Titel
Jung
,
Jung - Jungbrunnen

* 8
Seite 9.313.1) (Junge, Jungius) Joachim, Naturforscher und Mathematiker, geb. zu Lübeck, [* 2] studierte in Rostock [* 3] Mathematik, erhielt schon 1609 einen Lehrstuhl der Mathematik zu Gießen, [* 4] gab aber denselben 1614 wieder auf, lebte mit Ratichius und Helvich in Augsburg, [* 5] begab sich 1615 nach Lübeck, studierte dann bis 1618 in Rostock Medizin, promovierte in Padua, [* 6] gründete 1622 eine gelehrte Gesellschaft in Rostock, wurde 1625 Professor der Mathematik an der dortigen Universität und 1628 Rektor des Johanneums in Hamburg, [* 7] wo er starb. Er war ein heftiger Gegner der Scholastiker und wird von Leibniz dem Kopernikus und Galilei an die Seite gestellt. Als Botaniker stellte er zuerst die Begriffe von Art und Gattung auf und gab die Grundlage zu einer botanischen Kunstsprache, die später von Linné ausgebildet wurde. Von seinen Schriften, die von seiner gründlichen Gelehrsamkeit und von seinem Scharfsinn zeugen, sind besonders zu ¶
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nennen: »Doxoscopiae physicae minoris, seu Isagoge physica doxoscopica« (hrsg. von Fogel, Hamb. 1662);
»Isagoge phytoscopica« (hrsg. von Vaget, das. 1678).
Vgl. Guhrauer, J. J. und sein Zeitalter (nebst Goethes Fragment über Jungius, Stuttg. 1851);
Avé-Lallemant, Des Dr. J. J. aus Lübeck Briefwechsel (Lüb. 1863);
Derselbe, Das Leben des Dr. J. J. (Bresl. 1882).
2) Johann Heinrich, genannt Stilling, origineller deutscher Schriftsteller, geb. zu Im-Grund im Nassauischen als Sohn armer Leute, wuchs in den Kreisen einer pietistischen Sekte auf, die seit dem Ende des 17. Jahrh. in stillen Gegenden Westdeutschlands eine abgeschlossene Existenz führte, war zuerst Kohlenbrenner, dann Schneider, erwarb sich als Autodidakt einige Bildung, ward Hauslehrer und studierte endlich noch Medizin in Straßburg, [* 9] wo er auch mit Goethe in engern Verkehr trat.
Heideland - Heidelberg

