundlagen etc. dienen;
auch wurden Jutegarne mit Baumwolle, Wolle und Flachs zu allerlei Geweben (Hosenstoffen, Bettdrilch,
Möbelripsen, Plüsch) verarbeitet.
Ferner dient J. zu Zündern, Lampendochten, Gurten, Kordeln etc. Rohe J. benutzt man zum
Umwinden unterseeischer Telegraphenkabel und eigentümlich präparierte in der Chirurgie als Verbandmaterial. Obwohl manches
Vorurteil gegen die J. widerlegt worden ist, so ist der Stoff doch gegenüber Flachs und Hanf als geringwertiger,
und eine Beimischung zu letztern wäre ebenso als Verfälschung zu betrachten wie die häufig vorkommende Beimischung von
J. zu den gröbern Garnnummern in Wolle und Baumwolle.
Namentlich steht J. dem Hanf und Flachs in der Festigkeit
[* 16] nach und scheint auch den Wechsel von Feuchtigkeit
und Trockenheit schlecht zu vertragen. Die ersten Versuche mit der J. in Europa datieren von 1834 und 1835; aber erst der Krimkrieg,
durch welchen den englischen und schottischen Spinnereien der russische Flachs und Hanf entzogen wurde, verschaffte der J.
größere Geltung, und seitdem hat sich namentlich in und bei Dundee,
[* 17] London
[* 18] und Glasgow
[* 19] eine bedeutende
Juteindustrie entwickelt. 1875-76 wurden aus Ostindien 5,206,570 Ztr., 1882-83 aber 10,348,909 Ztr., und 1885-86:
7,778,864 Ztr. J. exportiert.
(Judhanf, Dschut, Pahthanf; frz. jute, chanvre de Calcutta, engl.
jute, gunny fibre, pavt hemp). J. ist wie Flachs und Hanf eine Bastfaser, welche von verschiednen in Indien und auf den Sunda-Inseln
heimischen und seit langer Zeit angebauten Corchorusarten gewonnen wird. Hauptlieferanten der Faser sind
C. capsularis und C. olitereus. Die Gattung Corchorus gehört zu den Tiliaceen oder lindenartigen Gewächsen; doch sind die
Pflanzen nur einjährig und kraut- oder strauchartig. C. olitereus ist, wie der Name andeutet, auch Gemüsepflanze; die jungen
Blätter und Stengel werden (übrigens auch von den andern Arten) gegessen.
Der Anbau der J. ist sehr einfach. Im April oder Mai erfolgt in Indien die Aussaat; 3-3½ Monat später das Schneiden, welches
jetzt während der Blüte vorgenommen wird. In der kurzen Zeit haben die Stengel eine Höhe von 3-4 m und
zuweilen darüber und einen Durchmesser von 12-15 mm erlangt. Sie werden von Blättern und Nebenzweigen befreit und in Bündeln
geröstet wie Flachs. Das Rösten geht in Indien in wenigen Tagen vor sich. Dann läßt sich der Bast über die ganze Länge
der Stengel als Ganzes abziehen; eine Arbeit, welche die Hindus im Wasser stehend verrichten.
Der an der Sonne getrocknete Bast ist
bereits fertige Handelsware. Die Risten und die Fasern haben eine Länge von 2-2,75
m, aber auch 4-4,25 m Länge ist nicht selten. An den obern Enden sind die Bastristen bereits aufgelöst, die Fasern also
isoliert, während dieselben am unteren härteren Teile meist noch zusammenhängen. Die Handelsjute ist
weit reiner von holzigen Teilen und Überbleibseln der Oberhaut als gut geschwungener ja selbst als gehechelter Flachs. Sie
kommt von Indien in scharf mit der hydraulischen Presse verdichteten Ballen von 300-400 Pfd. engl.
= 136-182 kg nach Europa.
Die Ausfuhr, welcher eine Sortierung vorausgeht, erfolgt fast ausschließlich von Kalkutta. Im
Jahre 1878/79 betrug der Export von da rund 301 Millionen kg. Nimmt man hierzu noch 100 Millionen
kg versandte Gewebe und 300 Millionen kg für eignen Bedarf, so erhält man eine recht stattliche Zahl für die indische
Juteproduktion, welche die an Baumwolle bedeutend übersteigt. In der indischen J. finden sich häufig
auch Fasern von andern Pflanzen. Diese Beimengungen werden aber, da sie meist nur in kleinen Quantitäten auftreten und die
Fasern auch denselben Wert wie Jutefasern besitzen, nicht als Verfälschungen angesehen. Der sich von Jahr zu Jahr steigernde
Bedarf an J. hat auch andre Länder zu Anbauversuchen veranlaßt. Von Erfolg begleitet sind namentlich
die in den Vereinigten Staaten (Florida, Georgia, Louisiane, Mississippi, Texas) in Brasilien und Australien und von Frankreich
in Algier, Guayana und auf Mauritius angestellten.
