Jute
[* 1] (spr. dschuht,
Pahthanf,
Kalkuttahanf, franz. Jute
, Chanvre de
Calcutta, engl. Jute
, Paut hemp,
Indian grass, Gunnyfibre),
die Bastfaser mehrerer indischer
Corchorus-Arten, besonders von
Corchorus capsularis und C. olitorius, welche in
Ostindien
[* 2] und
auf den benachbarten
Inseln, in
Siam,
Anam,
China,
[* 3]
Algerien,
[* 4]
Französisch-Guayana, im südlichen
Nordamerika,
[* 5] auf
Mauritius etc. kultiviert werden (s.
Corchorus). Die durch einfache
Röst- und Reinigungsprozesse gewonnene
Faser ist meist
1,5-2,5 m lang, weißlich, ins Flachsgelbe geneigt, stark seidenartig
glänzend, geschmeidig, geneigt, sich auszufasern.
Die einzelnen
Zellen sind hohl, dickwandig, mit häufigen
Verengerungen des
Lumens (s. Figur), an der
Spitze
abgerundet und fast immer stark verdickt. J. färbt sich mit schwefelsaurem
Anilin intensiv goldgelb bis orangegelb und wird
an der
Luft, besonders bei Einwirkung der
Feuchtigkeit, dunkler, bisweilen tiefbraun (wahrscheinlich stammt die sich schnell
bräunende J. von ältern, ausgereiftern
Pflanzen her). Bei der Gewinnung der J. vollzieht sich auch ein
Zerfall der Bastbündel, so daß das
Produkt einen mehr oder minder feinfaserigen
Charakter erhält; an den feinsten Jute
sorten
erscheinen einzelne Bastzellen zum größten Teil isoliert.
Frische, fast weiße J. enthält im lufttrocknen Zustand 6 Proz.
Wasser und kann bis 23,3 Proz., gebräunte bis 24 Proz.
Wasser aufnehmen. Getrocknete J. gibt 0,9-1,74 Proz.
kristallfreie
Asche. - J. wird in den Heimatsländern der Stammpflanze seit alter Zeit gewonnen.
Ein großer Teil der Produktion wird von den Hindu zu Geweben, Seilen, Stricken verarbeitet. Die bessern Sorten der Gewebe [* 6] nennt man Megila, die geringern, welche nur als Packleinen verwendet werden können, Tat oder Choti (davon der Name J.), Cuttings. Die schlechteste Sorte dient unter anderm auch zur Papierfabrikation. [* 7] Der größte Teil der gewonnenen J. wurde bisher zu Säcken für Reis und Zucker [* 8] benutzt, diese bilden als Gunnybags und Gunnycloth einen wichtigen Exportartikel Indiens und dienen besonders zum Verpacken des Javakaffees und der amerikanischen Baumwolle. [* 9] In Europa [* 10] wird die J. durch Besprengen mit Wasser und Thran oder Petroleum und schichtweise Lagerung eingeweicht und dann zwischen geriffelten Walzen stark gequetscht. Hat die Faser harte Wurzelenden,
[* 1]
^[Abb.: Bastfaserstücke von Jute.]
¶
mehr
oder soll sie zu feinern Garnen verarbeitet werden, so wird sie schließlich noch auf der Schnippmaschine von allen gröbern Teilen befreit. Die so vorbereitete J. wird auf Karden bearbeitet, um die Fasern voneinander zu trennen, von anhaftenden Oberhautzellen, Staub und kurzen Fäserchen zu befreien, möglichst gleichmäßig zu zerreißen und zu einem endlosen Band [* 12] zu vereinigen. Letzteres wird auf Streckmaschinen, die denen bei der Flachsspinnerei gebräuchlichen ähnlich sind, gestreckt, dubliert und auf Vorspinnmaschinen vorgesponnen, worauf das Feinspinnen auf Trockenspinnmaschinen folgt.
Das Weben
[* 13] erfolgt in derselben Weise wie bei andern Gespinsten. Die J. läßt sich sehr schön bleichen und färben, sie ist
aber sehr empfindlich gegen Chlor und Mineralsäuren, und das Bleichen erfordert daher besondere Vorsichtsmaßregeln. Die hauptsächlichsten
der in Europa dargestellten Jute
gewebe sind die losen, groben Baggings, die als billigstes Packmaterial dienen;
festere, stärkere, grobe Tarpawlings zu Säcken für Mehl, [* 14] Zement, Gips; [* 15]
Twilld Sackings, ein sehr festes und dauerhaftes Drilch- oder Zwilchgewebe zu Säcken für gepreßte Waren;
Hessians, das feinste und schönste Packmaterial für feinere Artikel, Futterleinen, Matratzen etc. In neuerer Zeit, seitdem die Verarbeitung der J. einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht hat und auch feinere Garne gesponnen werden, fertigt man aus J. viele Gewebe, die zu Möbelstoffen, Vorhängen, Tischdecken, Stickereigrundlagen etc. dienen;
auch wurden Jute
garne mit Baumwolle, Wolle und Flachs zu allerlei Geweben (Hosenstoffen, Bettdrilch,
Möbelripsen, Plüsch) verarbeitet.
Ferner dient J. zu Zündern, Lampendochten, Gurten, Kordeln etc. Rohe J. benutzt man zum Umwinden unterseeischer Telegraphenkabel und eigentümlich präparierte in der Chirurgie als Verbandmaterial. Obwohl manches Vorurteil gegen die J. widerlegt worden ist, so ist der Stoff doch gegenüber Flachs und Hanf als geringwertiger, und eine Beimischung zu letztern wäre ebenso als Verfälschung zu betrachten wie die häufig vorkommende Beimischung von J. zu den gröbern Garnnummern in Wolle und Baumwolle.
Namentlich steht J. dem Hanf und Flachs in der Festigkeit
[* 16] nach und scheint auch den Wechsel von Feuchtigkeit
und Trockenheit schlecht zu vertragen. Die ersten Versuche mit der J. in Europa datieren von 1834 und 1835; aber erst der Krimkrieg,
durch welchen den englischen und schottischen Spinnereien der russische Flachs und Hanf entzogen wurde, verschaffte der J.
größere Geltung, und seitdem hat sich namentlich in und bei Dundee,
[* 17] London
[* 18] und Glasgow
[* 19] eine bedeutende
Jute
industrie entwickelt. 1875-76 wurden aus Ostindien 5,206,570 Ztr., 1882-83 aber 10,348,909 Ztr., und 1885-86:
7,778,864 Ztr. J. exportiert.
Außerdem hat sich in Ostindien selbst die Jute
industrie stark entwickelt; 1884-85 wurden 82,8 und 1885-1886: 63,7
Mill. Säcke ausgeführt. Auch in Nordamerika (Massachusetts, Rhode-Island), Deutschland
[* 20] (seit 1861 in Vechelde,
ferner in Braunschweig,
[* 21] Oldenburg,
[* 22] am Rhein, in Meißen)
[* 23] und in Österreich
[* 24] wird J. verarbeitet, und im allgemeinen hat die Jute
industrie
im Umfang die alte Leinenindustrie bereits überflügelt.
Vgl. Pfuhl, Die J. und ihre Verarbeitung (Stuttg. 1878);
Ernst, Anleitung
zur Bleicherei und Druckerei von Jute
stoffen (Leipz. 1886).