Juno
(d. h. Jovino, weibliche Form zu dem in Jupiter enthaltenen Jovis), in der Mythologie der italischen Völker die Gemahlin Jupiters, darstellend die weibliche Macht des Himmels und himmlischen Lichts, insbesondere Mondgöttin. Später mit der griechischen Hera [* 2] (s. d.) identifiziert, betrachtete man sie als Tochter des dem Kronos gleichgestellten Saturnus (daher Saturnia) und als Schwester ihres Gemahls. Als höchste Frau galt sie den Italern so sehr für die Repräsentantin des gesamten weiblichen Wesens, daß wie der Mann seinen Genius, so jede Frau und jedes Mädchen ihre J. hatte, der sie opferte, und bei der sie schwur.
Ihr ältester und in Italien [* 3] am meisten verbreiteter Kult war der als J. Lucina (»Lichtbringerin«). Als solche war sie die Göttin aller Monatsersten und erhielt in Rom an [* 4] den Kalenden ihr regelmäßiges Opfer durch den Rex sacrorum. Zugleich war sie unter dem Namen Lucina als die erste und mächtigste Geburtsgöttin verehrt, und ihr in einem Hain gelegener Tempel [* 5] zu Rom war einer der ältesten und angesehensten. Das Hauptfest dieser Göttin, welche verschleiert mit einer Blüte [* 6] in der rechten und einem Wickelkind in der linken Hand [* 7] dargestellt wurde, waren die 1. März von den römischen Matronen und Jungfrauen begangenen Matronalien (s. d.). Ein andrer altertümlicher, durch ganz Italien hoch angesehener Kult war der der J. Sospita (»Erretterin«),
deren alter Hain und Tempel zu Lanuvium auch für Rom seine Heiligkeit bewahrte, als es selbst zwei Tempel dieser Göttin besaß. Die römischen Konsuln brachten jährlich zu einer bestimmten Zeit der J. in Lanuvium ein Opfer dar. Das Bild der Göttin trug über der Matronenkleidung ein als Helm und Panzer dienendes Ziegenfell, einen Schild [* 8] und einen geschwungenen Speer, wie sie in einer wohlerhaltenen Kolossalstatue des vatikanischen Museums dargestellt ist. Dieser Kultus gab also der Schutzgöttin des weiblichen Lebens zugleich den Charakter der Wehrhaftigkeit, und eine kriegerische Göttin ist auch die besonders von den Sabinern verehrte J. Curitis oder Quiritis (»die mit der Lanze Bewehrte«).
Als Ehegöttin wurde J. bei Hochzeiten unter mannigfachen Namen angerufen, als Domiduca, welche die Braut in das Haus des Bräutigams geleitet, Unxia, welche beim Einzug in dasselbe die Pfosten zum guten Zeichen salbt, Cinxia, die den Brautgürtel schürzt und löst, Pronuba und Juga, welche die Ehe stiftet. Als höchste Himmelsgöttin und Gattin des Jupiter Rex wurde sie mit diesem oder auch allein unter dem Namen J. Regina auf den Burgen [* 9] der Städte vorzugsweise von den Matronen verehrt und als Schutzgöttin der letztern betrachtet. In dieser Eigenschaft hatte sie in Rom neben Jupiter auf dem Kapitol ihren Haupttempel, in welchem bekanntlich Gänse gehalten wurden, die ihr als häusliche und fruchtbare Tiere heilig waren.
Ein andrer vielgefeierter Tempel der Regina lag auf dem Aventin, wohin dieser Kultus von Veji nach Zerstörung dieser Stadt verpflanzt worden war. Noch befand sich auf dem Kapitol ein Tempel der J. Moneta (»Mahnerin«),
der ihr für heilsame
Mahnungen errichtet war. Ein sehr altertümlicher römischer
Dienst war der der J.
Caprotina (»Ziegenjuno«
),
der am 7. Juli, den sogen. Nonae Caprotinae, als ein Fest der Sklavinnen gefeiert wurde. Aus Karthago [* 10] nach Rom war im dritten Punischen Krieg übertragen die J. Caelestis (»himmlische J.«),
die alte Burggöttin von Karthago, eigentlich die Astarte der Phöniker; ihr Kultus kam in der Kaiserzeit mit dem Aufblühen von Karthago aufs neue zu Ehren. Außer der Gans war der J. als Burggöttin auch die die Höhen liebende Krähe heilig. Vgl. Hera. ¶