Jucken
(Pruritus), eine eigentümliche schmerzhafte Empfindung
(Hyperästhesie) der äußern
Haut
[* 2] oder gewisser
Stellen
der Schleimhäute
(After, Scheide u. s. w.), welche zum
Kratzen und Reiben veranlaßt. Die Empfindung selbst
ist verschiedener Art: brennend, stechend, nagend, kriebelnd u. s. w. Ein geringerer
Grad dieses Hautschmerzes ist der
Kitzel.
Das J. begleitet viele
Hautausschläge und ist hier am bedeutendsten beim
Nesselausschlag; der sog.
Juckausschlag
(Juckblattern,
Prurigo), bei welchem sich flache stecknadelkopf- bis hanfkorngroße heftig juckende
Knötchen auf der
Haut bilden, hat
von dieser Erscheinung den
Namen.
Dieser echte Juckausschlag findet sich besonders häufig bei der armen und dürftig ernährten Bevölkerung, [* 3] beginnt fast ausnahmslos schon in der frühesten Jugend und bleibt nicht selten durch das ganze Leben bestehen; Lieblingsstellen der Juckblattern sind die Streckseiten der untern, in geringerm Grade der obern Extremitäten, die hintere Fläche des Rumpfes, die Brust und der Unterleib, wohingegen das Gesicht [* 4] und die Beugeflächen der Extremitäten immer von ihnen verschont bleiben.
Auch die Umgegend von Geschwüren juckt oft. Nicht selten tritt auch das J. auf nach der Heilung von Hautausschlägen (Gürtelrose, nässende Flechte, Pocken u. s. w.), bei der Ablösung von Hautschorfen, in frischen und alten Narben. Die häufigste Ursache des J. sind aber Schmarotzer (Krätzmilben, [* 5] Läuse, Madenwürmer im Mastdarme, in der Scheide), die oft übersehen werden, und Schmutz. Auch die Einwirkung reizender Substanzen auf die Haut verursacht oft J., so z. B. gar nicht selten das Auflegen von Heftpflaster. Zu den innern Ursachen des J. gehören Alkoholmißbrauch, der Genuß reizender und scharfer Nahrungsmittel [* 6] und Gewürze.
Manche Menschen bekommen auch nach dem Genusse anscheinend ganz unschuldiger Dinge (Krebse, Erdbeeren, Käse) meist mit Nesselausschlag verbundenes Hautjucken (s. Nesselsucht). Ebenso stellt sich J. oft bei solchen ein, welche viel Tabak [* 7] rauchen; nicht selten auch bei Gelbsüchtigen. Endlich kann das J. auch bedingt sein von Nervenerkrankungen, die ihren Sitz an dem peripherischen oder dem centralen Ende der Nerven [* 8] haben. Das J. und Kitzeln in den Schleimhäuten (Nase, [* 9] Kehlkopf) [* 10] hängt oft ab von entzündungsähnlichem Katarrh.
Am häufigsten kommt das J. vor in der Umgebung der Geschlechtsteile, an der Aftermündung (s. After), an der innern Schenkelfläche, den Waden, den Brüsten. Es setzt aus oder hält ununterbrochen an, wird beim Schwitzen, in der Wärme [* 11] (im Bett), [* 12] im Frühjahr, im Winter, auf Diätfehler stärker oder zeigt sich dann überhaupt erst. Das J. kommt in verschiedenem Grade vor, vom leichtesten Kitzel bis zum furchtbarsten Schmerz. Kratzen bis aufs Blut schafft oft Erleichterung; mitunter steigert sich der Schmerz bis zur Besinnungslosigkeit. In so schweren Fällen stellt sich nicht selten Gereiztheit, Schwermut ein, der Schlaf, die Ernährung leiden, es tritt zuletzt wirkliches Fieber ein.
Die Behandlung muß sich auf die Hebung der Ursache richten: Töten und Entfernen der Schmarotzer, Reinlichkeit, Vermeidung schädlicher Genüsse;
bei peripherischem Nervenschmerz Durchschneidung der Nerven. Wo dem Grunde des Übels nicht beizukommen ist, sucht man den Schmerz zu lindern durch schmerzstillende Mittel, Chloroform, Cocaïn, Narkotika, Blasenpflaster, Eis, [* 13] Essigwaschungen u. dgl. Gegen den chronischen Juckausschlag erweisen sich tägliche lauwarme Bäder, unter Umständen mit Zusatz von Schwefelleber, Sublimat oder Soda, sowie Einreibungen mit grüner Schmierseife, Leberthran oder Teerpräparaten nützlich.