Eigenschaften der Jutefaser. Die besten Jutesorten zeigen helle, weißgelbe bis silbergraue Farbe. Ein bedeutender
Unterschied in der Farbe der Spitzen, des mittleren und des unteren Teiles der Risten darf dabei nicht bestehen. Die Fasern
sind weich, zeigen einen seidenartigen Glanz, besitzen aber geringere Festigkeit als Hanf und Flachs, doch lassen sich daraus
noch recht haltbare Gewebe herstellen. Das was wir im gewöhnlichen Leben als Jutefaser bezeichnen, ist
ein Bündel aus vielen Elementarfasern, welche, wie die mikroskopischen Untersuchungen ergeben haben, meist feiner sind als
die Elementarfasern des Flachses. Bei J. gelingt aber eine Zerlegung auf mechanischem Wege, z. B. durch Hecheln
nicht so als bei Flachs. Der Zusammenhang der Elementarfaser kann allerdings durch Laugen sehr gelockert
werden, aber derartige umständliche und teuere Prozesse kann das billige Material nicht tragen. -
Die schlechteren Sorten der J. zeigen gelbe bis bräunliche Farbe und geringeren Glanz. Feinheit, Weichheit und Reinheit
sind geringer, die Wurzelenden härter und meist weit dunkler. Diese Qualitäten besitzen auch die Eigenschaft, nachzudunkeln,
in viel höherem Grade als die weißen Sorten. J. läßt sich schwer ganz weiß bleichen, dagegen leicht
so weit, daß das Färben vorgenommen werden kann, was sehr gut gelingt. Gefärbte Jutegarne haben beinahe das Aussehen von
Wollgarnen. Unter Wasser hält sich J. sehr gut und wird jetzt viel zur Umwickelung von Telegraphenkabeln benutzt;
wechselnder Aufenthalt in Luft und Wasser soll eine rasche
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mehr
Vermoderung herbeiführen. - Als Erkennungsmittel für J. in Leinen- und Hanfgeweben kann schwefelsaures Anilin benutzt werden.
Eine Lösung davon färbt J., deren Fasern stark verholzt sind, dunkelgelb, während Flachs- und Hanffasern nicht berührt
werden. -
Verarbeitung und Verwendung: J. wird in derselben Weise wie Flachs verarbeitet. Aus den Risten bester
Qualität schneidet oder reißt man die Mittelstücke von etwa 760 mm Länge heraus und verspinnt diese Fasern genau so wie
Langflachs. Diese Methode ist nur in England, Belgien und Frankreich für Garne von Nr.
16-20 - ausnahmsweise wird auch Nr. 22 gesponnen - in Gebrauch und liefert gehecheltes
Garn oder Jute-Linen-Garn. In Deutschland und Österreich zerreißt man die Risten auf Karden und verspinnt
die so erhaltenen kürzeren Fasern wie Hede.
Auf diesem Wege lassen sich nur Garne unter Nr. 14 spinnen. Die Nummer gibt an, wie viel
Gebind à 300 Yards auf ein Pfund engl. gehen. Hält man hiergegen, daß
Flachs gar nicht selten bis Nr. 160 versponnen wird, so ergibt sich, daß die Jutegespinste
alle sehr grob sind. Der Verarbeitung in der Spinnerei geht immer ein Einweichen (Batschen) voraus; die Risten werden in
großen kistenartigen Fächern übereinander gelegt und schichtenweise mit Wasser und Robbenthran oder Mineralöl besprengt.
Davon rührt auch der den rohen Jutegeweben meist anhaftende Geruch her. -
In Indien ist die J. schon lange zur Herstellung von Seilerwaren und meist gröberen Geweben zu Packtüchern und Säcken
verwendet worden (Gunnycloth, Gunnisäcke). In Europa fertigt man aus den Gespinsten ebenfalls in erster Linie Verpackungsmateriale
von größter Billigkeit an: Packtücher, Säcke für Getreide, Mehl, Zucker etc. Dann haben sich die Jutewebereien
auf Herstellung von Teppichen, Läufern, Tischdecken, Vorhängen geworfen. Diese Sachen sind alle bei gefälligem Aussehen
sehr billig, fasern aber fortwährend, dunkeln nach und sind feuergefährlich. J. brennt leicht und das Feuer läßt sich,
da die Gewebe sehr schwer sind, schwer ersticken. Übrigens findet sich in diesen Geweben meist Baumwolle
zur Kette. Ferner wird Jutegarn noch verwendet zu Bindfaden, Gurten, zu Zündern, Lampendochten. Rohe J. ist ein sehr geschätztes
Verbandmaterial. Aus Juteabfällen und Hadern läßt sich recht gut Papier geringerer Qualität herstellen. -
Die Juteindustrie hat sich im Rahmen weniger Jahrzehnte aus einer Notstandsindustrie zu großer Bedeutung
herausgearbeitet. Während des Krimkrieges griffen die englischen und schottischen Flachs- und Hanfspinnereien aus Mangel
an russischem Hanf und Flachs zur J. Die Baumwollennot während des amerikanischen Krieges trat dann weiter fördernd hinzu
und jetzt wird bereits das oben angegebene ungeheure Quantum
in Europa und Indien allein verarbeitet.
Hauptsitz der Jutespinnerei in England ist Dundee, zugleich neben London der größte Importplatz. In Deutschland sind Spinnereien
und Webereien in Vechelde (älteste, seit 1861) Braunschweig, Oldenburg, am Rhein, in Meißen. - Rohe, gebleichte, gefärbte
oder gehechelte J. ist zollfrei. Jutegarn, eindrähtiges, gem. Nr. 22 a
und b des Tarifs im Anh., zwei- und mehrdrähtiges sowie auch grobe Seilerwaren, Gurte, Netze etc.
Nr. 22 d bezw. 22 e 3; Gewebe s.
Flachs.
Neuester Zeit ist in Ungarn ein Verfahren patentiert worden, nach welchem die sonst so spröde und ungefügige
Faser der J. derartig verändert und verfeinert werden soll, daß sie ein der Schafwolle ähnliches, feines, besonders starkes
und dauerhaftes Material liefert, welches sich schön und gut färben läßt und an Tragfähigkeit und
Stärke nur von Leinen übertroffen werden soll. Das Verfahren soll sehr billig sein, während der Wert der J. um das
Fünffache dadurch erhöht wird. (Vergl. Baggings) - Zoll s. S. 234.