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Heidelberg.Nachdem er hierauf zu Elberfeld [* 10] als Arzt gewirkt und sich namentlich durch geschickte Staroperationen Ruf erworben hatte, erhielt er 1778 eine Anstellung an der Kameralschule zu Lautern und siedelte später mit dieser Anstalt als Professor der Landwirtschaft nach Heidelberg [* 11] über. 1787 folgte er einem Ruf als Professor der Ökonomie und Kameralwissenschaften nach Marburg, [* 12] kehrte aber 1804 als ordentlicher Professor der Staatswissenschaften nach Heidelberg zurück und verlebte die letzte Zeit seines Lebens in Karlsruhe. [* 13] Er starb als badischer Geheimrat. J. eröffnete seine litterarische Laufbahn mit Romanen, welche die Welt- und Lebensanschauung der Pietisten vielfach wiedergaben, und in denen eine Reihe realer Erinnerungen an das eigenartige Dasein der Sektierer niedergelegt war. Zu denselben gehören: »Florentin v. Fahlendorn« (Mannh. 1779);
»Geschichte des Herrn v. Morgenthau« (Berl. 1779);
»Theobald, oder die Schwärmer« (Leipz. 1784).
Höher noch steht seine Autobiographie, welche in verschiedenen Folgen und Fortsetzungen als »Heinrich Stillings Jugend« (Berl. 1777),
»Heinrich Stillings Jünglingsjahre« (das. 1778),
»Heinrich Stillings Wanderschaft« (das. 1778),
»Heinrich Stillings häusliches Leben« (das. 1789) und »Heinrich Stillings Lehrjahre« (das. 1804) erschien. Reichtum der Anschauung, lautere, gemütvolle Darstellung sowie ein wahrhaft frommer Sinn verleihen diesem Werk nicht geringen Wert. Dasselbe erschien später in neuer Gestalt unter dem Titel: »Heinrich Stillings Leben, eine wahre Geschichte« (Berl. 1806, 5 Bde.);
den Schluß dazu: »Heinrich Stillings Alter« (Heidelb. 1817) lieferte sein Enkel Schwarz (eine neue Ausgabe des Ganzen unter dem Titel: »J. Stillings Lebensgeschichte« erschien Stuttgart [* 14] 1857).
Auch über Kameralwissenschaften schrieb J. manches Verdienstvolle. Bekannter aber machten seinen Namen seine zahlreichen pietistisch-mystischen Schriften: »Das Heimweh« (Marb. 1794-97, 4 Bde.; neue Ausg., Stuttg. 1876),
»Szenen aus dem Geisterreich« (Frankf. 1797-1801; 6. Aufl., Stuttg. 1875),
»Der graue Mann, eine Volksschrift« (Nürnb. 1795-1816),
»Der christliche Menschenfreund« (das. 1803-16),
»Theorie der Geisterkunde« (das. 1808) und »Apologie der Theorie der Geisterkunde« (das. 1809), Schriften, in denen
er den Verkehr abgeschiedener Geister mit dieser Welt als faktisch voraussetzt und in theologisch-mystischem Sinn erklärt. Die
zahllosen Angriffe auf diese Werke verbitterten seine letzten Lebensjahre. Seine letzten »Erzählungen«
(Frankf. 1814-15) sowie seine von Schwarz herausgegebenen »Gedichte« (das.
1821) sind unbedeutend. Eine liebevolle Charakteristik Jungs
gibt Goethe in »Wahrheit und
Dichtung« (Bd. 2). Eine neue Ausgabe
seiner »Sämtlichen Werke« erschien Stuttgart 1843-44 in 12 Bänden.
Ost- und Westpreußen

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Ostpreußen.3) Alexander, Schriftsteller, geb. zu Rastenburg in Ostpreußen, [* 15] widmete sich seit 1826 zu Berlin [* 16] und Königsberg [* 17] dem Studium der Theologie und Philologie, seit 1837 vorwiegend dem der Litteratur und trat später als Schriftsteller besonders auf litterarhistorischem und sozialem Gebiet auf. Wir führen von seinen Schriften an: »Vorlesungen über die moderne Litteratur der Deutschen« (Danz. 1842);
»Frauen und Männer« (Königsb. 1847);
»Charaktere, Charakteristiken und vermischte Schriften« (das. 1848, 2 Bde.);
»Friedrich Hölderlin und seine Werke« (Tübing. 1848);
»Der Bettler von James Park«, Roman (Leipz. 1850);
»Goethes Wanderjahre und die wichtigsten Fragen des 19. Jahrhunderts« (Mainz [* 18] 1854);
»Das Geheimnis der Lebenskunst« (Leipz. 1858, 2 Bde.);
»Rosmarin, oder die Schule des Lebens«, Roman (das. 1862, 5 Bde.);
»Joseph v. Schelling«, Lebensbild (das. 1864);
»Über Franz v. Baaders Dogmatik als Reform der Sozialwissenschaft« (Erlang. 1868);
»Darwin, komisch-tragischer Roman in Briefen an einen Pessimisten« (Jena [* 19] 1873, 3 Bde.; 2. Aufl. 1879);
»Panacee und Theodicee. Illustrationen, Karikaturen der Gegenwart« (Leipz. 1876);
»Moderne Zustände« (Rostock 1880).
J. starb zu Königsberg i. Pr. Nach seinem Tod erschien noch: »Die Harfe von Discatherine, Bekenntnisse eines
Dichter-Philosophen«, ein Seitenstück zu »Rosmarin« (Leipz. 1885). J. gehört zu den Ausläufern der jung
deutschen Richtung,
welche die grundverschiedenen Aufgaben der Publizistik, Kritik und poetischen Darstellung miteinander vermischend, hauptsächlich
durch Reflexion
[* 20] und geistreiche Einfälle, die ihr Gedanken heißen, zu wirken suchte.